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EU-Armee
Derzeit "jämmerliches Ergebnis" trotz hoher Ausgaben

Der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker spricht sich für eine europäische Armee aus. Es sei ungünstig, dass der Eindruck entstehe, man wolle damit etwas gegen Russland "militärisch zusammenfügen", sagte der Sicherheitsberater Walther Stützle im Deutschlandfunk. Die Idee sei aber richtig, denn Europa werde ohne eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nicht halten.

Walther Stützle im Gespräch mit Christine Heuer | 10.03.2015
    Walther Stützle
    Der frühere Verteidigungsstaatssekretär Walther Stützle (Torben Waleczek / Deutschlandradio)
    Christine Heuer: Sie sind für die europäische Armee, haben auch selbst schon dafür geworben. Warum?
    Walther Stützle: Ich bin für die europäische Armee als Ergebnis einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Ich darf mal daran erinnern, dass der kürzlich verstorbene frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker in einem großen Europainterview im September 2013 gesagt hat, Europa muss sich endlich seiner Hauptaufgabe zuwenden, nämlich sich Instrumente für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik schaffen. In dieser unverändert gültigen Mahnung von Richard von Weizsäcker stecken ja zwei Punkte drin: Einmal die Aufforderung, macht endlich Ernst mit einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Und ich kann nur sagen, die Krise und der Krieg in der Ukraine haben dies ja auf geradezu unerwünscht dramatische Weise bestätigt. Und das Zweite ist: Wenn man eine gemeinsame Politik hat, braucht man dafür auch Instrumente. Und ein Instrument unter vielen anderen könnte die uralte Idee, die übrigens aus dem deutschen Widerstand kam aus den Jahren '42 und aus dem europäischen Widerstand, ein Instrument davon könnte sein eine europäische Armee.
    Heuer: Aber aktuell ist das alles nicht. Also eher so, wie Angela Merkel sagt, ein Zukunftsprojekt?
    Stützle: Verschwendung von 200 Milliarden Euro pro Jahr
    Stützle: Die Schaffung einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik und damit auch einer europäischen Verteidigungspolitik ist hoch aktuell. Und es ist geradezu unerklärlich, warum die Staats- und Regierungschefs diesem Thema so wenig Aufmerksamkeit widmen. Übrigens auch aktuell, weil es ja um Geld der Steuerzahler geht, das auf geradezu unverschämte Art und Weise, wenn das kein zu grober Ausdruck ist im Deutschlandfunk, verschwendet wird für 28 Armeen von 28 Staaten, die ungefähr 200 Milliarden Euro jedes Jahr ausgeben für militärische Zwecke und dabei ein jämmerliches Ergebnis erzielen im Vergleich mit den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch im Vergleich mit Russland.
    Heuer: Das Wort Verschwenden dürfen wir im Deutschlandfunk benutzen, Herr Stützle. Aber wie soll das gehen? Es gibt keine europäische Regierung. Wer soll denn eine europäische Armee befehligen?
    Stützle: Völlig richtig. Sie haben vollkommen Recht, es gibt keine europäische Regierung und ohne eine politisch-demokratisch legitimierte Führungsinstanz könnte es gar nicht funktionieren. Diese Führungsinstanz müsste entweder auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs geschaffen werden, wenn man das will. Dafür gibt es genügend Vorstellungen. Es würde jetzt zu weit führen, das im Detail auszubuchstabieren. Es gibt ein Europäisches Parlament, dem die Autorität gegeben werden könnte, oder das Parlament müsste sich die Autorität selber nehmen, die parlamentarische Kontrolle auszuüben. Europäische Armee heißt ja nicht, dass alle Nationalstaaten auf ihre Streitkräfte prinzipiell verzichten müssen. Europäische Armee könnte ja in einem ersten Pakt auch heißen, dass ein Teil der militärischen Aufgaben europäisch, in europäischer Verantwortung und europäischer Führung erledigt wird. Das Unglück des Juncker-Vorschlages ist ja, dass er es gleich in einen Gegensatz gegen Russland gesetzt hat. Und damit entsteht sofort der Eindruck, hier soll gegen jemanden oder gegen ein anderes Land militärisch etwas zusammengefügt werden. Das ist aber gar nicht der Punkt. Der Punkt ist, kommen wir mal darauf zurück, der uralte Punkt ist, eine gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf die Beine zu stellen, denn Europa wird nicht halten, wenn wir uns nur noch um den Euro drehen. Das reicht nicht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.