Maihold: Guten Morgen.
Heinlein: Strategische Partnerschaft, darum geht es auch auf diesem Gipfel, wir haben es gerade gehört. Ist das mehr als eine Worthülse?
Maihold: Man hat den Verdacht, dass es in die Richtung geht, doch nur eine Worthülse zu sein. Die EU hat eine strategische Partnerschaft zu Lateinamerika, zu Afrika und zu Asien erklärt. Es wird irgendwo nicht mehr deutlich, wo denn die Strategien der Partnerschaft liegen, was es denn Besonderes gibt, was man denn gerade mit diesem Subkontinent, der uns ja kulturell so nahe steht, an besonderer Beziehung aufbauen möchte.
Heinlein: Also geht es um symbolische Politik in Mexiko?
Maihold: Wenn man mit 58 Staats- und Regierungschefs zusammensitzt an einem Tag, dann ist das nur ein symbolisches Zeichen, das da raus kommen kann und die bisherigen Gipfel in Rio und Madrid haben sich auch dadurch ausgezeichnet, dass es sehr stark im Deklarativen geblieben ist. Der frühere brasilianische Staatspräsident hat gesagt, dass wir uns doch noch relativ weit entfernt voneinander befinden, wenn es um konkrete Fragen geht.
Heinlein: Wie wichtig, Herr Maihold, ist denn überhaupt Lateinamerika für uns Europäer? Blickt man auf die Erweiterung, das zeigt ja dann, dass der Blick aus Brüssel eher in Richtung Osten geht.
Maihold: Das ist sicher der Fall, zum anderen muss man sehen, der Handel Lateinamerikas mit Europa kommt noch nicht einmal auf den Umfang, den Europa mit der Schweiz abwickelt, das heißt es stagniert de facto diese Außenbeziehung auf einem Niveau um die fünf Prozent und zum anderen ist natürlich erkennbar, China ist im Moment das große Licht des Ostens, an dem sich die Wirtschaft orientiert und die Politik hat bezogen auf Lateinamerika noch nicht anders gesteuert, dass dort ein stärkeres Engagement im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Feld sich artikulieren würde.
Heinlein. Sehr magere Zahlen, die sie gerade genannt haben, Herr Maihold. Fühlt sich Lateinamerika im Stich gelassen von uns Europäern?
Maihold: Es ist ganz sicher so, dass die Lateinamerikaner mehr von den Europäern erwarten, nicht nur im wirtschaftlichen sondern auch im gesellschaftspolitischen Austausch und dass Europa oftmals ohne Antworten bleibt. Da liegt, glaube ich, ein großes Feld, dass zu bearbeiten wäre, insbesondere, wenn man gemeinsam, wie in Ihrem Beitrag ja auch angekündigt, einen Beitrag leisten will zur Lösung globaler Probleme, zur Stärkung der multilateralen Ordnung.
Heinlein: Wie kann denn diese Zusammenarbeit auf politischem Gebiet aussehen, ganz praktisch?
Maihold: Das bedeutet zunächst, dass man die Lateinamerikaner ernst nimmt bei der Erarbeitung gemeinsamer politischer Positionen. Als es um die Irakfrage im Sicherheitsrat ging, haben Chile und Mexiko sich der Position Frankreichs und Deutschland sehr deutlich angeschlossen, es ist aber nie zu einem ernsthaften Gesprächsangebot gegenüber diesen Ländern gekommen, um sich darüber Gedanken zu machen, wie eine internationale Sicherheits- oder Finanzarchitektur aussehen könnte, das heißt mir scheint es doch eine wichtige Voraussetzung zu sein, dass man nicht nur zu solchen Gipfeln miteinander ins Gespräch kommt, sondern einen systematischen Dialog sucht.
Heinlein: Was ist denn das Ziel aus Sicht Lateinamerikas? Will man versuchen mit Hilfe der Europäer eine Art Gegengewicht zur internationalen Vormachtstellung der USA aufzubauen?
Maihold: Das dürfte für die verschiedenen Länder unterschiedlich sein, für Mexiko, das 90 Prozent seines Außenhandels mit den USA abwickelt, ist die Suche nach einer Gegenmachtposition illusorisch. Anders sieht es aus für die Länder des Conosur, Brasilien, Argentinien, wo Europa der stärkste Handelspartner ist, bei denen gibt es eine reale Beziehung zu Europa, die auch politisch unterlegt werden könnte und dort sind die Chancen für eine richtige, strategische Partnerschaft sicherlich sehr viel stärker ausgeprägt.
