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EU-Sparpolitik
Widerstand zwecklos

Selbst die gebeutelten europäischen Krisenländer stellen den eingeschlagenen Sparkurs längst nicht mehr infrage. Zumal es auch erste Erfolge gibt. Am Ende ist es aber wohl nur ein Punktsieg, den derzeit die Verfechter der bisherigen Austeritätspolitik einfahren.

Von Jörg Münchenberg | 27.08.2014
    Zugegeben, der Rauswurf des französischen Wirtschaftsministers Arnaud Montebourg aus dem Kabinett war für Präsident Francois Hollande am Ende ein überfälliger Befreiungsschlag. Denn Montebourg hatte nicht nur in deutlichen Worten gegen den besonders von Deutschland verfochtenen Sparkurs für Europa gewettert, sondern gleich auch noch die eigene Regierungspolitik infrage gestellt. Hollande musste also die Reißleine ziehen.
    Doch die innenpolitischen Erschütterungen in Frankreich sind auch noch in Brüssel zu spüren. Denn mit dem Abgang von Montebourg verlieren die Kritiker der europäischen Austeritätspolitik einen weiteren prominenten Vertreter. Zumal sich selbst der französische Präsident inzwischen zu einem Reformkurs, etwa bei Steuern und Alterssicherung, durchgerungen hat.
    Aus der ersten Reihe der europäischen Politprominenz bleibt somit nur noch der italienische Premierminister Matteo Renzi, der es - auch Dank der Erfolge bei den jüngsten Europawahlen - gewagt hat, die strikten Vorgaben des Stabilitätspaktes öffentlich infrage zu stellen. Ansonsten folgt Europa weitgehend der deutschen Maxime von Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen.
    Selbst die gebeutelten Krisenländer - mühsam mit Hilfsmilliarden stabilisiert - stellen den eingeschlagenen Weg längst nicht mehr infrage. Zumal es auch erste Erfolge gibt: Die griechische Wirtschaft konnte ihren bisherigen Absturz merklich abbremsen. Portugal und Irland wiederum genießen - zumindest vorübergehend - an den Finanzmärkten wieder Vertrauen.
    Wirtschaftswachstum bedenklich schwach
    Spanien schließlich darf nach den harten Jahren der sozialen Einschnitte sogar auf eine politische Belohnung hoffen. Gestern gab es öffentliches Lob von der Kanzlerin für die spanische Reformpolitik - und höchst wahrscheinlich fällt dafür sogar der Posten des Eurogruppenvorsitzenden für Madrid ab. Zumindest will sich Angela Merkel dafür bei den Kollegen starkmachen.
    Doch selbst der EU-Kommission, Hüterin der Verträge, steht demnächst wieder ein Christdemokrat vor. Zwar hat sich Jean Claude Juncker im Wahlkampf wiederholt auch für den Ausbau eines sozialen Europas ausgesprochen. Ohne dabei freilich den bisherigen wirtschafts- und finanzpolitischen Kurs der EU ernsthaft infrage zu stellen.
    Am Ende ist es aber wohl nur ein Punktsieg, den derzeit die Verfechter der bisherigen Austeritätspolitik einfahren. Mehr nicht. Denn die Arbeitslosigkeit bleibt in vielen Mitgliedsländern der EU bleibt weiter erdrückend hoch, das Wirtschaftswachstum nicht zuletzt in Frankreich und Italien bedenklich schwach. Doch auch die größte Volkswirtschaft in Europa verzeichnet erste Ermüdungsanzeichen - ein Einbruch in Deutschland hätte jedoch für die gesamte EU dramatische Folgen.
    So oder so - Europa wird um eine Fortsetzung der Richtungsdebatte nicht herum kommen. Dabei geht es weniger um einen harten Kursschwenk als vielmehr um notwendige Ergänzungen. Mehr öffentliche Investitionen - allerdings im Rahmen der erlaubten jährlichen Neuverschuldung - diese Forderung ist längst nicht nur aus Italien, sondern auch aus dem Turm der Europäischen Zentralbank, von Mario Draghi höchstpersönlich zu hören. Auch die Verfechter einer strikten Austeritätspolitik können das nicht einfach ignorieren.