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EU-Austritt Großbritanniens
Theresa May ringt um ihren Brexit-Deal

Theresa May will den von ihr mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag im britischen Parlament noch einmal zur Abstimmung stellen. Deshalb hat sie die Verschiebung des EU-Austritts Großbritanniens beantragt. Doch die Chancen, dass der Vertrag diesmal eine Mehrheit findet, sind weiter gesunken.

Von Christine Heuer | 20.03.2019
    Eine Frau in einem roten Mantel geht in London an einer Absperrung vorbei, an der eine britische und eine EU-Flagge hängen.
    Die EU-Staaten müssen den Aufschub des Brexits billigen, sonst könnte es bei dem Austritt zum 29. März bleiben (picture alliance / Stephen Chung)
    Nun ist er also raus: Theresa Mays Brief an die Europäische Union, in dem sie um einen kurzen Brexit-Aufschub bittet. Drei Monate sollen es sein: Bis zum 30. Juni. Warum will May beim EU-Gipfel keinen längeren Aufschub beantragen? Weil sie nicht sagen kann, wozu genau. Und mehr noch: Weil es die Brexiteers in ihrer Tory-Partei nicht wünschen. Zu ihnen gehört Andrea Leadsom, die Fraktionsführerin im Unterhaus, die Mays jüngste Entscheidung in einem Radio-Interview so begründet:
    "Die Premierministerin ist extrem frustriert darüber, dass das Parlament einen Austritt zum 29. März komplett ausschließt. Sie fühlt sich nach wie vor verpflichtet, den Brexit umzusetzen. Und deshalb geht es nur um eine kurze Verschiebung."
    Brexiteers: Mit Drohungen gegen May
    Die Berichterstatter und ihre Regierungsquellen schildern das alles ein bisschen anders. Sie sagen: Theresa May hat schlicht keine Chance mehr, einen langen Aufschub zu beantragen, weil die Brexit-Hardliner in ihren Reihen die Oberhand gewonnen haben. Mein Deal oder ein langer Aufschub: Das war Mays Druckmittel gegen sie. Nachdem der Unterhaus-Speaker aber eine dritte Abstimmung über Mays Vertrag ausgeschlossen hat, ist diese Drohung verpufft. Bei einer Kabinettssitzung gestern sollen die Brexiteers May zum kurzen Aufschub gezwungen haben: Mit Rücktrittsdrohungen und auch mit der Aussicht darauf, die Regierungschefin zu stürzen. Es soll hoch hergegangen sein. Andrea Leadsom war dabei und dementiert diese Gerüchte kaum, als der Interviewer sie fragt, wie gereizt es zugegangen sei im Kabinett?
    "Na ja, wissen Sie, ich kommentiere keine Kabinettssitzungen. Obwohl ich diese Schlagzeile auch gesehen habe."
    Und dann entspinnt sich im Interview dieser Dialog:
    "Haben Sie selbst gesagt, dies sollte das Kabinett sein, dass den Brexit liefert und nun ist es das eben nicht?"
    "Ich werde das nicht kommentieren."
    "Werden Sie die Zeitungen, die das schreiben, verklagen?"
    "Das ist nie ein guter Weg."
    "Ok, dann gehe ich davon aus, dass Sie es so gesagt haben."
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Den Briten geben, was sie verlangt haben
    Das Äußerste, was Leadsom zugunsten Mays mitzuteilen hatte, war, dass sie mit einem dritten Votum über ihren Deal mit der EU rechnet. Nächste Woche. Und zwar mit der Begründung, dass eine Verlängerung – wie kurz auch immer – eine substanzielle Veränderung von Mays Antrag wäre. Und damit John Bercows Anforderungen entspricht. – Viele in London sehen das mittlerweile so. Das Ultimatum des Speakers halten sie für überwindbar. Aber was hilft eine dritte Abstimmung, wenn May wieder keine Mehrheit bekommt? Und die Chancen darauf sind mit dem Etappensieg der Hardliner weiter gesunken. Iain Duncan Smith, einer der Vorgänger von May an der Tory-Spitze und entschiedener Brexiteer, lässt in der BBC durchblicken, was er von einer dritten Abstimmung hält:
    "Wenn Sie für einen Deal stimmen sollen, müssen Sie sich fragen, ob Sie den Briten das liefern, was sie im Referendum verlangt haben: Also die EU zu verlassen. Wir haben das versprochen, und zwar für den 29. März. Die Bürger verlieren gerade das Vertrauen in die Politik. Sie haben klar gesagt, was sie wollen und werden enttäuscht. Das ist ein großes Problem."
    Mays Vertrag würde wieder durchfallen
    Selbst wenn Theresa May ihren Vertrag noch einmal zur Abstimmung stellt, wird er also – Stand jetzt – vermutlich durchfallen. Eine Mehrheit könnte die Premierministerin nur zustande bringen, wenn sie die Hardliner vor den Kopf stößt und sich ihre Mehrheit unter den weichen Brexiteers und Remainern bei den Tories und mit Hilfe anderer Parteien sucht. Das aber würde die Tories zerreißen: Die schlimmste Vorstellung Mays, das Inferno, das sie um jeden Preis vermeiden möchte.
    Wie sie da rauskommen will, ist völlig offen. Und nicht nur ihre innerparteilichen Gegner versuchen Nutzen aus Mays schwieriger Situation zu ziehen. Auch Labour-Führer Jeremy Corbyn tut das. Er hat sich für morgen ebenfalls in Brüssel angesagt: Noch vor der Premierministerin möchte er dort Gespräche über den Brexit führen.