Donnerstag, 28. März 2024

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EU-Programm
Klimaeffekt bei grünen Anleihen noch offen

Anleger können ab Oktober sogenannte grüne Anleihen kaufen, mit denen Klimaprojekte als Teil des Corona-Hilfspakets der EU finanziert werden sollen. Das Programm sei noch nicht genau festgezurrt, sagte der Journalist Jörg Weber im Dlf. Bisher sei nicht vorgeschrieben, welche Abgase erlaubt seien.

Jörg Weber im Gespräch mit Georg Ehring | 08.09.2021
Eine Kuh steht im Regen vor Windrädern und dichten, grauen Regenwolken auf einer Wiese.
Ob die Anleihen wirklich die Nachhaltigkeit fördern, ist bislang unklar (picture alliance/dpa | Jonas Walzberg)
Die Europäische Union will in großem Stil Anleihen ausgeben, die als "Green Bonds" Umwelt- und Klimaschutz finanzieren sollen. Bis zum Jahr 2026 sollen 250 Milliarden Euro auf diesem Weg zusammenkommen. Grüne Anleihen sind in Mode gekommen. Auch der Bund gibt solche Papiere heraus. Aber wie nachhaltig sind solche Anleihen und wie kann ich als Anleger mich mit gutem Gewissen beteiligen?
Jörg Weber vom Online-Magazin Ecoreporter, das über nachhaltige Geldanlagen berichtet, zeigte sich im Deutschlandfunk eher skeptisch: "Die EU ist noch nicht soweit und solange wird auf vielen grünen Anleihen etwas stehen, was wahrscheinlich mit dem, was Hörerinnen oder Hörer jetzt unter Nachhaltigkeit verstehen, nicht übereinstimmen wird."

Georg Ehring: Herr Weber, wie grün werden denn die Green Bonds der Europäischen Union?
Jörg Weber: So ganz genau weiß man das noch nicht. Das ist ja ein Programm und das ist auch mehrstufig geplant. Das heißt, die EU nimmt Geld auf an Kapitalmärkten und gibt es dann an die EU-Staaten weiter. Und die sollen ein Drittel davon dann weitergeben für Maßnahmen wie Wärmedämmung, Erneuerbare Energie oder Ähnliches. Aber es ist ein Programm und noch nicht genau festgezurrt.

"Lieber in grün"

