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EU-Urheberrechtsreform
Die Woche danach

Nachdem das europäische Parlament der EU-Urheberrechtsreform zugestimmt hat, bleiben den EU-Ländern nun zwei Jahre, um die Richtlinie in nationale Gesetze zu gießen. IT-Konzerne und Verlage beschäftigen sich aber schon jetzt mit der Umsetzung.

Von Daniel Bouhs | 01.04.2019
Menschen stehen vor dem runden Parlamentsgebäude in Straßburg. Vorne im Bild schwenkt jemand eine EU-Flagge.
Mit einer Mehrheit von 348 zu 274 Stimmen entschied das EU-Parlament letzte Woche für die EU-Urheberrechtsreform (AFP/FREDERICK FLORIN)
Dass das Europäische Parlament der Urheberrechtsreform zugestimmt hat, das hat Dietmar Wolff – Hauptgeschäftsführer des Zeitungsverleger-Verbandes BDZV – auf einer Reise erfahren.
"Kurze SMS bekommen, wie das Ergebnis war, zur Kenntnis genommen und…"
"…kein Champagner im Rucksack gehabt?"
"Nein – absolut kein Champagner."
Leistungsschutzrecht gibt es in Deutschland seit sechs Jahren
Die Zeitungsverleger freuen sich vor allem auf das Leistungsschutzrecht: Vor allem Google soll künftig dafür bezahlen, dass es die Artikel von Verlagsseiten auflistet und drumherum Werbeplätze verkauft. In Deutschland gibt es so ein Gesetz schon seit bald sechs Jahren.
"Das wird so ablaufen, wie das eben schon beim deutschen Leistungsschutzrecht abgelaufen ist, dass die Verlage auf die Plattformen zugehen – entweder einzeln, individuell, das ist ja jedem Verlag unbenommen, oder indem sie sich organisieren, zum Beispiel über eine Verwertungsgesellschaft. Und das ist ja beim deutschen Leistungsschutzrecht auch so erfolgt."
Nur zahlt Google nicht, sondern streitet sich vor Gericht. Wolff ist aber zuversichtlich: Das künftige europäische Recht werde den Verlagen helfen. Große Gesetzesänderungen seien aber wohl nicht notwendig.
Uploadfilter auf nationaler Ebene kaum zu verhindern
Anders sieht es bei der Plattformhaftung aus, den Urheberrechten etwa auf YouTube. Die CDU macht gerade Schlagzeilen mit dem Vorstoß, beim Überführen der Richtlinie in deutsches Recht Uploadfilter doch noch verhindern zu können – wird dabei aber kaum ernstgenommen.
"Das ist aus meinen Augen Sand, der da von der CDU versucht wird, den Leuten in die Augen zu streuen."
Sagt Jens Zimmermann, der digitalpolitische Sprecher der SPD-Fraktion – immerhin ein Koalitionspartner.
"Allen Expertinnen und Experten, mit denen ich gesprochen habe, denen ist nichts anderes eingefallen als eben diese Upload-Filter."
Elisabeth Winkelmeier-Becker ist die Sprecherin der Unionsfraktion für Recht. Sie sagt selbst: Die Technologie hinter den Uploadfiltern würden Internetplattformen tatsächlich brauchen, um festzustellen, ob sie an einem Foto, Video oder Text Rechte halten oder nicht. Allerdings:
"Wir wollen die Verfahren und die Sorgfaltspflichten der Plattformen dabei so ausgestalten, dass ein Upload zunächst immer möglich ist und deshalb dann auch keine Anreize für ein Overblocking bestehen."
Drei-Stufen-Regelung möglich: Lizenz, Löschung, freie Nutzung
Das oberste Ziel der Reform sei schließlich, dass Plattformen Lizenzen erwerben und so Kreative bezahlen.
"Wenn keine Lizenz besteht, dann soll kurzfristig geklärt werden, ob der Rechteinhaber eine individuelle Lizenz nachträglich vereinbaren will. Das wäre seine erste Option. Die zweite Möglichkeit ist, dass er die Löschung des Uploads will, der gegen sein Urheberrecht verstößt. Und die letzte Möglichkeit ist, dass er auch einfach damit einverstanden ist, dass sein Werk ohne Lizenz genutzt wird, weil er vielleicht gar nicht an der kommerziellen Nutzung interessiert ist."
Steinbrecher (Bitkom): Unmöglich, genügend Lizenzverträge abzuschließen
Mit so einer Regelung könnten Plattformbetreiber auch Livestreams selbst dann laufen lassen, wenn die Urheberrechts-Scanner Alarm schlagen. Judith Steinbrecher, die Urheberrechtlerin des IT-Branchenverbandes Bitkom mahnt indes: Auch bei diesem Modell müssten Plattformbetreiber am Ende viele Inhalte rausfiltern.
"Weil man nicht so viele Lizenzverträge schließen kann, als dass jeglicher Content abgedeckt ist. Das heißt, für den Bereich, wo es keine Lizenzverträge gibt, muss dann doch ein Uploadfilter her, um das tatsächlich technisch umsetzen zu können und dort auch einer Haftung entgehen zu können."
Europäische Lizenz-"Superdatenbank": Welche Inhalte sind eigentlich urheberrechtlich geschützt?
Und: Woher sollen Plattformbetreiber eigentlich wissen, welche Inhalte urheberrechtlich geschützt sind? Für Bitkom-Juristin Steinbrecher führt kein Weg an einer Art europäischer "Superdatenbank" vorbei. Die sei jedoch so kompliziert, dass es sie bisher nicht mal für Musik gebe.
"Wir sprechen aber hier ja auch nicht nur über Musikinhalte, sondern jegliche urheberrechtlich geschützten Inhalte. Also auch ein Foto, was Sie selber privat irgendwo machen, hat einen urheberrechtlichen Schutz. Ja, das ist eine große Herausforderung, dort wirklich auch das Informationsmaterial zu haben, was eine Plattform benötigt, um da Rechteklärung vornehmen zu können."
Uploadfilter, Lizenzdatenbanken und das Leistungsschutzrecht: Den Betreibern könnte das am Ende zu viel, zu teuer oder zu riskant werden. Sie könnten einzelne Angebote einstellen – so wie Google vor Jahren "Google News" in Spanien, nachdem auch dort bereits ein Leistungsschutzrecht eingeführt wurde. In Deutschland ließ Google Verlage, die weiter gelistet werden wollten, unterschreiben, dass das erst mal kostenfrei passiert. Ein Trick. Dietmar Wolff vom Zeitungsverlegerverband BDZV runzelt die Stirn.
"Ich gehe davon aus, dass Google überlegen wird, ja, Verlage vielleicht auch auszulisten. Aber wenn sie das europaweit tun möchten: Das ist schon ein sehr großer Markt mit über 500 Millionen potenziellen Nutzern. Das werden sie sich schon sehr gut überlegen, ob sie das machen. Da war ein einzelner Markt wie Deutschland oder eben auch Spanien doch schon eben eine andere Sache, ne?"