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EU-Ukraine-Gipfel
Die Enttäuschung ist gegenseitig

Wenn heute die Spitzen der EU und der Ukraine in Kiew zusammenkommen, geschieht das ohne große Erwartungen. Kiew sieht sich bezüglich der gewünschten Visa-Erleichterungen enttäuscht, Brüssel hingegen dauert die Umsetzung von Reformen in der Ukraine zu lange.

Von Florian Kellermann | 27.04.2015
    Das Präsidialamt in Kiew.
    Der ukrainische Präsident Poroschenko. (picture alliance/dpa/Daniel Naupold)
    Der Gipfel findet statt. Schon das ist eine positive Meldung in der Ukraine. Denn nach einer Serie von mysteriösen Politiker-Morden in Kiew hatten einige befürchtet, die EU-Kommission werde das Treffen aus Sicherheitsgründen verschieben. Ein verheerendes Signal wäre das gewesen, meinen ukrainische Beobachter. Zumal Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erst vor kurzem einen Kiew-Besuch abgesagt hatte.
    Inhaltlich jedoch seien die Erwartungen an de-n Gipfel nicht hoch, sagt der Kiewer Politologe Taras Beresowez:
    "Noch vor einem Jahr wäre über so ein Gipfeltreffen in Kiew breit berichtet worden. Aber vor dem Hintergrund des Krieges im Osten interessieren sich dafür nur Experten und Politiker. Die Menschen haben Angst, dass Putin die Kämpfe wieder aufflammen lässt, das ist für sie jetzt wichtiger. Hinzu kommt: Alle wissen, dass die EU der Ukraine weiterhin keine Beitrittsperspektive geben wird. Daher der Eindruck, dass der Gipfel für das Schicksal des Landes nicht besonders wichtig ist."
    Gegenseitige Enttäuschung
    Die Enttäuschung ist gegenseitig. Auf der einen Seite erhoffte sich die Ukraine mehr Unterstützung - unter anderem die Lieferung von Waffen. Auf der anderen Seite kann die EU nicht verstehen, warum die Ukraine mit ihren Reformen nur so langsam vorankommt. Beide Seiten werden sich dennoch bemühen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, heißt es.
    Ein Ziel für die Ukraine: Sie will, dass die Freihandelszone mit der EU im kommenden Jahr voll in Kraft tritt. Bisher gilt sie - auf Drängen Russlands - nur einseitig. Die EU muss ihre Waren in der Ukraine weiterhin verzollen, die Ukraine dagegen kann viele Güter zollfrei ausführen. Das ist für Kiew zwar wirtschaftlich günstig. Aber die ukrainische Regierung wolle die Freihandelszone als politisches Signal, dass die Partnerschaft mit der EU unumkehrbar ist, so der Politologe Wolodymyr Fesenko.
    "Ein anderer Punkt, der für die Ukraine wichtig ist: Visa-Freiheit. Aber im Moment scheint sie das nicht erreichen zu können. Der Grund ist der Krieg. Die EU-Politiker fürchten, dass Millionen von Ukrainern, wenn sie kein Visum mehr brauchen, gen Westen fahren, um Arbeit zu suchen oder einfach vor den Kämpfen zu fliehen. Ich halte das für eine übertriebene Furcht."
    Auch um Geld wird es heute gehen: Die Ukraine erhofft sich Zusagen, dass die EU beim Wiederaufbau des umkämpften Donezk-Beckens hilft.