Freitag, 19. April 2024

Archiv

EU-Agrarreform
BUND: Neu formulierte Zuschüsse sind nicht klimawirksam

Der Klimaexperte Christian Rehmer vom BUND kritisiert die Vorschläge der EU zu einer Agrarreform. Der Plan von Agrarkommissar Phil Hogan, dass 40 Prozent der Zuschüsse für Klimaschutzmaßnahmen fließen sollten, beruhe "auf einem Rechentrick", sagte Rehmer im Dlf.

Christian Rehmer im Gespräch mit Jule Reimer | 18.06.2018
    Das Papenburger Moor
    Landwirtschaft an klimakritischen Moorstandorten: BUND fordert, Geld dafür zu geben, wenn ablesbar besonders klimafreundlich gewirtschaftet wird und nicht pauschal Geld zu verteilen. (picture alliance / dpa / Carmen Jaspersen)
    Jule Reimer: 280 Euro als Direktzahlung erhält jeder Landwirt beziehungsweise jeder Eigentümer von Wiesen und Ackerland – das kann dann auch der Energiekonzern RWE sein – pro Hektar bewirtschaftetem Land jedes Jahr aus Brüssel. Egal, ob er auf dem Acker Intensivlandbau mit hohen Hektar-Erträgen und Einsatz von Pestiziden und chemischem Dünger betreibt oder ob er mit etwas geringeren Hektar-Erträgen Biolandwirtschaft betreibt und dort eine Wiese wachsen lässt.
    Daneben gab es zudem aus der sogenannten zweiten Säule immer Geld aus Brüssel für spezielle Umweltmaßnahmen, die Landwirte ergriffen zum Beispiel für das Anlegen von Hecken, in denen Vögel brüten können.
    Ab 2021 muss der EU-Haushalt für die nächsten Jahre neu sortiert werden, unter anderem wegen des Austritts der Briten und damit wegfallenden Beiträgen. EU-Agrarkommissar Phil Hogan hat jetzt Vorschläge für eine Reform dieser Agrarpolitik gemacht, die heute auch die EU-Agrarminister diskutieren werden. 40 Prozent der Gelder soll es künftig nur für Klimaschutz-Maßnahmen geben. Die Landwirtschaft soll Klimaschutz berücksichtigen. Ein Fortschritt, fragte ich kurz vor dieser Sendung Christian Rehmer vom BUND?
    Geld bei besonders klimafreundlichem Wirtschaften
    Christian Rehmer: Das wäre dann ein Fortschritt, wenn das so stimmen würde. Leider ist das allerdings mehr ein Rechentrick aus Brüssel. Kommissar Hogan versucht, die Flächenprämien, die Direktzahlungen, die es pro Hektar gibt, etwas anzugrünen und dann zu sagen, das ist eine Maßnahme für Klimaschutz.
    Um ein konkretes Beispiel zu machen: Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Bauer, der auf einem ehemaligen Moorstandort wirtschaftet. Ehemalige Moorstandorte sind schlecht fürs Klima, weil da ganz viel CO2 ausgast. Und Sie machen daraus ganz normale Landwirtschaft; dann würde das auch zu diesen 40 Prozent Direktzahlung im Klimabereich gutgeschrieben werden, obwohl es genau das Gegenteil bewirkt.
    Reimer: Warum? Wieso? Der Landwirt muss doch schon irgendwas fürs Klima tun. Er war ja vorher schädlich. Er hat sich vorher klimaschädlich verhalten, indem er das Moor umgewandelt hat. Das verursacht die CO2-Emissionen.
    Rehmer: Das ist richtig. Der Landwirt, vielleicht sogar seine Vorgänger haben das schon getan. Eine direkte Schuld ist dann meistens gar nicht der Fall. Die Anforderungen, die man jetzt braucht, um Flächenprämien zu bekommen ab 2021, werden von Hogan etwas neu formuliert. Das ist der Kommissar. Dieses Neuformulieren, nicht nur im Bereich Klima, auch im Bereich Biodiversität, sagt er, führt dann automatisch dazu, dass diese Gelder klimawirksam sind, und das stimmt nun mal nicht. Um bei dem Beispiel des Landwirts auf dem Moorstandort zu bleiben: Wir müssten ihm Geld dafür geben, wenn er besonders klimafreundlich wirtschaftet, so dass zum Beispiel wieder Kohlenstoff im Boden eingelagert werden kann oder zumindest es verhindert werden kann, dass weiter CO2 aus dem Boden ausströmt. Das ist ganz wichtig und dafür brauchen wir das Geld, anstatt einfach das pauschal mit der Gießkanne zu verteilen.
    "Wir befürchten einen Unterbietungswettbewerb"
