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EU-Gutachten zu Glyphosat
"Das Ergebnis hat sich schon seit einem Jahr abgezeichnet"

Die Europäische Chemikalienagentur ECHA wirft Glyphosat keine neue Knüppel zwischen die Beine: ECVHA-Experten haben das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel als nicht krebserregend eingestuft. Damit ist das letzte Wort über Glyphosat indes noch nicht gesprochen, sagte Wissenschaftsjournalist Lucian Haas im DLF.

Uli Blumenthal im Gespräch mit Lucian Haas | 15.03.2017
    Drei weiße Kanister mit der Aufschrift "Profi 360 TF" und "360 g/l Glyphosat" stehen in einem Metallregal.
    Kanister mit Glyphosat stehen am 18.05.2016 in einem speziellen Lagerraum für Pflanzenschutzmittel in der Pflanzenbau- Genossenschaft in Jesendorf (Mecklenburg-Vorpommern). (Jens Büttner / dpa)
    Uli Blumenthal: Über Glyphosat wird seit Jahren gestritten. Die EU-Länder können sich nicht darüber einigen, ob die Zulassung des Herbizids verlängert werden soll, obwohl die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit EFSA Glyphosat nach eingehender Prüfung für zulassungsfähig hält.
    Die EU-Kommission hat die bestehende Zulassung deshalb im vergangenen Sommer erst einmal nur bis Ende 2017 verlängert, um Zeit für eine abschließende Entscheidung zu bekommen. In der Zwischenzeit sollte eine andere europäische Agentur, die Europäische Chemikalienagentur ECHA, ein weiteres Gutachten erstellen. Die grundsätzlichen Ergebnisse dazu hat die ECHA heute vorgelegt. Gab es dabei eine Überraschung?
    Haas: Überraschungen gab es keine. Denn das Ergebnis hat sich schon seit einem Jahr abgezeichnet. Die ECHA bzw. deren Kommission für die Risikoabschätzung von Chemikalien ist jetzt im Grunde zu der gleichen Einschätzung gekommen wie zuvor die EFSA. Demnach wird Glyphosat zwar als augenreizend und schädigend für im Wasser lebende Organismen eingestuft. Das ist nichts Neues. Aber zugleich wird Glyphosat weder als krebserregend, noch als mutagen oder als reproduktionsschädigend angesehen.
    Vor allem die Einschätzung "nicht krebserregend" ist in diesem Zusammenhang entscheidend. Denn das ist der Hauptstreitpunkt in der öffentlichen Diskussion, seit dem die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO Glyphosat vor einem Jahr als "möglicherweise krebserregend" für den Menschen bezeichnet hatte.
    Keine neuen Studien veranlasst
    Blumenthal: Was hat die ECHA denn konkret gemacht. Wurden neue Studien in Auftrag gegeben?
    Haas: Bei der ECHA geht es um die Frage, ob Chemikalien eine Gefahr darstellen und ob Produkte, die diese Chemikalien enthalten, entsprechend gekennzeichnet werden müssen. Die entsprechende Bewertung gemäß den Regeln der sogenannten Einstufungs- und Kennzeichnungsverordnung CLP. Bei Glyphosat stellte sich unter anderem die Frage: Brauchen wir einen Warnhinweis für die Anwender oder Verbraucher, dass Glyphosat möglicherweise krebserregend ist? Um das zu entscheiden, haben die Experten keine neuen Studien veranlasst. Vielmehr haben sie alles vorhandene Material gesichtet, also auch zum Beispiel das vorliegende EFSA-Gutachten.
    Und bei einer Sitzung der Risikoabschätzungskommission im Dezember durften auch Vertreter der EFSA, der IARC, der Industrie aber auch von einem Zusammenschluss von Umweltorganisationen ihre Standpunkte bzw. Einschätzungen präsentieren. Darüber haben die Kommissionsmitglieder dann weiter diskutiert, die vorliegenden Fakten immer gewissermaßen durch die Brille der Kennzeichnungsverordnung betrachtend.
    Blumenthal: Was wäre, wenn die ECHA zu dem Schluss gekommen wäre, Glyphosat müsse als kanzerogen gekennzeichnet werden?
    Haas: Wenn auch die EU-Kommission diese Einschätzung der ECHA offiziell übernommen hätte, hätte das automatisch das Aus für Glyphosat in der EU bedeutet. Denn laut der Pflanzenschutzmittelverordnung dürfen Pestizide mit dem Label "krebserregend" nicht auf den Markt kommen bzw. müssten vom Markt genommen werden.
    "Die EU-Länder werden erneut darüber abstimmen müssen"
    Blumenthal: Die ECHA hat Glyphosat jetzt keine neuen Knüppel zwischen die Beine geworfen. Wie geht es nun weiter mit der Zulassung?
    Haas: Im Grunde sind wir jetzt wieder im Verfahren an der gleichen Stelle, an der wir vor einem Jahr schon einmal waren. Die EU-Länder werden erneut darüber abstimmen müssen, ob sie Glyphosat nun zulassen wollen oder nicht. Sollten die Länder dabei wieder zu keiner Einigung bzw. qualifizierten Mehrheit kommen, fällt die Entscheidung letztendlich an die EU-Kommission zurück. Nimmt man nun die Einschätzung der EFSA und jetzt auch der ECHA, dürfte zumindest die Kommission nicht anders entscheiden können, also Glyphosat weiter Grünes Licht zu geben.
    Blumenthal: Wie sieht das denn im internationalen Vergleich aus. Wie wird Glyphosat da eingeschätzt?
    Haas: In den letzten Monaten hat es eine ganze Reihe von Stellungnahmen von Umweltbehörden verschiedener Länder zu Glyphosat gegeben. USA, Kanada, Australien, Neuseeland, EFSA, ECHA. Sie alle kommen zu dem Schluss, Glyphosat nicht als krebserregend einzustufen.