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EU-Gipfel
Klimaneutralität bis 2050 nur in der Fußnote

Bundeskanzlerin Angela Merkel warb auf dem EU-Gipfel für Klimaneutralität der EU bis 2050. Bisher hatte Deutschland bei vielen ehrgeizigen Klimazielen auf der Bremse gestanden. Dieses Mal sind es vor allem osteuropäische Länder, die das Ziel nicht mittragen wollen. Jedenfalls nicht verbindlich.

Von Christoph Schäfer | 21.06.2019
Demonstration von Schülerinnen und Schülern der weltweiten Bewegung "FridaysForFuture"-Bewegung mit Seifenblasen und einem Schild, auf dem "Save The World Now" steht, aufgenommen am 22. März 2019 in Berlin
In ihrem Pressestatement versichert Bundeskanzlerin Angela Merkel allerdings: Die Zeitmarke 2050 bleibt – als freiwilliges Ziel (imago images / IPON)
Eigentlich ist eine große Mehrheit für eine Klimaneutralität bis 2050. Also, dass die Wirtschaft ihre umweltschädlichen Emissionen in die Atmosphäre nicht erhöht. Und sie sollen ausgeglichen werden – etwa durch den Ausbau erneuerbarer Energien und Aufforstung. Nach drei Stunden Verhandlungen scheiterte das Ziel allerdings an den Ländern Ungarn, Tschechien, Estland und Polen. Seine Haltung begründet der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki mit dem Wohl seiner Bürger:
"Das Jahr 2050 haben wir nicht in den Haupttext aufgenommen, dass heißt praktisch, dass wir uns keinen weiteren zusätzlichen, noch ambitionierteren Klimazielen verpflichten, und dass die Interessen der polnischen Unternehmer und Bürger gewahrt bleiben. Denn die hätten das Risiko höherer Kosten und Steuern tragen müssen. Ich denke, dass viele, die nicht unserer Meinung waren, das nachvollziehen können. Dass wir zwar den Klimawandel bekämpfen wollen, aber man ebenso sehen muss, dass wir auch schon vieles geschafft haben. Etwa die CO2 Reduktion – wie im Kyoto-Proktoll vorgesehen – übererfüllt haben."
Polen: Keine strengeren Ziele ohne Ausgleich
Morawiecki hatte bereits vor dem Gipfel gesagt, dass sich Polen nicht auf strengere EU-Klimaziele einlassen will, so lange die EU keinen entsprechenden Ausgleich für Mitgliedstaaten anbietet. Morawiecki zufolge verbrauchen die Bürger in westeuropäischen Ländern doppelt so viel Energie pro Kopf wie Polen.
Aufgrund des Widerstands in den Verhandlungen landete das Ziel Klimaneutralität bis 2050 in der Fußnote der Schlussfolgerung: "Für eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten muss die Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden."
In ihrem Pressestatement am späten Abend versichert Bundeskanzlerin Angela Merkel allerdings: Die Zeitmarke 2050 bleibt - als freiwilliges Ziel.
"Hier hat sich eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten dafür entschieden, dass wir die Klimaneutralität bis zum Jahre 2050 erreichen wollen – unter Einhaltung des Pariser Abkommens. Alle Mitgliedsstaaten sind der Meinung, dass wir das Pariser Abkommen einhalten müssen und auch unsere Ziele für 2030 vertreten."
Trotz der unterschiedlichen Positionen zur klimaneutralen Wirtschaft glaubt Merkel, dass die Mitgliedsstaaten eine sehr gute Ausgangsposition haben würden "...um bei dem UN-Gipfel im September eine herausragende Position für die EU darstellen zu können und damit auch Vorreiter für den internationalen Klimaschutz sein zu können."
Im Haupttext seiner strategischen Agenda für die kommenden fünf Jahre bekennt sich der Rat zum Pariser Klimaabkommen – auf das sich die EU international bereits 2015 geeinigt hatte. Das heißt, der Rat will die globale Erwärmung begrenzen – auf einen Anstieg von möglichst 1,5 Grad Celsius. Als Maßstab gilt die Zeit vor der Industrialisierung.
Grüne: Beschlossene Linie "eine Schande"
Kritik am Verhandlungsergebnis kommt von den Europäischen Grünen. Deren Co-Fraktionsvorsitzenden Ska Keller zufolge ist die beschlossene Linie zur Klimapolitik eine Schande. Auf dem Gipfel forderte Keller zudem mehr als nur ein Bekenntnis zur klimaneutralen Wirtschaft bis 2050:
"Man kann nicht erwarten, dass bis 2050 irgendwelche Wunder passieren, sondern man muss etwas vorher machen. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt konkrete klare Maßnahme auf dem Tisch haben. Auch Zwischenziele. Was soll den bis 2020 passieren? Bis 2030? Zum Beispiel eine CO2-Bepreisung, wir müssen Mobilität ganz anders denken. Dass wir da eher in die Schienen investieren und nicht in Autobahnen."
Auch Greenpeace äußert sich ablehnend gegenüber der Klima-Übereinkunft des Rats. Auf Twitter kritisiert die Nichtregierungsorganisation Macron und Merkel. Beide wären daran gescheitert, Polen umzustimmen und andere Staaten auf ihre Seite zu ziehen.
Bis zum Jahresende will der Europäische Rat seine Vorgaben zur Klimapolitik fertigstellen. Anfang 2020 soll dann die langfristige Strategie der EU angenommen und der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen übermittelt werden.