Donnerstag, 28. März 2024

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EU-Agrarreform
"Gemeinwohlorientierte Agrarpolitik nicht in Frage stellen"

Die Reformvorschläge für eine nachhaltige EU-Agrarpolitik sollten trotz des Shutdowns nicht auf die lange Bank geschoben werden, sagte Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube im Dlf. Landwirte, die effizient und umweltschonend produzierten, sollten dafür künftig mehr EU-Mittel erhalten.

Friedhelm Taube im Gespräch mit Jule Reimer | 17.04.2020
Ökologische Landwirtschaft in Lünen, Kreis Unna: Biospargel wird mit Erntehelfern bearbeitet, April 2020
Wir brauchen einen geringen ökologischen Fußabdruck bei den Nahrungs- und Futtermitteln, die wir produzieren, sagte Agrarexperte Friedhelm Taube im Dlf (imago / Cord)
Die Corona-Krise könnte einige wichtige europäische Vorhaben für Umwelt- und Klimaschutz verzögern. Darunter sind die geplanten EU-Strategien für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft und im Verkehr sowie das Recht auf Reparatur von Geräten.
Thema Landwirtschaft: Eigentlich sollte die europäische Agrarsubventionspolitik in Richtung Klima- und Artenschutz reformiert werden. Die Vorschläge liegen schon auf dem Tisch der EU-Kommission.
Wir haben darüber mit Friedhelm Taube gesprochen. Er ist Professor an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Uni Kiel und als Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft auch Berater von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner.
Den eingeschlagenen Weg in der EU-Landwirtschaft weitergehen
Jule Reimer: Ist die EU wirklich gut beraten, wenn sie in dem Bereich Landwirtschaft diese ganzen Vorhaben in Richtung Umweltschutz und Klimaschutz auf die längere Bank schiebt?
Friedhelm Taube: Guten Morgen! – Das ist sie mit Sicherheit nicht. Einen Punkt muss man vielleicht vorneweg schicken. Solange es sich nur um eine kurzfristige technische Verzögerung handelt, weil einfach viele Mitarbeiter auch der EU-Kommission durch den Shutdown nur begrenzt verfügbar sind, wird man das sicherlich verstehen. Aber man sollte nicht dahin das Ganze weiterentwickeln, dass die gesamten Wege, die eingeschlagen worden sind zu einer mehr gemeinwohlorientierten Agrarpolitik und mehr Klimaschutz, dass man dies nun wieder in Frage stellt. Das wäre verheerend.
Eine Muttersau steht in einem Stall eines Schweinezuchtbetriebes in Mecklenburg-Vorpommern.
Greenpeace: "Wir bräuchten eine Milliarde für den Umbau der Tierhaltung" Schon 2014 sollte Europas Agrarpolitik grüner und gerechter werden. Nun folgt die nächste Reform. Die bisherigen Vorschläge aus Brüssel seien aber "ziemlicher Quatsch", sagte Martin Hofstetter von Greenpeace im Dlf.
Gutes Wirtschaften und nachhaltige Produktion honorieren
Reimer: Eine wichtige Kritik an der aktuellen Art und Weise, wie die Europäische Union ihre Subventionen auszahlt, sagt ja, das Geld fließt zu sehr in den reinen Landbesitz. Pro Hektar in Deutschland bekommt jeder Landwirt um die knapp 300 Euro. Und es gäbe zu wenige Anreize für eine nachhaltige Landwirtschaft. – Ist denn das Konzept, was bisher in Brüssel angedacht wurde, was jetzt möglicherweise auf Eis geht, ein guter Ansatz, um da eine andere Richtung einzuschlagen?