Heinlein: Dennoch ist das nicht eine Illusion, ist im Zweifel Washington Europa dann immer doch noch wichtiger als die Staaten Lateinamerikas oder eben diese Mercosur-Staaten?
Maihold: Man muss davon ausgehen, dass Europa und die USA sich wahrscheinlich kaum wegen einer Situation in Lateinamerika in Zwist begeben werden, man hat das nur einmal erlebt in der Frage des zentralamerikanischen Konfliktes, als Europa eine Gesprächsinitiative für Zentralamerika entwickelt hat, die in gewisser Hinsicht eine militärische Intervention der USA verbaut hat. De facto muss man aber sagen, es ist immer eine Komplementärbeziehung, man hat das sicherlich als eine Dreiecksbeziehung zu verstehen mit allen Vor- und Nachteilen, die Dreiecksbeziehungen immer haben.
Heinlein: Kommen wir, Herr Maihold, zu den wirtschaftspolitischen Fragen, zu den Handelsfragen. Hier geht es, wir haben es gehört in dem Bericht vor unserm Interview, um den Abbau von Handelsschranken. Wie weit kann dieser Gipfel in dieser Hinsicht etwas bewegen?
Maihold: Dieser Gipfel ist sicherlich ein Schritt auf dem Weg zu dem Freiheitsabkommen mit Mercosur, auch Zentralamerika und der Andenbereich wollen eine ernsthafte Verhandlungsoption mit Mandat seitens der Europäischen Union für den Abschluss eines Freihandelsabkommens. Das kritische Problem ist nach wie vor die Agrarfrage und da scheint die Europäische Union nun auf einmal wieder stärker die multilaterale Karte zu spielen im Namen der WTO, da muss man sicherlich noch mal abwarten, wie sich da das Gleichgewicht zwischen dem bilateralen Vorgehen und dem multilateralen Vorgehen herausstellen wird.
Heinlein: Welche Chancen haben denn überhaupt Agrarprodukte aus Lateinamerika? Das ist ja wahrscheinlich der wichtigste Bereich. Welche Chancen haben diese Produkte auf dem europäischen Markt, denkt man an diese hohen Subventionen für Agrarprodukte aus Brüssel?
Maihold: Die entscheidende Frage ist, wie sich die Europäische Union in Zukunft mit ihren Subventionen entwickeln wird, ob sie weiterhin Produkte subventioniert oder ob sie Produzenten subventionieren würde, was dann eher WTO konform ist. Sicherlich sind die Produkte, die Lateinamerika anbietet von Qualität und Preis sehr konkurrenzfähig, wenn sie einen realen Zugang erhalten und nicht nur in beschränkter Menge, wie das im Moment für einige Produkte seitens der EU angeboten wird, auf den Markt kommen können.
Heinlein: Mexiko, und vielleicht das zum Schluss, hat ja bereits seit einigen Jahren ein Partnerschaftsabkommen mit der EU, viele Handelsschranken sind abgebaut, wie sind die Erfahrungen? Hat dieses Abkommen etwas in Gang gebracht?
Maihold: Im mexikanischen Fall war ja alles einfacher, weil die Außenhandelsstrukturen Mexikos nicht so stark agrarisch sondern auf Zwischenprodukte industrieller Art ausgelegt sind, insofern war das Freihandelsabkommen schneller abzuschließen. Auf der anderen Seite hat es zunächst im ersten Jahr einen Boom von zirka 18 Prozent erlebt, aber in diesem Jahr einen kleinen Rückschlag, das mag an der allgemeinen Weltkonjunktur liegen. Es wird aber deutlich, dass das Freihandelsabkommen allein, zumindest für den mexikanischen Fall, nicht die Lösung für eine komplizierte und auch stärker politisch-kulturell gestaltete Beziehung sein kann.
Heinlein: Also, unter dem Strich, Herr Maihold, Ihre Erwartung für den heutigen Gipfel: Es wird viel geredet werden, aber es wird wenig Konkretes dann passieren.
Maihold: Es besteht die Gefahr, dass wir über die schönen Worte nicht hinüberkommen und das bedeutet natürlich auch, dass wieder einmal eine Chance vergeben wird, um mit diesem Subkontinent, mit dem wir so viel Ähnlichkeit und Nähe haben, endlich zu einer besonderen Beziehung zu finden.
Heinlein: Heute morgen hier im Deutschlandfunk war das Günther Maihold, der Direktor des Iberoamerikanischen Instituts. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.
