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EU-Kommissar Oettinger beim Bürgerdialog in Köln
Kritische Frage? Keine Antwort.

Bei einem Bürgerdialog in Köln zeigte sich, wie angeschlagen Günther Oettinger momentan ist. Ein Student sprach ihn auf seine "Schlitzaugen"-Äußerung an. Doch eine Antwort blieb ihm der EU-Kommissar schuldig. Auch für anschließende Interviews stand Oettinger nicht zur Verfügung.

Von Moritz Küpper | 22.11.2016
    Günther Oettinger, EU-Kommissar (CDU), aufgenommen am 23.06.2016 während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner"
    Günther Oettinger steht wegen eines Fluges im Privatjet eines Lobbyisten in der Kritik. (dpa/picture alliance /Karlheinz Schindler)
    Die Diskussionsveranstaltung neigt sich bereits dem Ende entgegen, als aus der letzten Reihe eine Frage kommt:
    "Hallo, guten Tag, mein Name ist Inpayogi Yogendran, ich bin hier aus Köln."
    Der 25-jährige Chemie-Student steht direkt neben der Büste von Hans Imhoff, dem Gründer des Schokoladenmuseums in Köln, wo – direkt am Rhein gelegen – der sogenannte EU-Bürgerdialog stattfindet. Es gebe in Europa, so Yogendran, Stichwort Brexit, Stichwort Marine Le Pen, rechtspopulistische Tendenzen und…
    "…da wollte ich mich auch auf Sie beziehen, Herr Oettinger. Sie haben halt mal bei einer Veranstaltung, die jetzt wohl breit ausdiskutiert ist, von Schlitzaugen, etc. geredet, was eine ziemlich krasse rassistische Bemerkung ist."
    Nun liegen exakt neun Stuhlreihen zwischen dem Studenten und dem EU-Kommissar.
    "Schlitzaugen"-Äußerung Oettingers
    "Ich bin halt auch ein EU-Bürger, ich bin ein schwarzer Deutscher, wenn man so sagen will. Und ich fühl mich halt auch teilweise in der Politik auch nicht wiedergegeben und auch nicht vertreten."
    Yogendran ist in Leverkusen geboren, seine Eltern stammen aus Sri Lanka. Wie sicher könne er sein, …
    "... dass man halt gegen Rassismus klar einsteht, gegen Antisemitismus und Homophobie. Dankeschön." - "Vielen Dank. So jetzt da hinten noch."
    Es werden weitere Fragen gesammelt, die direkte Konfrontation entfällt. Doch dieser Augenblick genügt, um spürbar zu machen, wie angeschlagen Oettinger ist. Zudem belastet durch den Flug in einem Privatjet eines Lobbyisten.
    Flug im Lobbyisten-Privatjet
    Ungefragt wird seine Pressesprecherin später darauf hinweisen, dass er nicht für Interviews zur Verfügung stehe. Dabei ist dieser Dialog-Abend, zusammen mit NRWs Europaminister Franz-Josef Lersch-Mense, SPD, sowie dem Vizepräsidenten des EU-Parlaments, dem Liberalen Alexander Graf Lambsdorff, von Inhalten geprägt: WLAN in Zügen, Roaming-Gebühren, aber vor allem von der Sorge um Europa:
    "Ich finde das ja schön und richtig, alles was da gemacht wird in Brüssel mit Roaming-Gebühren und so weiter, aber eigentlich geht es darum: Wird die EU abgeschafft in zehn Jahren, also so negativ will ich es nicht sehen, aber das sind doch die Fragen."
    Welche Werte gelte es zu verteidigen? Wie stehe es um den Euro? Schulklassen, aber auch ältere Bürgerinnen und Bürger trauen sich, fragen und hören zu. Beispielsweise Graf Lambsdorff über das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA:
    "Bitte, hören wir doch mal auf, über dieses Abkommen mit einem engen befreundeten, sozial-liberal regierten, uns in vielen Punkten ähnlichem Land, als ein Horrorgemälde ständig in jeder Diskussion zu präsentieren."
    Lob für Freihandelsabkommen CETA
    Applaus für CETA. Durchaus erwähnenswert, genauso wie Oettingers Hoffnung auf den französischen Wahlausgang:
    "Dann wird im zweiten Wahlgang, wie es schon einmal war, eine glasklare Mehrheit, für einen demokratischen Kandidaten und eine Minderheit für Le Pen sein. Dann wird dieses Schreckgespenst vermieden."
    Deutliche Worte, doch eine Antwort auf seine Frage bekommt Student Yogendran letztendlich nicht. Er steht, nach Abschluss der Veranstaltung, im Bistro des Schokoladenmuseums.
    "Vielleicht reagiert Herr Oettinger und denkt über seine Aussagen auch nach. Macht sich bewusst, dass Deutschland im Grunde genommen mittlerweile anders ist. Viel, viel bunter. Ich hoffe einfach mal, dass er mehr darüber nachdenkt, Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind, Menschen anzunehmen wie sie sind."
    Doch dieser ist da längst weg – fluchtartig durch einen Seiteneingang, verfolgt von einem Fernsehteam der Comedy-Sendung "heute show".