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EU-Urheberrechtsreform
Warum die Jungen gegen Artikel 13 aufbegehren

Kommenden Dienstag stimmt das EU-Parlament über die geplante Urheberrechtsreform ab. Es sind vor allem junge Menschen, die gegen die Pläne auf die Straße gehen. Sie fürchten eine Einschränkung der Freiheit im Internet. Manche sehen sogar ihren Lebensunterhalt gefährdet.

Von Doris Pundy | 22.03.2019
Das Foto zeigt Teilnehmer des Bündnisses «Berlin gegen 13» gegen Uploadfilter und EU-Urheberrechtsreform im Artikel 13. Sie protestieren am Axel-Springer-Hochhaus.
Die geplante Reform des EU-Urheberrechts treibt viele Demonstranten auf die Straße (picture-alliance / dpa / Christoph Soeder)
Eine Demo in Köln. Etwa dreihundert meist junge Menschen haben sich vor dem Hauptbahnhof versammelt. Ihr Frust richtet sich gegen die geplante Reform des europäischen Urheberrechts. Das Ziel der EU-Richtlinie ist eigentlich gut gemeint: Künstler sollen angemessener entlohnt werden. Texte, Bilder, Fotos oder Filme dürfen nicht einfach im Internet weiterverbreitet werden, ohne dafür zu bezahlen. Manche Demonstranten fürchten jedoch, dass die Novelle ihren Lebensunterhalt gefährdet. Eine davon ist die Videokünstlerin Elli.
Sie lädt auf Plattformen wie Youtube oder Twitch vielgeklickte Videos hoch. Dort verkörpert sie Szenen aus beliebten Videospielen – sogenanntes Cosplay. Die Spiele und Charaktere, die Elli interpretiert, sind rechtlich geschützt.
"Ich kann davon meine Miete bezahlen - bislang"
"Ich hab mir das jetzt über zwei Jahre hinweg aus dem Nichts aufgebaut. Ich kann davon meine Miete bezahlen und mein Essen – bislang zumindest. Ich müsste halt dann das, was ich mir aufgebaut habe, und wo auch wirklich mein Herz und meine Seele dran hängt, das müsste ich, so wie es ist, entweder einstampfen oder komplett anders machen."
Der Unmut über die geplante Gesetzesänderung bringt Menschen auf die Straße, die sich sonst nur im Internet austauschen und vernetzen. Zu einer Demonstration Ende Februar in Köln kamen etwa zweitauschend Menschen. Viele Teilnehmer übertrugen die Veranstaltung live per Video-Stream in sozialen Medien, wo einige weitere Tausend zusahen.
Paragraph 13 der geplanten Reform bringt Kritiker in Wut. Er sieht vor, dass Internetplattformen, wie Youtube, für Urheberrechtsverletzungen haften sollen. Um automatisch zu erkennen, welche hochgeladenen Inhalte rechtlich geschützt sind und welche nicht, könnten sogenannte "Upload-Filter" zum Einsatz kommen. Das ist eine Software, die ein Video schon während des Hochladens scannt und blockiert, falls es nicht rechtefrei ist. Hört sich gut an, ist es aber nicht, meint IT-Unternehmer Pascal Fouquet. Denn diese Filter seien nach heutigem Stand der Technik nicht zuverlässig und könnten zu viele Inhalte zensieren. Sie könnten beispielsweise Satirevideos blockieren, in denen Ausschnitte aus Spielfilmen verwendet werden – obwohl das erlaubt ist.
"Sie können in der Form nicht Witze erkennen. Sie müssen mal ein Computer basteln, der Satire kann. Der Witze erzählen kann, erfinden kann. Dann haben Sie mal einen deutlichen Schritt in die Richtung gemacht, die es braucht. Aber diese Technik ist gar nicht vorhanden."
Europaweit fünf Millionen Unterschriften gegen die Reform
Pascal Fouquet ist der Kampagnenleiter der Initiative "Save the Internet". Sie hat in den letzten Monaten in ganz Europa fast fünf Millionen Unterschriften gegen die Urheberrechtsreform gesammelt. "Save the Internet" hat zu Demonstrationen aufgerufen, die morgen in über vierzig deutschen Städten stattfinden sollen. Mit einem klaren Ziel:
"Wir wollen, dass diese Reform jetzt gekippt wird. Dass man dann, wenn diese neu aufgesetzt wird in der nächsten Legislaturperiode, dass dann mal von Anfang an die Zivilgesellschaft und auch die IT-Unternehmen gefragt werden: Was soll man machen, wie soll man das machen?"
Am kommenden Dienstag stimmt das Europaparlament in Straßburg über die Reform ab. Auf den vorliegenden Text einigten sich Mitgliedstaaten, die EU-Kommission und einige Europaparlamentarier in jahrelangen Verhandlungen. Federführend dabei war der CDU-Politiker Axel Voss. Er hält das Gesetz für gelungen. Zu Hause aber sorgte sein Kurs für Streit. Junge CDU-Politiker begehrten gegen die Upload-Filter auf. Elisabeth Winkelmeier-Becker ist die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion. Sie kann die Sorge vieler Internetnutzer um deren Ausdrucks- oder Verdienstmöglichkeiten nachvollziehen:
Wunsch nach mehr Sachlichkeit in der Debatte
"Deshalb habe ich absolut Verständnis, dass man die neuen Regeln mit viel Skepsis und Kritik auch begegnet. Aber ich würde mir doch in der Debatte mehr Sachlichkeit wünschen und auch die Erkenntnis, dass es tatsächlich ein Problem gibt, was die unfaire Verteilung der Gewinne großer Plattformen betrifft. Da werden die Künstler nicht beteiligt."
Damit, dass Künstler angemessener entlohnt werden sollen, ist Netzaktivist Fouquet einverstanden. Nur mit der Umsetzung nicht. Medienberichte, dass hinter dem Protest große Tech-Konzerne stecken, weist er zurück:
"Wir haben mit denen keine Verbindung. Wir haben kein Geld von denen. Wir kriegen von denen keine Ressourcen. Dieser Teil, dieser große Teil dieser Protestbewegung läuft hundertprozentig unabhängig von diesen Unternehmen."
Fouquet hofft am Samstag auf mehrere zehntausend Demoteilnehmer – auch über die deutschen Landesgrenzen hinaus. Sollte die Richtlinie angenommen werden, will Pascal Fouquet trotzdem weitermachen. Und sich dafür einsetzen, dass das Internet als Raum der Möglichkeiten möglichst wenig eingeschränkt wird.