Maihold: Wiederhören.
Heinlein: Strategische Partnerschaft, darum geht es auch auf diesem Gipfel, wir haben es gerade gehört. Ist das mehr als eine Worthülse?
Maihold: Man hat den Verdacht, dass es in die Richtung geht, doch nur eine Worthülse zu sein. Die EU hat eine strategische Partnerschaft zu Lateinamerika, zu Afrika und zu Asien erklärt. Es wird irgendwo nicht mehr deutlich, wo denn die Strategien der Partnerschaft liegen, was es denn Besonderes gibt, was man denn gerade mit diesem Subkontinent, der uns ja kulturell so nahe steht, an besonderer Beziehung aufbauen möchte.
Heinlein: Also geht es um symbolische Politik in Mexiko?
Maihold: Wenn man mit 58 Staats- und Regierungschefs zusammensitzt an einem Tag, dann ist das nur ein symbolisches Zeichen, das da raus kommen kann und die bisherigen Gipfel in Rio und Madrid haben sich auch dadurch ausgezeichnet, dass es sehr stark im Deklarativen geblieben ist. Der frühere brasilianische Staatspräsident hat gesagt, dass wir uns doch noch relativ weit entfernt voneinander befinden, wenn es um konkrete Fragen geht.
Heinlein: Wie wichtig, Herr Maihold, ist denn überhaupt Lateinamerika für uns Europäer? Blickt man auf die Erweiterung, das zeigt ja dann, dass der Blick aus Brüssel eher in Richtung Osten geht.
Maihold: Das ist sicher der Fall, zum anderen muss man sehen, der Handel Lateinamerikas mit Europa kommt noch nicht einmal auf den Umfang, den Europa mit der Schweiz abwickelt, das heißt es stagniert de facto diese Außenbeziehung auf einem Niveau um die fünf Prozent und zum anderen ist natürlich erkennbar, China ist im Moment das große Licht des Ostens, an dem sich die Wirtschaft orientiert und die Politik hat bezogen auf Lateinamerika noch nicht anders gesteuert, dass dort ein stärkeres Engagement im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Feld sich artikulieren würde.
Heinlein. Sehr magere Zahlen, die sie gerade genannt haben, Herr Maihold. Fühlt sich Lateinamerika im Stich gelassen von uns Europäern?
Maihold: Es ist ganz sicher so, dass die Lateinamerikaner mehr von den Europäern erwarten, nicht nur im wirtschaftlichen sondern auch im gesellschaftspolitischen Austausch und dass Europa oftmals ohne Antworten bleibt. Da liegt, glaube ich, ein großes Feld, dass zu bearbeiten wäre, insbesondere, wenn man gemeinsam, wie in Ihrem Beitrag ja auch angekündigt, einen Beitrag leisten will zur Lösung globaler Probleme, zur Stärkung der multilateralen Ordnung.
Heinlein: Wie kann denn diese Zusammenarbeit auf politischem Gebiet aussehen, ganz praktisch?
Maihold: Das bedeutet zunächst, dass man die Lateinamerikaner ernst nimmt bei der Erarbeitung gemeinsamer politischer Positionen. Als es um die Irakfrage im Sicherheitsrat ging, haben Chile und Mexiko sich der Position Frankreichs und Deutschland sehr deutlich angeschlossen, es ist aber nie zu einem ernsthaften Gesprächsangebot gegenüber diesen Ländern gekommen, um sich darüber Gedanken zu machen, wie eine internationale Sicherheits- oder Finanzarchitektur aussehen könnte, das heißt mir scheint es doch eine wichtige Voraussetzung zu sein, dass man nicht nur zu solchen Gipfeln miteinander ins Gespräch kommt, sondern einen systematischen Dialog sucht.
Heinlein: Was ist denn das Ziel aus Sicht Lateinamerikas? Will man versuchen mit Hilfe der Europäer eine Art Gegengewicht zur internationalen Vormachtstellung der USA aufzubauen?
Maihold: Das dürfte für die verschiedenen Länder unterschiedlich sein, für Mexiko, das 90 Prozent seines Außenhandels mit den USA abwickelt, ist die Suche nach einer Gegenmachtposition illusorisch. Anders sieht es aus für die Länder des Conosur, Brasilien, Argentinien, wo Europa der stärkste Handelspartner ist, bei denen gibt es eine reale Beziehung zu Europa, die auch politisch unterlegt werden könnte und dort sind die Chancen für eine richtige, strategische Partnerschaft sicherlich sehr viel stärker ausgeprägt.
