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EU und die USA
Zeit für eine neue transatlantische Agenda

Die transatlantischen Beziehungen stehen nach der Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten vor einem Neuanfang. Die EU-Außenminister beraten deshalb über eine neue transatlantische Agenda. Im Fokus steht unter anderem der Kampf gegen den Klimawandel sowie die Stärkung von Demokratie und Multilateralismus in der Welt.

Von Bettina Klein | 07.12.2020
Die Fahnen der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union wehen nebeneinander
Bei dem Außenministertreffen geht es auch um die Zusammenarbeit der EU mit dem künftigen US-Präsidenten Jo Biden (dpa-Zentralbild)
Es ist kein Zufall, dass die neue transatlantische Agenda der EU schon heute auf der Tagesordnung der Außenminister steht. Und zwar nicht unter Aktuelles oder "ferner liefen", sondern als eigener Tagesordnungspunkt. Eine Woche bevor das Electoral College in den USA erst zusammentreten und das Wahlergebnis in einem weiteren Schritt offiziell machen wird.
Es ging den EU-Spitzen darum, jetzt schnell einen Aufschlag zu machen. Zeit für eine neue transatlantische Agenda, Europa sollte hier die Initiative ergreifen und ein Angebot machen, so Ursula von der Leyen.
Die Kommission stellte vergangene Woche ihre USA-Agenda vor. Sie strebt eine enge Zusammenarbeit mit den USA an, dort wo sich die Interessen annähern, wo der gemeinsame Einfluss am besten genutzt werden kann und wo globale Führung gefragt ist, heißt es darin. Dazu zählen die Bewältigung der gegenwärtigen Pandemie und ihrer Folgen, der Kampf gegen den Klimawandel, gemeinsame Standards bei Handel und Technologie, sowie die Stärkung von Demokratie und Multilateralismus in der Welt.
Das Bild zeigt die amerikanische Flagge, Dossier zur US-Wahl 2020 
Gespräche über das Konzept der strategischen Autonomie Europas
Es geht in genau die richtige Richtung, so der Diplomat und frühere deutsche Botschafter in Washington Wolfgang Ischinger vergangene Woche vor dem Auswärtigen Ausschuss des europäischen Parlaments. Das schlechteste wäre jetzt, so Ischinger, sich als Europäer zurückzulehnen und zu glauben, die neue Regierung in Washington würde nun Wohltaten verteilen. Europa müsse sich als bedeutsamerer, fähigerer und nützlicherer Partner präsentieren.
Das Kommissions-Papier wird heute auf dem Tisch des Außenministertreffens liegen und in eine gemeinsame Erklärung einfließen. Beim Mittagessen werden die Minister erstmals in diesem Format über das Konzept der strategischen Autonomie Europas sprechen. Ein Ziel, über das im Grundsatz Einigkeit besteht, wenn damit europäische Handlungsfähigkeit und stärkere Selbstständigkeit gemeint ist. Je nach Bereich und Definition versteht jedoch im Zweifel jeder etwas Anderes darunter. Aus Sicht von Josep Borrell ist es Zeit, den Streit um Begrifflichkeiten zu beenden und in der Praxis endlich damit ernst zu machen. Eine stärkere Eigenständigkeit und Unabhängigkeit Europa sieht er als Voraussetzung für ein wiederbelebtes enges transatlantisches Verhältnis.
Die Vereinigten Staaten haben von uns verlangt mehr Verantwortung für unsere eigenen Angelegenheiten zu übernehmen, so der Hohe Beauftragte der EU, und das wollen wir jetzt tun.
Eine Entscheidung wäre schon jetzt möglich gewesen
Schließlich werden die Außenminister heute ein Projekt verabschieden, das seit langem in Arbeit war und vom Europaparlament seit langem gefordert wurde: Ein Äquivalent zum Amerikanischen Magnitsky Act. Der in der EU allerdings nicht so heißen wird. Dieser Menschenrechtsmechanismus ermöglicht es, gezielt Sanktionen gegen Einzel-Personen zu verhängen, ohne dass wie bisher ein Sanktionsmechanismus gegen ein ganzes Land verhängt werden muss. Was politisch oft viel komplizierter zu erreichen ist. Ein großer Erfolg für die Menschenrechte weltweit, aber auch für das Parlament, das diesen Prozess angestoßen hat, sagt die grüne Europa-Europaabgeordnete Hannah Neumann. Mit einer Einschränkung.
"Der größte Wehrmutstropfen bei der Verabschiedung ist, dass sich die Mitgliedsstaaten wieder nicht haben dazu durchringen können, solche Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit zu treffen. Nach wie vor müssen also alle Mitgliedsstaaten zustimmen, wenn solche Sanktionen verhängt werden sollen. Was – das hat die Vergangenheit leider gezeigt – häufig zu Verlängerung oder sogar Blockaden führt."
Eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit wäre in Menschenrechtsfragen schon jetzt möglich gewesen. Parlament und die Kommissionspräsidentin hatten sich genau dafür eingesetzt.