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Essener SPD zu GroKo-Entscheidung
Mehr Erleichterung statt Empörung

Die Abstimmung über die GroKo sei eine Wahl zwischen Pest und Cholera gewesen, sagen die einen. Die anderen sind froh, dass das Gezerre um eine neue Regierung nun endlich vorbei ist: Bei der Essener SPD ist man sich uneins über das Ergebnis des SPD-Votums.

Von Moritz Küpper | 06.03.2018
    Ein Logo der SPD an einem Rednerpult
    Viele SPD-Mitglieder hoffen nach der Entscheidung über die GroKo, dass man sich innerhalb der Partei nun auf eine Erneuerung der SPD konzentrieren kann (imago/Michael Gottschalk)
    Der Gustav-Heinemann-Saal am frühen Abend im zweiten Stock des Essener Rathauses. Holzvertäfelt ist es hier, man hat einen schönen Blick über die Stadt, doch die gut 40 Genossinnen und Genossen, die zur Sitzung des Unterbezirksvorstandes gekommen sind, haben anderes im Sinn:
    Nach und nach tröpfeln die Mitglieder ein, zur Aussprache über das Mitgliedervotum, für die sich die Türen schließen. Hier, in Essen, der größten Stadt des Ruhrgebiets, in dem sich die führenden Parteivertreter früh festgelegt hatten: Eine Probeabstimmung unter den Vorsitzenden der insgesamt 32 Ortsvereine war Ende letzten Jahres einstimmig ausgefallen – gegen die Große Koalition. Nun, also Wunden lecken am Tag danach?
    "Wir haben noch einmal sehr intensiv darüber diskutiert. Alle waren, glaub ich, zufrieden, dass es jetzt erstmal vorbei ist. Es haben aber auch alle die große Sachlichkeit und die Fairness in der Diskussion vorher gelobt und dass da auch wirklich keiner als Sieger oder Verlierer dargestellt wird."
    Fairer Verlierer
    Thomas Kutschaty ist Vorsitzender der Essener SPD, einst Justizminister in Nordrhein-Westfalen. Er war wohl der prominenteste Genosse in NRW, der einen No-GroKo-Aufruf unterschrieben hatte. Aber nun ist Kutschaty fairer Verlierer, braver Parteisoldat:
    "Alle, auch die vorher anderer Auffassung waren, wie ich zum Beispiel ja auch, wir akzeptieren diese Entscheidung. Und zwei Drittel ist ein deutliches Votum für die GroKo und das müssen wir jetzt umsetzen."
    Einen Riss, gar eine Spaltung, sieht Kutschaty nicht:
    "Im Gegenteil: Das hat uns, glaube ich, noch mehr zusammengeschweißt, weil wir uns alle sehr intensiv Gedanken gemacht haben, wie muss es denn auch über die dreieinhalb Jahre hinaus weitergehen."
    Knapp zwei Stunden dauerte die Sitzung am Abend. Dafür, dagegen, manch einer war gar unentschieden, wie Berrin Kapyapar. Sie ist froh, dass dieser Zustand jetzt vorbei ist:
    "Für viele ist das jetzt erst einmal ein Durchatmen. Und man steht nicht mehr in einem Dilemma-Zustand. Jetzt geht es nach vorne. Das finde ich gut. Also, für Neuwahlen war ich auch nicht, ehrlich gesagt. Insofern: Ich freue mich, dass es endlich jetzt vorwärtsgeht."
    Hoffen auf normalere Zeiten
    Auch wenn es kompliziert war – und vielleicht noch ist, wie Ali Kaan Sevinc sagt, ein GroKo-Gegner:
    "Wenn wir jetzt sagen: Man ist dafür oder dagegen, hat man eine bestimmte Position und die kann man ja trotz dessen einbringen, auch wenn man jetzt dafür oder dagegen war."
    "Ich hoffe, irgendwann kommt man mal wieder in normaleres Fahrwasser, wenn jetzt auch die Ministerien besetzt sind und die Personalfrage geklärt ist, dass man dann auch ans Regieren kommt, wobei wir da natürlich die Erneuerung der Partei nicht vergessen dürfen dann."
    Peter Allmang war dafür, weil es das geringere Übel war. Und auch Susanne Kirchhoff hat für den Koalitionsvertrag gestimmt, auch wenn sie an diesem Abend sagt:
    "Politisch ist das mit Sicherheit richtig, sich dagegen zu äußern, das sehe ich auch so, aber ich denke, wir hatten jetzt die Möglichkeit zwischen Pest und Cholera zu entscheiden und mit der jetzigen Truppe könnte es funktionieren, ich bin da jetzt mal relativ optimistisch."
    Und steht prototypisch für diesen Abend in Essen:
    "Noch mehr unten können wir eigentlich nicht mehr landen und ich würde es mir auch wünschen, dass es jetzt irgendwo weiter nach vorne geht. Ich bin dieser Partei seit 32 Jahren treu, untere Funktionärsebene. Von daher: Ich glaub schon, dass es irgendwie wieder nach oben gehen kann.
    Erleichterung statt Empörung
    Eher Erleichterung statt Empörung, so der Eindruck des Abends – und die Hoffnung auf die Zukunft. Passenderweise hängt auf dem Weg vom Sitzungssaal nach draußen, auch das Konterfei von Angela Merkel. Bundeskanzlerin seit 2005, steht darunter. Nun werden es wohl noch ein paar Jahre mehr, das weiß auch der Essener SPD-Chef Kutschaty:
    "Ja, ich habe sie nicht gewählt, Angela Merkel, aber wahrscheinlich wird sie noch eine Weile Bundeskanzlerin bleiben, aber ich gehe dann mal davon aus, das wird jetzt dann doch endgültig ihre letzte Amtszeit werden."
    Und auch darin liegt dann eine Hoffnung.