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EU-Richtlinie
Ein Schlag für den investigativen Journalismus?

Die geplante Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse könnte investigativen Journalismus stark gefährden. "Das heutige System würde durch ein verschobenes ersetzt, das wesentlich stärker die Unternehmensinteressen berücksichtig", sagte der stellvertretende ZDF-Justiziar Christoph Bach im Dlf.

Christoph Bach im Gespräch mit Bettina Köster | 17.07.2018
    Auf einem Laptop klebt eine Notiz mit der Aufschrift "top secret"
    Die Umsetzung einer EU-Richtlinie könnte es für Journalisten unmöglich machen, geheime Dokumente zu veröffentlichen. (imago / xKTHx ALLF931500)
    Öffentlich-Rechtliche, Verlage und Journalistenverbände kritisieren die geplante Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse. Träte das Gesetz wie geplant in Kraft, könnte es die Veröffentlichung von investigativen Recherchen verhindern. Recherchen wie beispielsweise zum Abgasskandal wären damit kaum noch möglich. Die Richtlinie könne für die Anwälte der Autokonzerne die Grundlage bilden, um Klage gegen Investigativ-Journalisten einzureichen und Strafanzeige zu erstatten, sagte der stellvertretende ZDF-Justiziar Christoph Bach im Gespräch mit @mediasres.
    "Es müsste in aufwendigen und durch mehrere Instanzen gehenden Prozessen geklärt werden, ob diese Berichterstattung anschließend zulässig sein wird. Mit der Folge, dass die Berichterstattung - wenn sie denn nicht verhindert wird - jedenfalls verzögert wird. Und auch da gibt es ein legitimes Anliegen der Medien und ich meine auch der Öffentlichkeit, dass die Berichterstattung aktuell zu sein hat. Denn nur dann kann sie ihre Wirkung entfalten."
    Bach befürchtet, dass der Gesetzesentwurf auch die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts negieren könnte, nachdem die Veröffentlichung von illegal erlangten Informationen erlaubt ist - sofern ihre Verwertung für die Öffentlichkeit von größerer Bedeutung ist als der ursprüngliche Rechtsbruch.
    Geheime Dokumente dürften nicht mehr ausgewertet werden
    Bislang gäbe es in Deutschland eine Rechtsprechung, die zwischen dem Öffentlichkeitsinteresse, der Rundfunk- und Pressefreiheit und den Interessen der Betroffenen abwäge, so Bach. Diese Rechtsprechung würde nicht ausgehebelt, aber die Schwerpunkte würden sich verändern.
    "Das heutige System, das durch die Gerichte geformt wurde, würde durch ein verschobenes ersetzt, das wesentlich stärker die Unternehmensinteressen berücksichtig. Und das in einer Konstellation, in der durch das europäische Recht eigentlich etwas ganz anderes beabsichtig ist."
    Der entscheidende Punkt für Bach: Neue Klageansprüche, die das Gesetz vorsieht, könnten bereits im Vorfeld der Berichterstattung dazu führen, dass Dokumente nicht ausgewertet werden dürften und sogar herausgegeben werden müssten. Dies sei ein Paradigmenwechsel, so der stellvertretende ZDF-Justiziar, der allerdings noch Hoffnung hat.
    "Das Gesetz ist bislang noch nicht von Regierung und Kabinett diskutiert worden. Wir gehen davon aus, dass wir im parlamentarischen Prozess mit unseren Argumenten Gehör finden. Und dass eine vernünftige Regelung zustande kommt. Denn gegen das Anliegen der Richtlinie, dass man den Diebstahl geistigen Eigentums und den illegalen Knowhow-Transfers europaweit unterbinden will, dagegen haben selbstverständlich auch die Medien keine Einwände."