Ehring: Werden denn solche Ökoprojekte künftig einfach separat mit grünem Label finanziert? Oder sorgen solche Anleihen wirklich für zusätzliche Investitionen in Umwelt und Klima?
Weber: Es ist so: Diese Anleihen sind Papiere, mit denen man Regierungen oder Unternehmen Geld leiht. Diese grünen Gelder, die dann bei Unternehmen oder in Staaten landen, die sind nicht so hoch verzinst oder noch niedriger verzinst als andere Kredite, die Sie bekommen. Insofern ist es schon so, dass das attraktiv ist, ein Vorhaben, das man plant, möglichst umweltfreundlich durchzuziehen, weil dann zahlt man weniger Zinsen dafür nach dieser Anleihenlogik, nach der grünen Anleihelogik. Insofern kann es durchaus sein, dass Unternehmen oder Staaten dann auch sagen, okay, wir machen das, was wir vorhaben, was wir sowieso machen wollen, lieber in grün, und dann hat es auch einen Umwelteffekt.
Reihe von pinkfarbenen Sparschweinen mit einem grünen Sparschwein
Nachhaltige Investments - Erstmals verbindliche Definition
Lange haben die EU-Staaten darüber gestritten, was unter einer nachhaltigen Anlagestrategie zu verstehen ist: Darf etwa Atomkraft ins Portfolio?
Ehring: Welche Kriterien müssen grüne Anleihen ganz allgemein erfüllen? Gibt es dafür Maßstäbe?
Weber: Es gibt Maßstäbe dafür, aber die sind eher als Prozess gedacht. Das heißt, die Unternehmen oder Staaten müssen dann sagen, wir machen jetzt eine grüne Anleihe, die lassen wir prüfen, und wir lassen auch jemand Neutrales da drüber schauen. Aber was genau jetzt zum Beispiel an Klimaeffekt dahinter stecken muss, welche Abgase erlaubt sind oder nicht, das ist alles noch nicht von der EU bindend vorgeschrieben. Es ist nur vorgeschrieben, es gibt jemanden, der das kontrolliert, der es auch einmal insgesamt in der Laufzeit überprüft auf die Wirkung hin, aber zum Beispiel Grenzwerte oder Ähnliches, das ist nicht festgeschrieben. Das soll kommen. Die EU ist noch nicht soweit und solange wird auf vielen grünen Anleihen etwas stehen, was wahrscheinlich mit dem, was Hörerinnen oder Hörer jetzt unter Nachhaltigkeit verstehen, nicht übereinstimmen wird.
Ehring: Die Europäische Union und der Bund sind nicht alleine. Wer gibt denn sonst noch grüne Anleihen aus?
Weber: Diese grünen Anleihen gibt es ganz viel. Übersetzt heißen sie ja Green Bonds und diese Green Bonds gibt es ganz viel von Unternehmen. Unternehmen finanzieren etwas, was sie sowieso aus ihrem Unternehmenskapital finanzieren würden, aber packen das dann in ein separates Projekt und nehmen dafür dann eine grüne Anleihe auf. Daran kann man sich beteiligen. Problem ist, das ist nur etwas für Leute mit viel Geld in der Tasche. Meistens muss man eine halbe Million oder eine Million mitbringen, um überhaupt da einsteigen zu können.
Ehring: Sind dann Fonds eine Alternative, in denen so etwas gebündelt wird?
Weber: Es gibt Fonds, die solche Green Bonds kaufen. Das Problem ist natürlich, dass die Green Bonds sehr niedrig verzinst sind, und solange wir diese Niedrigzins-Phase haben, ist das finanziell zwar eine sichere Sache, aber kein Investment, das sehr hohe Renditen verspricht – eher ganz niedrige Renditen.

Green Bond Fonds haben "relativ gut abgeschnitten"

Ehring: Sind das möglicherweise dann auch Negativrenditen?
Weber: Mit so einem Fonds könnte man auch Verluste einfahren. Bis jetzt haben diese Green Bond Fonds relativ gut abgeschnitten, weil die Green Bonds selbst – die laufen ja meist viele Jahre lang – im Kurs etwas gestiegen sind. Aber wenn die dann auslaufen, dann werden sie zu einem festgesetzten Wert wieder verkauft, und da könnte man dann auch als Fonds Verluste erleiden. Ich würde da nicht auf weitere Kursgewinne setzen. Ob die Fonds-Manager dann auch in Green Bonds einsteigen, die unter null verzinst sind, das glaube ich auch nicht - aber wer weiß.
Ehring: Es gibt ja auch kleine Anleihen für konkrete Projekte, wo dann ganz hohe Zinsen gezahlt werden. Kann man sich als Anleger darauf verlassen?
Weber: Doch, ja. Das sind aber ganz andere Dimensionen. Damit werden zum Beispiel zehn Windkraftwerke in Deutschland finanziert und das Ganze ist eine Anleihe, die hat ein Volumen von meinetwegen zehn Millionen, und das finanziert dann nur einen Teil dieser Windkraftwerke. Die großen Unternehmensanleihen sind oft eine halbe Milliarde schwer oder noch mehr. Aber diese kleinen Anleihen haben dann eine wesentlich höhere Verzinsung, drei, vier, fünf, manchmal etwas mehr Prozent, beziehen sich, wenn sie richtig gut sind, auf ganz konkrete Projekte, die man dann auch im Internet meinetwegen mit der grünen Stromerzeugung verfolgen kann. Da sehe ich dann, ich bin an der Anleihe beteiligt und die Windkraftwerke, die damit finanziert werden, die haben heute so und so viel Strom geliefert. Das halte ich für eine Sache, die dann, wenn sie gut gemacht ist – da muss man genau hinschauen -, auch wirklich gute Zinsen abwirft, und man hat wirklich eine direkte, konkret fassbare Umweltwirkung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.