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EU-Urheberrechtsreform
Ende des freien Internets?

Die EU will das Urheberrecht reformieren mit einem Leistungsschutzrecht für Verlage und mit einem Upload-Filterzwang. Kritiker warnen vor einem Angriff auf das offene Netz. In der heutigen Abstimmung im EU-Parlament sollen die Reform-Vorschläge festgezurrt werden.

Von Thomas Otto | 20.06.2018
    Logos vom Kurznachrichtendienst Twitter spiegeln sich in einem Handybildschirm, der ein kaputtes Schloss anzeigt.
    Upload-Filter könnten von YouTube, Facebook & Co. missbraucht werden, um Meinungen zu filtern - besonders bei umstrittenen Themen (dpa / Lino Mirgeler)
    Am umstrittensten sind wohl die so genannten Upload-Filter: Von Zensurmaschinen und einem Angriff auf die Meinungs- und Kunstfreiheit ist die Rede. Der zuständige Berichterstatter, Axel Voss von der CDU, erklärt:
    "Die Plattformen, die urheberrechtliches Material von den Nutzern hochladen lassen können, müssen dann eben auch gucken, dass sie es hinbekommen, dass Urheberrechtsverletzungen erst gar nicht stattfinden beim hochladen."
    Heißt konkret: Sie müssen mithilfe automatischer Filter nach solchem Material suchen und im Zweifel die Veröffentlichung verhindern - oder entsprechende Lizenzen erwerben.
    Große Plattformen profitieren
    Das sorgt für viel Kritik, vor allem im Netz. Wie sollen solche Filter Satire und Kunst erkennen, für die weniger strenge Regeln beim Urheberrecht gelten? Könnten solche Filter nicht auch missbraucht werden, um Meinungen zu filtern? Das fragt auch Julia Reda, Abgeordnete der Piraten im EU-Parlament. Sie fürchtet, dass Plattformen so auch legale Inhalte löschen, um auf Nummer sicher zu gehen. Auf YouTube oder Facebook kann man solche Effekte bereits beobachten. Vor allem die großen Plattformen profitieren laut Reda von solchen Filtern.
    "Kleine Plattformen werden darauf angewiesen sein, diese Filtertechnologie in irgendeiner Form einzukaufen. Und es gehört nicht so viel Phantasie dazu, dass dann im Zweifelsfall Google oder Facebook sagt: Ihr dürft unsere Filter benutzen, aber nur wenn ihr euren gesamten Datenverkehr über unsere Server leitet. Und dann haben wir letzten Endes nur die Datensammlung dieser Unternehmen noch befördert. Und die Urheber haben davon überhaupt nichts."
    Die Piraten-Politikerin Julia Reda
    Die Piraten-Politikerin Julia Reda (dpa / CTK Photo/Ondrej Deml)
    Unabhängige Presse am Tropf von Google & Co.?
    Umstritten auch das EU-weite Leistungsschutzrecht. Verlage sollen dafür bezahlt werden, wenn Portale wie Google News auch nur kleinste Ausschnitte von Artikeln nutzen, um diese zu verlinken. Immerhin verdienten große Plattformen mit den Inhalten der Verlage Geld, argumentiert Axel Voss.
    "Wir müssen uns nach meiner Auffassung mittlerweile wirklich die Frage stellen: Was ist uns in unserer Gesellschaft eine unabhängige Presse wert? Oder soll sie finanziell am Tropf von großen Plattformen hängen?"
    Die Piraten-Abgeordnete Julia Reda glaubt, dass sich Google bei einem EU-weiten Leistungsschutzrecht so verhalten würde, wie bereits in Deutschland: Inhalte von Verlagen, die ein Leistungsschutzrecht geltend machen, werden zwar weiterhin verlinkt. Dann aber womöglich nur noch mit Überschrift und ohne weiteren Anreißer-Text. Die Erfahrung habe gezeigt, dass dann deutlich weniger Menschen diese Inhalte anklickten, meint Reda.
    Unsicherheit beim Leistungsschutzrecht
    Immer wieder haben sich auch Experten gegen das Prinzip Leistungsschutzrecht ausgesprochen, zuletzt über 200 Wissenschaftler und Juristen. Julia Reda kritisiert nicht nur die drohende Rechtsunsicherheit, weil das Gesetz keine genauen Regeln vorsehe, ab wie viel Text ein Anrecht auf Vergütung bestehe.
    "Wenn es Geld kostet, auf die Angebote der Qualitätsmedien zu verweisen, aber auf der anderen Seite Fake News-Angebote gezielt Werbung schalten, um Leute zu erreichen, dann sind die Anreize für die Plattformen klar: Ich verdiene Geld mit Fake News, ich verliere Geld mit Qualitätsmedien. Und dann ist relativ klar, wer sich gegenüber den Usern am Ende durchsetzen wird."
    Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss 
    Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss (Imago / C. Hardt / Future Image)
    Axel Voss ist die Kritik am Leistungsschutzrecht bewusst. Er hofft, dass es EU-weit besser funktionieren wird, als in Deutschland oder Spanien.
    "Das mag nicht die beste Idee sein, aber es ist zur Zeit die, mit der man helfen könnte."
    Mit der heutigen Abstimmung im EU-Parlament legen die Abgeordneten ihre Reform-Vorschläge fest. Wie die Abstimmung ausgehen wird, ist noch völlig offen - die Mehrheiten sind knapp. Die Mitgliedsstaaten im Rat tendieren zu Upload filtern und Leistungsschutzrecht, streiten aber noch über die Details. Am Ende werden sich Staaten und Parlament auf eine Reform einigen müssen.