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EU-Kommissionspräsident
Merkel empört über Briten-Bashing

Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht im Streit um den neuen EU-Kommissionspräsidenten einen Spagat - zwischen der Unterstützung für Jean-Claude Juncker und ihrer Beziehung zum britischen Premier David Cameron. Großbritannien sei "wahrlich kein bequemer Partner", aber zentral für ganz Europa, sagte sie in einer Regierungserklärung.

04.06.2014
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt im Bundestag eine Regierungserklärung zu dem bevorstehenden G-7-Gipfel in Brüssel ab.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt im Bundestag eine Regierungserklärung zu dem bevorstehenden G-7-Gipfel in Brüssel ab. (dpa / Wolfgang Kumm)
    Merkel erklärte, sie setze sich in ihren Gesprächen dafür ein, dass Juncker "mit der notwendigen qualifizierten Mehrheit" gewählt werde. Für den zentralen Steuerungsposten der EU hat der Europäische Rat der 28 Staats- und Regierungschefs das Vorschlagsrecht, gewählt wird er vom Europaparlament. Eine einstimmige Entscheidung ist im EU-Rat nicht vorgeschrieben. Juncker könnte also auch gegen den Willen einiger EU-Länder vom Rat nominiert werden.
    "Wir alle kennen die Vorbehalte mancher Mitgliedstaaten, zum Beispiel Großbritanniens", sagte Merkel. Die Vorbehalte von Mitgliedsstaaten wie Großbritannien, Ungarn, Schweden und den Niederlanden gegen den langjährigen Eurogruppenchef Juncker teile sie nicht. "Ich halte es für grob fahrlässig, ja eigentlich für inakzeptabel, mit welcher Lockerheit manche darüber sprechen, dass es doch eigentlich gleichgültig sei, ob Großbritannien nun zustimme oder nicht. Mehr noch, ob Großbritannien Mitglied bleibe oder nicht - nach dem Motto: Reisende soll man nicht aufhalten." Die Briten hätten von Europa viel bekommen, Europa aber umgekehrt auch viel gegeben, warb die Kanzlerin für ihren Kurs. In Deutschland war Merkel wegen ihrer zögerlichen Unterstützung für Juncker und ihrer Rücksichtnahme auf London heftig unter Druck geraten.
    Der Europäische Rat hatte vor einer Woche den Ratsvorsitzenden Herman Van Rompuy als Vermittler eingesetzt, um mit dem Europaparlament und den Hauptstädten über die Nachfolge des bisherigen Kommissionschefs José Manuel Barroso aus Portugal zu verhandeln. Er sei "kein begeisterter Anhänger dieser Idee mit den Spitzenkandidaten", hatte van Rompuy vor der Europawahl der "Süddeutschen Zeitung" gesagt. Bei einem Treffen der Chefs der EVP-Fraktion in der vergangenen Woche sei ein regelrechter Krieg der Worte zwischen Van Rompuy und Juncker ausgebrochen, berichtete die österreichische Zeitung "Der Standard". Nach Teilnehmerangaben hatte Van Rompuy den Hinweis von Juncker ignoriert, über welche Personalvorschläge der Belgier denn jetzt noch verhandeln wolle, wo doch nach der Wahl nun alles klar und Juncker der gemeinsame Kandidat der EVP sei.
    Juncker zu integrationsfreundlich für Cameron
    Der britische Premierminister David Cameron hat sich gegen Juncker ausgesprochen. Er gilt ihm als zu integrationsfreundlich. Ob Cameron im Rat eine Sperrminorität zusammenbekommt, ist offen. Am Wochenende hatte ein "Spiegel"-Bericht für Aufsehen gesorgt, wonach Cameron wegen des Streits vor einem EU-Austritt seines Landes gewarnt haben soll. Die Äußerungen Camerons sollen am Rande des EU-Gipfels vor einer Woche gefallen sein. Anwesende hätten Cameron so verstanden, dass eine Niederlage in der Personalfrage seine Regierung derart destabilisieren könnte, dass eine Volksbefragung vorgezogen werden müsse, die sehr wahrscheinlich mit einem "Nein" der Briten zur EU enden würde.
    David Cameron gestikuliert am Rednerpult bei einem Auftritt in Brüssel 
    David Cameron gestikuliert bei einem Auftritt in Brüssel (picture alliance / dpa)
    Juncker kann dagegen auf zahlreiche Unterstützung außerhalb der Konservativen setzen. Selbst der griechische Syriza-Anführer und Eurokritiker Alexis Tsipras will für ihn stimmen.
    (sdö/bor)