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EU-Posten
Niederbayern trägt Trauer

"Die Uschi" statt "unser Manfred" - die Basis in Niederbayern fühlt sich hintergangen. Dass der CSU-Mann Manfred Weber aus dem Rennen um den EU-Kommissionspräsidenten geworfen wurde, kommt an den Biertischen schlecht an. Die Noten für die Ersatzkandidatin, Ursula von der Leyen, sind nicht gut.

Von Michael Watzke | 11.07.2019
Die Europäische Volkspartei (EVP) hat den CSU-Politiker Manfred Weber auf ihrem Kongress in Helsinki zum Spitzenkandidaten für die Europawahl 2019 und die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gewählt.
Spitzenkandidat Manfred Weber ist raus aus dem Rennen um den EU-Komissionsposten (Lehtikuva/ Markku Ulander/ap/dpa-Bildfunk)
"Ich darf Sie begrüßen zur heutigen CSU-Veranstaltung." - Mittwochabend beim "Ochsenwirt" in Niederbayern. Hier trifft sich der CSU-Kreisverband Landshut. Thema ist eigentlich "Infrastruktur und Verkehr". Aber die Emotionen gehen beim Thema "Weber und von der Leyen" an die holzgetäfelte Decke.
"Ein Betrug am Wähler ist das, was hier geschehen ist!"
"Da werden wir als Wähler ja vorgeführt! Da heißt es: geht zur Wahl. Dann gibt’s einen Sieger, und dann heißt es: 'April, April, wir haben jemand aus dem Hinterstübchen!' Was soll denn das? Da könnt Ihr Europa gleich vor die Wand hauen!"
"Es tut mir sehr leid, aber hier ist für die Politik viel verloren gegangen."
"Ich hab' mir vorgenommen: zur nächsten Europawahl geh‘ ich nicht mehr!"
"Wir hatten Kandidaten, die zu wählen waren. Und jetzt fallen die raus – und man zaubert aus dem Hut eine Frau, die die schlechteste Verteidigungsministerin war, die wir je hatten?"
"Unser Manfred"
Besonders hier, im Südosten des Landes, schlagen die Wellen der Empörung hoch. Denn der Niederbayer Manfred Weber, 15 Kilometer entfernt geboren, ist für die Anwesenden einer der "Unseren" – sogar für Nicht-CSU-ler.
"Da war ein wirklicher Weber-Effekt da. Auch aus meinem Bekanntenkreis haben manche Leute ihn gewählt, obwohl sie sonst nicht unsere Partei wählen."
"Der hat die Drecksarbeit gemacht. Hat Wahlkampf geführt, ist in allen Ländern umeinander gefahren. Hat die Sache gut gemacht. Dass man ihn so abserviert, das ist nicht richtig!"
"Na sicher stehen wir hinter ihm!"
Viele Niederbayern fühlen sich in ihrem Stolz verletzt. Manche, wie Christian Doleschal, frischgebackener EU-Abgeordneter der CSU, schlagen Manfred Weber sogar als nächsten Bundeskanzler vor. "Er könnte das", sagt Christian Doleschal. Doch beim "Ochsenwirt" in Landshut überwiegt der politische Realismus: "Naja, Weber ist auf dem Abstellgleis. Ich sehe für ihn nicht mehr viele Chancen."
Dann eben Kanzler
Andere sagen: Weber sei jung, gerade mal 47 Jahre alt. Er könne in zwei Jahren EU-Parlamentspräsident werden. Oder in die Landespolitik wechseln. Darüber allerdings wäre Bayerns Ministerpräsident Markus Söder vermutlich nicht so begeistert. Der CSU-Chef hat seinen innerparteilichen Konkurrenten pflichtschuldig unterstützt. Als klar wurde, dass es nichts wird mit dem EU-Chef-Posten, kritisierte Söder den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dessen Hinterzimmer-Politik. Es klang, als sei die CSU schon immer eine europa-euphorische Partei gewesen
"Man hat bei diesen Verhandlungen wenig gespürt von dem europäischen Geist, den Millionen Wähler in die EU hineingetragen haben. Das ist es - neben der Personalfrage, die uns als CSU schmerzt – dass dieser Impuls für Europa eigentlich völlig ignoriert wurde."
Hätte Markus Söder auch einen katalanischen oder dalmatinischen Spitzenkandidaten so feurig verteidigt? An der CSU-Basis registrierte man, was Söder nicht tat: nämlich lautstark Kritik an der Bundeskanzlerin üben.
"Söder steckt ja auch in einem gewissen Dilemma. Union ist Union. Wenn er frei wäre, könnte er wesentlich stärker auftreten. Aber kann er ja nicht."
"Unsere Merkel hätte da schon stärker auftreten müssen."
"Söder hat ihn eigentlich gut unterstützt. Frau Merkel als Kanzlerin hätte viel mehr schauen müssen, dass das in die richtigen Bahnen kommt."
Kein gutes Haar an von der Leyen
Jetzt ist es in den falschen Bahnen, da sind sie sich in der niederbayerischen CSU einig. Ursula von der Leyen, die Nach-Nachfolgerin des CSU-Verteidigungsministers von Guttenberg, war hier noch nie beliebt.
"Wer versagt, wird auch noch befördert. Das ist ein No-Go!"
"Die von der Leyen war eine totale Notlösung. Jetzt hammer sie. Ich glaube aber, dass sie bei der Abstimmung am Dienstag keine Mehrheit bekommt."
Nächste Woche entscheidet das EU-Parlament, ob Ursula von der Leyen - statt Manfred Weber - die neue EU-Kommissions-Präsidentin wird.
Die Kanzlerin sagt, "dass ich als Regierungs-Chefin alles daran setze, dass Ursula von der Leyen – soweit es in meinem Einflussbereich steht – auch möglichst eine Mehrheit bekommt. Dafür wird sie in den nächsten Tagen auch die notwendige Überzeugungsarbeit leisten. Und so wie ich sie kenne, hat sie da eine Menge in petto und viele Vorschläge und Ideen."
Am Ende werden auch die Europa-Parlamentarier der Christsozialen für die "Uschi" stimmen, wie die Niedersächsin in Brüsseler CSU-Kreisen genannt wird. Sogar Manfred Weber lobt Ursula von der Leyen – und verkneift sich sogar jedes böse Wort über Merkel:
"Mit Angela Merkel war ich in all den Stunden und Tagen, die hinter uns liegen, in enger Abstimmung. Ich konnte immer auf sie bauen und vertrauen. Wir haben miteinander die Entscheidungen gefällt, die anstanden."
Anstand – das zeichne Manfred Weber aus, sagt einer an der niederbayerischen CSU-Basis. Fast schon zu anständig sei der "Mane" für die Politik. Denn es sei doch völlig klar "dass Merkel Weber nicht wollte." Und deshalb solle sich die CSU ihr Stillschweigen auch bezahlen lassen.
Wenn von der Leyen es in Brüssel doch schafft, werde im Bundeskabinett ja demnächst ein Ministeramt frei. Das könne die CSU hervorragend besetzen. Zur Not sogar mit einem Herrn von und zu Guttenberg.