    Reimer: Die EU-Kommission beansprucht für sich, dass jetzt wesentlich strenger darauf geguckt wird, ob tatsächlich auch zum Beispiel die europäische Wasser-Rahmenrichtlinie eingehalten wird. Das ist doch auch ein Fortschritt.
    Rehmer: Ja, das wäre ein Fortschritt, wenn das so wäre. Aber genau das Gegenteil ist wieder der Fall. Für die neue Agrarpolitik sollen die Regeln viel mehr als bisher in den Ländern gemacht werden, in den Mitgliedsstaaten der EU, Deutschland, Frankreich, Polen. Die EU selber wird nur einen Rahmen setzen. Das heißt, wir befürchten einen Unterbietungswettbewerb gerade im Umweltrecht zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU. Das heißt, wenn das so effektiv sein soll, wie die EU-Kommission das gerne hätte, müsste sie zumindest dafür sorgen, dass ein sehr, sehr gutes Kontroll- und Sanktionssystem eingebaut wird. Das sehen wir momentan noch nicht.
    Was die Wasser-Rahmenrichtlinie betrifft, das ist sowieso ein Thema, das die EU-Mitgliedsstaaten eigentlich seit den 90er-Jahren einhalten müssen, die Gewässer schützen, auch die Nitratrichtlinie vor dem Eintrag von Stickstoff in die Gewässer. Deutschland ist dort, na ja, ganz schlecht dabei und wird wahrscheinlich am Donnerstag verurteilt werden.
    Reimer: Andererseits sagt die EU-Kommission, es macht ja keinen Sinn, wenn wir aus Brüssel vorgeben, wie lang die Hecke sein muss, für die es dann Umweltprämien gibt. Es ist auch sinnvoll, mehr Verantwortung in die Nationalstaaten zu verlagern. Und wenn dann die Ziele der Wasser-Rahmenrichtlinie nicht eingehalten werden, dann kürzen wir das Geld.
    Rehmer: Es ist durchaus sinnvoll, einzelne Maßnahmen im Biodiversitätsbereich und im Klimabereich auch den Regionen zu überlassen, weil nun mal nicht überall die gleichen Probleme zwischen Finnland und Spanien existieren. Das ist richtig. Dafür braucht man dann aber sehr, sehr gute Indikatoren, die messen, ob das, was die Mitgliedsstaaten tun, auch Effekt hat. Dann braucht man ein sehr gutes Berichtswesen und dann auch Sanktionen. Zu den Sanktionen muss dann natürlich auch Geldkürzen gehören. Damit die Ziele, die eingehalten werden – die sind auf EU-Ebene jetzt schon festgelegt, neun Ziele sollen das sein –, effektiv kontrolliert werden, muss ein entsprechendes System in den Mitgliedsstaaten aufgebaut werden. In einigen Mitgliedsstaaten liegt das bereits jetzt ziemlich im Argen, gerade in Osteuropa. Viele Mitgliedsstaaten Osteuropas haben das Problem, dass die Gelder, die momentan in der zweiten Säule sind, gar nicht gut programmiert werden können, die Regeln aufgebaut werden können. Das muss alles jetzt von der EU-Kommission sichergestellt werden, dass das überhaupt in den Mitgliedsstaaten funktioniert. Und bei den 27 Mitgliedsstaaten, die sie zu kontrollieren habt, wage ich zu bezweifeln, dass das gut funktionieren wird. Da muss Hogan jetzt Butter bei die Fische geben und erklären, wie er sich das vorstellt.
    "Maximalbetrag pro Betrieb finden wir richtig"
    Reimer: Was halten Sie davon, einen jährlichen Maximalbetrag pro Betrieb einzuführen? Das ist ja auch vorgeschlagen worden und bereits von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner abgelehnt worden für Deutschland, vor allen Dingen für Ostdeutschland?
    Rehmer: Der BUND findet das richtig, solange es noch Flächenprämien gibt, dass es auch einen Maximalbetrag pro Betrieb geben sollte. Große Betriebe haben Vorteile, die kleine Betriebe nicht haben. Sie können Maschinen besser ausnutzen. Deswegen sollten sie nicht einfach tausendmal mehr bekommen für tausend Hektar, als ein Betrieb mit einem Hektar hat. Aber das setzt voraus, dass es weiterhin eine Flächenprämie gibt. Die wollen wir eigentlich gar nicht haben.
    Reimer: Das Interview mit Christian Rehmer vom BUND zu den neuen Brüsseler Vorschlägen, wie es in der EU-Agrarpolitik ab 2021 weitergehen soll, haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.