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EU möchte mehr Handel mit östlichen Nachbarn

Die politische Situation in der Ukraine könnte ein Freihandelsabkommen mit der EU gefährden. Auch in Polen, wo gerade der EU-Ostgipfel stattfindet, blickt man kritisch auf das Nachbarland.

Von Johanna Herzing | 30.09.2011
    "Eine stabile Ukraine garantiert stabile polnische Ostgrenzen. Wenn die Ukraine zu sehr unter russischen Einfluss gerät, dann ist das für uns gefährlich, weil Russland ein aggressiver Staat ist."

    Es sind die alten Bedenken, die den jungen Mann in der Warschauer Innenstadt umtreiben. Das Misstrauen mit Blick auf Russland ist vielen Polen nicht zu nehmen. Und so dient auch die "Östliche Partnerschaft" – wie das europäische Programm zur stärkeren Anbindung der östlichen Anrainerstaaten heißt – nicht zuletzt der Absicherung Mitteleuropas gegen russische Machtansprüche. Doch das seit 2009 bestehende Projekt ist mehr als nur ein Bollwerk gen Osten. Es ist auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Viel erreicht hat auf diesem Gebiet vor allem die Ukraine, mit der ein Assoziierungsabkommen geschlossen werden soll. Polens Premierminister Donald Tusk:

    "Es scheint, als ob dieser große historische Augenblick zum Greifen nah ist. Die Unterzeichnung des Abkommens wäre die Krönung langjähriger Bemühungen Polens und der Ukraine um eine schrittweise Integration".

    Vorgesehen ist unter anderem ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Ukraine. Doch so sehr die polnische Regierung das Prestigeprojekt noch während der eigenen EU-Ratspräsidentschaft unter Dach und Fach bringen möchte: die derzeitige politische Lage in der Ukraine könnte einen Strich durch diese Rechnung machen.

    "Als Partner ist die Ukraine sehr wichtig, allerdings wenn ich an Frau Timoschenko denke, das ist nicht recht so; die meinen, dass sie zuviel bezahlt hat, aber damals war das eben so: dass man für Gas oder Öl mehr bezahlen musste…. Diese 7 Jahre Gefängnis, die da gefordert werden, das ist einfach unmöglich."

    Was viele polnische Bürger empört, sorgt in der gesamten Europäischen Union für Ärger. Hinter dem Prozess gegen die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko und der Strafverfolgung weiterer Mitglieder der ukrainischen Opposition stehen politische Motive, vermutet man. Die EU-Vertreter haben inzwischen klargestellt: Werden demokratische Werte und Menschenrechte in der Ukraine nicht geachtet, wird es auch keine weitere europäische Integration des Landes, sprich, kein Abkommen, geben. Deutlich größere Sorgen bereitet den Europäern jedoch die Situation in einem anderen Land. EU-Ratspräsident Herman van Rompuy betonte bei dem Gipfeltreffen in Warschau:

    "Die EU ist vor allem eines: eine Wertegemeinschaft und sie bleibt bei ihrer Vision von einem demokratischen Weißrussland mit dem ihm angemessenen Platz innerhalb der europäischen Zusammenarbeit. Was Weißrussland angeht, so steht fest: Es kann für die EU keine richtigen Beziehungen mit Weißrussland geben ohne echte Fortschritte bei Menschenrechten und Demokratisierung."

    Diese Haltung teilt auch die polnische Ratspräsidentschaft. Allerdings setzt sie weniger auf strenge Kritik, denn auf die Schaffung von Anreizen. Sie hat ein Hilfsprogramm für Weißrussland angeregt: Polen und die EU könnten sich beim Internationalen Währungsfonds für Finanzhilfen für Weißrussland einsetzen. Die Voraussetzung: die Freilassung sämtlicher politischer Gefangener, der Dialog mit der Opposition und freie Wahlen. Forderungen also, die der weißrussische Machthaber Alexander Lukaschenko wohl kaum erfüllen wird.