Heinlein: Dennoch ist das nicht eine Illusion, ist im Zweifel Washington Europa dann immer doch noch wichtiger als die Staaten Lateinamerikas oder eben diese Mercosur-Staaten?
Maihold: Man muss davon ausgehen, dass Europa und die USA sich wahrscheinlich kaum wegen einer Situation in Lateinamerika in Zwist begeben werden, man hat das nur einmal erlebt in der Frage des zentralamerikanischen Konfliktes, als Europa eine Gesprächsinitiative für Zentralamerika entwickelt hat, die in gewisser Hinsicht eine militärische Intervention der USA verbaut hat. De facto muss man aber sagen, es ist immer eine Komplementärbeziehung, man hat das sicherlich als eine Dreiecksbeziehung zu verstehen mit allen Vor- und Nachteilen, die Dreiecksbeziehungen immer haben.
Heinlein: Kommen wir, Herr Maihold, zu den wirtschaftspolitischen Fragen, zu den Handelsfragen. Hier geht es, wir haben es gehört in dem Bericht vor unserm Interview, um den Abbau von Handelsschranken. Wie weit kann dieser Gipfel in dieser Hinsicht etwas bewegen?
Maihold: Dieser Gipfel ist sicherlich ein Schritt auf dem Weg zu dem Freiheitsabkommen mit Mercosur, auch Zentralamerika und der Andenbereich wollen eine ernsthafte Verhandlungsoption mit Mandat seitens der Europäischen Union für den Abschluss eines Freihandelsabkommens. Das kritische Problem ist nach wie vor die Agrarfrage und da scheint die Europäische Union nun auf einmal wieder stärker die multilaterale Karte zu spielen im Namen der WTO, da muss man sicherlich noch mal abwarten, wie sich da das Gleichgewicht zwischen dem bilateralen Vorgehen und dem multilateralen Vorgehen herausstellen wird.
Heinlein: Welche Chancen haben denn überhaupt Agrarprodukte aus Lateinamerika? Das ist ja wahrscheinlich der wichtigste Bereich. Welche Chancen haben diese Produkte auf dem europäischen Markt, denkt man an diese hohen Subventionen für Agrarprodukte aus Brüssel?
Maihold: Die entscheidende Frage ist, wie sich die Europäische Union in Zukunft mit ihren Subventionen entwickeln wird, ob sie weiterhin Produkte subventioniert oder ob sie Produzenten subventionieren würde, was dann eher WTO konform ist. Sicherlich sind die Produkte, die Lateinamerika anbietet von Qualität und Preis sehr konkurrenzfähig, wenn sie einen realen Zugang erhalten und nicht nur in beschränkter Menge, wie das im Moment für einige Produkte seitens der EU angeboten wird, auf den Markt kommen können.
Heinlein: Mexiko, und vielleicht das zum Schluss, hat ja bereits seit einigen Jahren ein Partnerschaftsabkommen mit der EU, viele Handelsschranken sind abgebaut, wie sind die Erfahrungen? Hat dieses Abkommen etwas in Gang gebracht?
Maihold: Im mexikanischen Fall war ja alles einfacher, weil die Außenhandelsstrukturen Mexikos nicht so stark agrarisch sondern auf Zwischenprodukte industrieller Art ausgelegt sind, insofern war das Freihandelsabkommen schneller abzuschließen. Auf der anderen Seite hat es zunächst im ersten Jahr einen Boom von zirka 18 Prozent erlebt, aber in diesem Jahr einen kleinen Rückschlag, das mag an der allgemeinen Weltkonjunktur liegen. Es wird aber deutlich, dass das Freihandelsabkommen allein, zumindest für den mexikanischen Fall, nicht die Lösung für eine komplizierte und auch stärker politisch-kulturell gestaltete Beziehung sein kann.
Heinlein: Also, unter dem Strich, Herr Maihold, Ihre Erwartung für den heutigen Gipfel: Es wird viel geredet werden, aber es wird wenig Konkretes dann passieren.
Maihold: Es besteht die Gefahr, dass wir über die schönen Worte nicht hinüberkommen und das bedeutet natürlich auch, dass wieder einmal eine Chance vergeben wird, um mit diesem Subkontinent, mit dem wir so viel Ähnlichkeit und Nähe haben, endlich zu einer besonderen Beziehung zu finden.
Heinlein: Heute morgen hier im Deutschlandfunk war das Günther Maihold, der Direktor des Iberoamerikanischen Instituts. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.
Maihold: Wiederhören.