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EU-Rentner in Portugal
Ende der Steuerfreiheit

Rentner aus bestimmten EU-Staaten, die in Portugal eine Immobilie erwerben und ihren Wohnsitz dorthin verlegen, zahlen keine Steuern. Mit dem Haushaltsgesetz will das Parlament das jetzt ändern. Damit könnten sich allerdings neue Schlupflöcher öffnen.

Von Tilo Wagner | 06.02.2020
Die Flaggen Portugals und Europas
Ärger mit anderen EU-Staaten: Portugal steht wegen seiner Steuergesetze unter Druck (dpa / picture-alliance / Peter Zimmermann)
Die finnische Journalistin Pilvikki Kause bekam vor ein paar Jahren einen Auftrag von Finnlands größter Tageszeitung Helsingin Sanomat: Kause sollte sich auf die Spuren von prominenten, pensionierten Vorstandsvorsitzenden großer finnischer Konzerne machen, die nach Portugal gezogen waren. Seit 2009 garantiert der portugiesische Staat Neu-Bürgern aus anderen EU-Staaten steuerfreie Rentenbezüge, wenn sie ihren festen Wohnsitz nach Portugal verlegen. Doch Pilvikki Kause konnte die finnischen Rentner, die teilweise Bezüge im sechsstelligen Euro-Bereich erhielten, in Portugal nicht finden. Sie erzählt:
"Ich habe mir die Adressen dieser ehemaligen Geschäftsleute besorgt und dann die Häuser überprüft. Die Nachbarn erzählten mir, dass sie diese Leute noch nie gesehen hätten. Und andere sagten: Da wohnt niemand."
Welle der Empörung in Finnland
Der Fall löste eine Welle der Empörung in der finnischen Öffentlichkeit aus. Denn Portugal schien wohlhabenden Finnen die Möglichkeit zu geben, einen gesamtgesellschaftlichen Konsens zu missachten, sagt Pilvikki Kause:
"Wir Finnen sind sehr stolz auf unser Sozialsystem. Die Bildung ist sehr gut und kostenlos. Für eine Ausbildung an Universitäten zahlen wir nichts. Unser Gesundheitssystem ist sehr gut, und die Bürger müssen nicht viel dafür bezahlen. Das alles sorgt in unserer Gesellschaft für Ausgleich."
Der Unmut der Bevölkerung über die Steuerflucht wohlhabender Finnen erhöhte auch den Druck auf die politischen Entscheidungsträger in Helsinki, eine neue Regelung mit Lissabon zu treffen. Doch die portugiesische Regierung zeigte sich in den bilateralen Verhandlungen stur. Im Mai 2018 stimmte das finnische Parlament deshalb dafür, das fast 50 Jahre alte Doppelbesteuerungsabkommen zwischen beiden Staaten zu kündigen. Damit kann Helsinki seine Rentner nun auch dann zur Kasse bitten, wenn sie in Portugal wohnen und dort keine Steuern zahlen müssen. Nicht nur aus Finnland, Schweden, Holland oder Frankreich muss sich die portugiesische Regierung Kritik anhören. Auch in Portugal wuchs der Unmut über das Steuerdumping. Schätzungsweise leben 30.000 Neu-Bürger in Portugal, die besondere Steuerrechte genießen. Sie dürften dazu beigetragen haben, dass die Immobilienpreise im Land in jüngster Zeit sehr stark gestiegen sind. Im Haushalt 2020 wollen die Sozialisten jetzt die Regelung ändern: In Zukunft soll das portugiesische Finanzamt die Rentenbezüge von Neubürgern in Portugal mit einem Satz von 10 Prozent besteuern.
Neues Steuersparmodell für Deutsche?
Kurioserweise könnte diese Neu-Regelung jedoch einer anderen Gruppe von Rentnern erhebliche Vorteile bringen, sagt der in Lissabon tätige deutsche Anwalt Philippe Lafontaine, zum Beispiel für pensionierte Angestellte des öffentlichen Dienstes aus Deutschland: Obwohl sie in Portugal leben, müssen sie ihre Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung bisher in Deutschland versteuern. Noch erheben die deutschen Finanzämter die Steuer, weil der portugiesische Fiskus verzichtet. Philippe Lafontaine:
"Für die wird es jetzt deutlich interessanter, natürlich, weil sie bislang mit dem Umzug nichts sparen konnten, letztlich. Wie gesagt, sie haben halt in Deutschland weiter ihre Rente bezahlt, während jetzt mit der Besteuerung in Portugal Deutschland damit nicht mehr das Besteuerungsrecht hat, oder diesen Rückgriff auf Besteuerungsrecht, und damit eigentlich dann die Leute eben zehn Prozent Steuerlast auf diese Renteneinkünfte tragen müssen - nur!"
Ein Steuersatz von lediglich zehn Prozent würde Portugal für bestimmte Rentner tatsächlich attraktiver machen. Allerdings bleibt abzuwarten, ob die Regierung weitere Schlupflöcher nicht doch wieder schließt.