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EU-Förderung für Atomkraftwerke "halte ich für einen absoluten Unsinn"

Die Pläne der EU, Finanzspritzen für Atomkraftwerke zu erleichtern, seien falsch, sagt Hans-Joachim Reck. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen hält den deutschen Atomausstieg für richtig, fordert aber Nachbesserungen beim Erneuerbare-Energien-Gesetz.

Hans-Joachim Reck im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 20.07.2013
    Jürgen Zurheide: Wir wollen auf die Europäische Union schauen und die Energiepolitik, und wir wollen uns fragen, ja, was kommt denn da eigentlich? Subventionen demnächst für Atomkraftwerke, so hat es zumindest gestern geheißen. Dann hieß es etwas später, na ja, ganz so ist es nicht gemeint. Wir wollen fragen, was denn da eigentlich dahintersteckt. Und die Fragen gehen an Hans-Joachim Reck, den Hauptgeschäftsführer des Verbandes der kommunalen Unternehmen in Deutschland. Schönen guten Morgen, Herr Reck!

    Hans-Joachim Reck: Ja, guten Morgen!

    Zurheide: Herr Reck, wissen Sie eigentlich, was die Europäische Gemeinschaft da will? Gibt es demnächst Subventionen für Atomkraftwerke?

    Reck: Das hat die Kommission gerade wieder dementiert. Das wird es nach meiner Auffassung so nicht geben, sondern wenn ich die mir vorhandenen Texte richtig interpretiere, wird die Kommission demnächst Leitlinien im Rahmen der Entwicklung des Energiebinnenmarktes vorstellen, wo vor allen Dingen, und das ist für Deutsche besonders interessant, Aussagen getroffen werden, in welchem marktwirtschaftlichen Rahmen Kapazitätsmechanismen bei der Energieerzeugung gefördert werden können oder gebildet werden können. Bisher ist Politik der Europäischen Union die, dass die Frage des Energiemixes nationale Angelegenheit ist. Und dabei sollte man es auch bewenden.

    Zurheide: Um noch mal kurz …

    Reck: Den Umstieg zurück, um das auch Mal inhaltlich zu bewerten, dass Atomkraft subventioniert werden soll, ausdrücklich, das halte ich für einen absoluten Unsinn, wenn das in Teilen der Kommission gedacht werden sollte – ich muss das mal hypothetisch formulieren. Ich finde Deutschland vorbildlich in der Haltung, nach Fukushima, nach den Fukushima-Erfahrungen ausgestiegen zu sein.

    Zurheide: Auf der anderen Seite müssen wir kurz noch mal anmerken, die Atomkraft wird hoch subventioniert, zum Beispiel die Haftung ist auf eine Milliarde begrenzt, die Entsorgung ist weitgehend ungeregelt – also Atomkraft wird gerade gegenwärtig subventioniert, ist das falsch?

    Reck: Das ist völlig richtig, und das muss man auch immer wieder denjenigen sagen, die gegen den Umstieg in Deutschland wettern. Es ist eine Mär, dass Atomenergie billig ist. Im Gegenteil, sie ist extrem teuer und gefährlich. Und die Endlagerfrage ist absolut ungelöst, und auch in finanzieller Hinsicht ist kein Ende abzusehen. Also Atomkraft ist teuer und deshalb ist es sowohl aus Gefährdungsgründen, aber auch aus ökologischen und ökonomischen Gründen richtig, dass Deutschland den Ausstiegsweg bis zum Jahr 2022 im großen nationalen Konsens bestreitet.

    Zurheide: Jetzt lassen wir uns zur deutschen Energiewende kommen. Es braucht Regeln für diesen Übergang. Und die Kurzfassung lautet ja, auf der einen Seite, ja, da werden die neuen Energien, die sind da, die werden gefördert, die kosten auch Geld. Auf der anderen Seite brauchen wir die Kapazitäten, wenn Wind und Sonne gerade mal nicht da sind und wir keine Speicher haben. So. Wie soll man das regeln? Sie vertreten die Stadtwerke, die haben natürlich überwiegend Gas- und Kohlekraftwerke. Was brauchen Sie?

