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EU-Verteidigung
Der Abschied vom nationalstaatlichen "Luxus"

Europa muss sich mehr auf sich selbst verlassen - eine symbolische Aussage der Bundeskanzlerin nach dem letzten Treffen mit US-Präsident Trump. In den Schubladen der Europäischen Kommission liegen längst viele Pläne, um sich mehr auf sich selbst zu verlassen, unter anderem in Sachen Verteidigungspolitik. Heute werden die Ideen dafür in Brüssel vorgestellt.

Von Bettina Klein | 07.06.2017
    Flaggen vor dem Europäischen Parlaments in Brüssel, mit Blick von der Rue Wiertz.
    Die EU-Kommission stellt ihre Pläne für einen gemeinsamen europäischen Verteidigungsfond vor. (picture alliance / Daniel Kalker)
    Spätestens seit dem Krieg in der Ukraine war in Europa klar, dass es ganz ohne gemeinsame Verteidigungspolitik wohl auf Dauer nicht gehen würde. Weitere Faktoren kamen hinzu. Mit dem Brexit scheidet ein Land aus, das bisher am wenigstens bei einer Verteidigungsunion mitmachen wollte.
    Die Außenbeauftragte und Vizepräsidentin der Kommission Federica Mogherini in den Tagen um das Referendum in Großbritannien vor einem Jahr als sie bereits ihre globale Strategie für die Europäische Union vorlegte: "Die Existenz unserer Union steht in Frage. Doch unsere Bürger und die Welt brauchen eine starke EU mehr denn je. Die Krisen in und außerhalb unserer Grenzen beeinflussen das Leben unsere Bürger. Es ist keine Zeit für Unsicherheit, wir brauchen eine Strategie, eine gemeinsame Vision und gemeinsames Handeln."
    Jedes Jahr 25 Milliarden Euro Verschwendung
    Was vor einigen Jahren noch revolutionär klang und von einigen europäischen Staaten massiv erst eingefordert wurde, ist inzwischen auf dem Weg. In den vergangenen Monaten umso intensiver. Mit dem Trump-Faktor gibt es einen weiteren zumindest psychologischen, wenn nicht längst politischen Effekt. Bereits kurz nach dessen Wahl im November betonte Nato-Generalsekretär Stoltenberg, was er nicht zum ersten Mal sagte: Die Europäer müssten mehr für ihre eigene Verteidigung tun und mehr ausgeben.
    Doch das beinahe größere Problem ist die fehlende Abstimmung bei den Verteidigungsausgaben unter den EU-Staaten. Die Verschwendung beläuft sich laut einer Studie potentiell jährlich auf mindestens 25 Milliarden Euro - Geld das eingespart werden könnte, wenn die europäischen Länder zusammenarbeiten würden. Der CDU-Verteidigungspolitiker Michael Gahler aus der EVP-Fraktion des Europaparlamentes: "Da ist jetzt der Druck doch jetzt so hoch geworden auch politisch, dass wir uns diesen Luxus nebeneinander her zu planen und zu beschaffen, nicht zu schauen, was der andere einspart, dass wir uns den nicht mehr leisten können. Da ist die Kommission jetzt aktiv geworden und das begrüße ich."
    Gemeinsamer Verteidigungsfond
    So wird nun heute ein gemeinsamer europäischer Verteidigungsfond vorgestellt, der sich auf mehrere Milliarden Euro belaufen soll - gespeist aus den nationalen Verteidigungshaushalten. "Angedacht sind ja die Größenordnung 5 Milliarden pro Jahr. Das kommt aus den Mitgliedstaaten und die Kommission plant, um den Umfang der Kooperation zu vergrößern, das ein Stück zu versüßen, in dem sie 10, 15 bis zu 20 Prozent dann bei konkreten Projekten dazu gibt."
    Parallel dazu wird die Kommission ein Reflexionspapier vorlegen mit wiederum drei Szenarien, wie eine gemeinsame Verteidigungspolitik in Zukunft aussehen kann. Sie reichen von einer Fortführung der bisherigen Ansätze über eine verstärkte Kooperation, bis hin zu einer viel engeren Zusammenarbeit, auch mit der Nato und auch mit dem Aspekt der Abschreckung, wofür bisher die atlantische Allianz allein verantwortlich ist.
    Die Bedenken, hier könnte eine Parallelstruktur aufgebaut und dadurch das Nato-Bündnis im Ergebnis geschwächt werden, scheinen weitgehend ausgeräumt. Das Gegenteil ist richtig, sagt der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler. Es geht darum, den europäischen Pfeiler der Nato zu stärken. Ersetzen wird die Europäische Union eine Verteidigung durch USA und Nato auf absehbare Zeit jedoch nicht.