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EU-Plan zur Kreislaufwirtschaft
Den Deponien das Futter nehmen

617 Kilogramm: so viel Haushalts- und Verpackungsabfälle erzeugen die Deutschen im Schnitt pro Kopf und Jahr. Auch der EU-Durchschnitt liegt mit rund einer halben Tonne noch erschreckend hoch. Viel zu hoch, findet die EU-Kommission. Sie will das Problem jetzt quasi an der Wurzel bekämpfen - mit einem Paket zur Kreislaufwirtschaft.

Von Thomas Otto | 03.12.2015
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    Die EU-Kommission schlägt vor, dass bis zum Jahr 2030 nur noch zehn Prozent allen Mülls auf Deponien landen darf. 65 Prozent des Hausmülls und 75 Prozent des Verpackungsmülls müssen dann recycelt werden. (Julian Stratenschulte/dpa)
    Es ist der zweite Anlauf, den die EU nimmt, um umfassend Müll zu vermeiden, zu recyceln, aus recyceltem Material neue Produkte herzustellen und all diese Ziele schon bei der Produktion neuer Güter einzuplanen. Unter anderem vier Gesetzesvorschläge zu Abfällen, Elektroschrott und Deponien sind Teil des umfangreichen Pakets zur Kreislaufwirtschaft, das der Erste Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans vorstellte:
    "Wir können nicht länger auf den Ansatz bauen: Nehmen - Herstellen - Nutzen - Wegwerfen. Wir müssen Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. In einer Kreislaufwirtschaft werden Rohstoffe wieder neu eingebracht, anstelle sie auf Deponien zu vergraben oder zu verbrennen. So können bis zum Jahr 2035 rund 500 Milliarden Tonnen klimaschädlicher Gase eingespart werden."
    Es gehe aber nicht nur um den Umweltschutz, betonte Timmermans. Vor allem die Wirtschaft solle profitieren. Nach Berechnungen der Kommission könnten EU-Unternehmen so 600 Milliarden Euro sparen und 580.000 neue Jobs entstehen. Die Kommission schlägt vor, dass bis zum Jahr 2030 nur noch zehn Prozent allen Mülls auf Deponien landen darf. 65 Prozent des Hausmülls und 75 Prozent des Verpackungsmülls müssen dann recycelt werden. Zwar werden in Deutschland bereits jetzt beispielsweise 90 Prozent aller Plastikabfälle wieder eingesammelt. Mehr als die Hälfte davon geht aber in die Müllverbrennung – und wird trotzdem als recycelt definiert.
    "Es wird weiter Müllverbrennung geben. Aber ich will verhindern, dass es wirtschaftliche und rechtliche Anreize gibt, mehr in Verbrennung zu investieren, so dass am Ende all diese Anlagen nach Müll suchen, um diesen zu verbrennen."
    Kritiker halten das Paket für nicht ausreichend
    Abfall soll so gut wie möglich recycelt und nur dann verbrannt werden, wenn er nicht mehr in den Rohstoffkreislauf zurückfließen kann. Ist das Paket schließlich umgesetzt, wolle die Kommission den Fortschritt überwachen und in zehn Jahren ihre Ziele gegebenenfalls weiter erhöhen, erklärte Vizekommissionschef Jyrki Katainen:
    "Das Paket ist ein Anfang, es wird die Europäische Wirtschaft nicht über Nacht in eine Kreislaufwirtschaft verwandeln. Aber nun haben wir eine Struktur, die wir später ergänzen können."
    Kritikern geht das Paket zur Kreislaufwirtschaft nicht weit genug. So fordert der NABU wirtschaftliche Anreize für umweltfreundliche Produkte statt lediglich Absichtserklärungen. Der grüne Europaabgeordnete Davor Škrlec zählt auf:
    "Trotz einiger guter Punkte, fehlt auch einiges. So wie die Ressourceneffizienz, die absolut notwendig ist, die Reduzierung der Meeresverschmutzung oder der Stopp der Lebensmittelverschwendung. Im Juli hat das Parlament all diese Punkte gefordert, aber die scheinen auf den Fluren der Kommission verloren gegangen zu sein."
    Bereits die Vorgängerkommission unter José Manuel Barroso hatte ein entsprechendes Gesetzespaket vorgelegt. Darin war unter anderem eine Recyclingquote von 70 Prozent des Hausmülls vorgesehen. Die neue Kommission hatte dieses Paket wieder zurückgezogen. Die Kritiker bemängeln, dass der neue Vorschlag hinter dem alten zurückbleibe. Der Erste Vize-Kommissionpräsident Frans Timmermans verteidigt:
    "Wenn Sie allein den Unterschied zwischen 65 und 70 Prozent betrachten und dann sagen, das sei weniger ambitioniert, dann ist das sehr unfair. Sie müssen auch in Betracht ziehen, dass wir nun eine Obergrenze von zehn Prozent Deponiemüll einführen – ein großer Fortschritt zum vorherigen Paket, dass wir einen klaren Fahrplan vorgeben und dass wir nun den ganzen Kreislauf betrachten und nicht nur den Müll. Ich bevorzuge realistische, ambitionierte Schritte nach vorn gegenüber unrealistischen Versprechungen."
    Das Paket der Vorgänger-Kommission sei von einigen Mitgliedsstaaten sofort abgelehnt worden, erinnerte Timmermans. So hätte es nicht umgesetzt werden können. Jetzt könne man alle Staaten an Bord holen – auch die, die noch besonders viel aufzuholen hätten.