    Reck: Wir haben ganz überwiegend Kapitalanlagen auf Gasbasis. Aber was wir brauchen, ist ein neues Marktdesign. Wir meinen, und das ist mittlerweile auch, glaube ich, verfestigte Meinung in der gesamten Branche, wir brauchen ein Ende der jetzigen Systematik der EEG-Förderung, denn das EEG –

    Zurheide: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz …

    Reck: – dieses Gesetz sollte ja Anreize schaffen, dass die Erneuerbaren eine Marktintegration möglich behalten. Das ist jetzt erfolgt. Also mittlerweile haben wir schon fast so viel Leistung, installierte Leistung an erneuerbarer Energie, wie wir an konventionellen Kapazitäten haben, und das wird weiter, und das wollen wir auch, bis zum Jahr 2050 sich auf einen Anteil von 80 Prozent der Leistung steigern. Aber was wir immer wieder den Leuten auch sagen müssen, die ausschließlich Erneuerbare im Auge haben: Wir brauchen als Industrieland auch eine doch erhebliche Kapazität an Versorgungssicherheit im konventionellen Bereich. Und das werden dezentrale vornehmlich, also gasbasisbetriebene Kraftwerke sein. Und die haben momentan, in der jetzigen Subventionsstruktur, keine Chance.

    Zurheide: Jetzt übersetze ich das aber auf Deutsch, das heißt, etwas weniger Förderung für die Erneuerbaren und damit Subventionen für die anderen. Das heißt, Sie wollen Subventionen umschichten?

    Reck: Nein, wir wollen – Subventionen will ich nicht. Sondern wir wollen trennen. Wir wollen den Auswuchs der Erneuerbaren über Investitionskostenzuschüsse und in Auktionsverfahren festlegen, also marktwirtschaftliche Elemente einführen, die wir momentan nicht haben. Momentan sind die Erneuerbaren hoch subventioniert nach ausschließlich, man kann schon fast sagen, planwirtschaftlichen Grundsätzen. Es werden einfach Fördersummen festgelegt, der Einspeisevorrang ist festgelegt, und das zerstört momentan den Energiemarkt, sodass bei den konventionellen Kraftwerken nur noch diejenigen an der Börse im Geld sind, die nicht mehr effiziente Kraftwerke betreiben, also vor allen Dingen Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke. Was wir wollen, ist, dass wir die effektive Leistungsseite im konventionellen Bereich so finanzieren, dass wir einen Arbeitspreis aufstellen, aber unter einem Leistungspreis über ein Marktsystem versteigern lassen, sodass man demnächst hier auch Leistungszertifikate am Markt vor allen Dingen als industrielle Verbraucher erwerben muss, um Versorgungssicherheit zu bekommen. Und das hat nebenbei auch noch den Effekt, dass dann, wenn man eben diesen Leistungszuschlag vermeiden will, man entsprechende Effizienzmaßnahmen selbst ergreift, um diesen Preisauswuchs zu vermeiden. Was wir wollen, ist ein Marktsystem, was vor allen Dingen durch die Verbraucher und die Vertriebe gesteuert wird und wenig, wenig Einflussnahmen ausgeliefert ist, die durch staatliche Regulierung erfolgt. Und das ist das Entscheidende. Wir müssen zurück, im Bereich der Energiewirtschaft, zur Ordnungspolitik. Man kann sich über ganz viele Facetten da unterhalten, es ist ein hochkomplexes System, wie Sie an meinen wenigen Pinselstrichen – ich kann das ja nur grob beschreiben – merken, aber ganz entscheidend ist, dass nach der Bundestagswahl wir diesen nationalen Konsens, vor allen Dingen zwischen den großen Volksparteien, wieder herstellen, denn ohne die Länder geht es nicht, ohne die Bundesregierung geht es nicht. Wir brauchen aber schnelle Entscheidungen, und …

    Zurheide: Und das haben wir jetzt verstanden, denn wir laufen auf die Nachrichten zu.

    Reck: Alles klar!

    Zurheide: Das war ein Plädoyer dafür, ich bedanke mich bei Ihnen auch für das Gespräch. Danke schön!

    Reck: Danke auch, tschüs!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.