Taube: Natürlich hat auch dieses Konzept noch gewisse Schwächen. Aber Sie müssen sich einfach den gesamten parlamentarischen Prozess und den Vorlauf vorstellen, bis man so weit kommt, etwas auf diesem Niveau dann diskutieren zu können – auch in Brüssel. Und dieses jetzt in Frage zu stellen, wäre wie gesagt nicht sinnvoll, um das noch mal ganz deutlich zu machen.
Wir brauchen diese Ansätze und die neuen Vorschläge, die da sind. Die erlauben durchaus auch eine wesentlich stärkere Gemeinwohlorientierung, und das ist ja nicht etwas, was für die Landwirte ungünstig ist, sondern es wird im Wesentlichen darauf hinauslaufen, wie Sie eben schon richtig sagten, dass Gelder stärker an die Landwirte gehen, die ihre Aufgaben besonders gut erfüllen, nämlich die Aufgaben, sowohl Nahrungsmittel und Futtermittel zu produzieren als auch dabei die Umwelt zu schonen. Diese gibt es und bisher wird das nicht ausreichend honoriert, weil im Wesentlichen Landbesitz honoriert wird und nicht gutes Wirtschaften.
Nachvollziehbar, dass Regeln erst ab Düngejahr 2021 gelten
Reimer: Ein wichtiger Aspekt ist ja das Thema Düngen. Wir haben die ganze Auseinandersetzung zwischen der Bundesrepublik, der EU-Kommission, auch den deutschen Landwirten in Sachen Düngeverordnung mitbekommen. Da sind ja schon einzelne Auflagen, sagen wir mal, verschoben worden. Das war eine Einigung auf Beginn 2021. Düngen ist ein wichtiger Aspekt auch beim Thema Klimaschutz. War das richtig, da zu verschieben?
Taube: Sie müssen bedenken, dass die Diskussionen darüber seit 1996 definitiv laufen. Das heißt, wir waren jetzt unter einem enormen Druck, und in den Vorschlägen, die unterbreitet worden sind nach Brüssel, da gab es tatsächlich einige Punkte, die nicht in sich ganz schlüssig waren, jedenfalls in der Kurzfristigkeit der Umsetzung. Von daher war es nachvollziehbar, dass man im Frühjahr 2020 nicht sagt, diese Regeln gelten für das Düngejahr 2020, sondern erst ab dem Düngejahr 2021. Aber insgesamt ist man auch hiermit auf einem richtigen Weg und wir müssen einfach dahin kommen, dass die Effizienz der Produktion erhöht wird. Wir müssen nicht die Massen für die Welt produzieren, sondern wir müssen vor allen Dingen dafür Sorge tragen, dass ein geringer ökologischer Fußabdruck bei den Nahrungs- und Futtermitteln, die wir produzieren, gegeben ist.
"Verlust an Biodiversität geht weiter, wenn wir jetzt nicht agieren"
Reimer: Auch in Sachen Pestizid-Politik gibt es Druck, zum Beispiel den Ausstieg aus Glyphosat zu verschieben. Bayer möchte das Mittel wieder zulassen, sagt, das geht, wenn man es sachgemäß anwendet. Sollte da die EU vielleicht auch mit Rücksicht auf die aktuelle Situation – Landwirte sind ja jetzt wichtig – langsamer fahren?
Taube: Landwirte sind immer wichtig. Wenn die Corona-Krise einmal etwas länger vorbei sein wird, dann müssen wir uns doch wieder auf die ursprünglichen Herausforderungen konzentrieren. Der Verlust an Biodiversität und der Anstieg der Meeresspiegel geht weiter, wenn wir jetzt nicht entsprechend agieren. Dazu gehört natürlich auch, dass im Bereich des chemischen Pflanzenschutz-Einsatzes eine weitere Reduktion erfolgt. Ob das dann unbedingt mit Glyphosat als Aushängeschild der richtige Ansatz ist, das wage ich zu bezweifeln, weil wir andere Pflanzenschutzmittel haben, gerade im Bereich der Unkrautbekämpfungsmittel, die in Bezug auf die Ökotoxizität problematischer einzuschätzen sind.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.