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EuGH-Urteil
Bei Flugverspätung zahlt die anbietende Airline

Der Europäische Gerichtshof hat ein verbraucherfreundliches Urteil gefällt. Bei stundenlanger Verspätung bekommen Passagiere eine Entschädigung von der Airline, bei der sie ihren Flug gebucht haben - auch wenn das Flugzeug samt Besatzung zu einer anderen Gesellschaft gehört.

Von Bettina Klein | 04.07.2018
    Erschöpfte Urlauber warten am Flughafen in Hannover (Niedersachsen), nachdem ihr Tuifly-Flug um 4.00 Uhr nach Antalya kurzfristig gestrichen wurde.
    Urlauber, die auf ihren verspäteten Flug warten - jetzt ist klar geregelt, wer für entstandene Schäden aufkommt (picture-alliance/ dpa/ Julian Stratenschulte)
    Nicht immer bemerkt man überhaupt, was vor sich geht. Eine Fluggesellschaft hat nicht genügend Flugzeuge parat – und leiht sich für bestimmte Flüge Maschinen von einer anderen Gesellschaft, komplett mit Besatzung. "Wet lease" wird das Geschäftsmodell genannt, sinnbildlich vergleichbar im Deutschen mit "Warmmiete", Nebenkosten inbegriffen. Aber nur ein vorübergehender Vertrag ist das, keine dauerhafte Kooperation. Wenn etwas schief geht, wenn die Maschine sich verspätet – wer ist dann verantwortlich?
    Im vorliegenden Fall hatte TUIfly eine Maschine bei Thomson Airways gemietet für einen Flug von Hamburg ins mexikanische Cancun. Der Flug hatte sich verspätet. Ein Passagier klagte auf Entschädigung gemäß der europäischen Verordnung über Fluggastrechte. Doch wer trägt die Verantwortung? TUI Fly, der Veranstalter oder Thomson Airways, deren Maschine tatsächlich geflogen ist?
    Bei "Code Sharing" ist die Rechtslage anders
    Der Europäische Gerichtshof stellte heute klar: Die Verantwortung liegt bei TUI fly. Denn diese Airline hatte die Entscheidung getroffen, einen bestimmten Flug durchzuführen und für den Luftverkehr anzubieten. Inclusive der Entscheidung ein Flugzeug dafür anzumieten. Somit trägt es auch die Verantwortung für eine etwaige Annullierung oder große Verspätung des Fluges.
    In diesem Sinne ist TUI Fly das "ausführende Luftfahrtunternehmen". Und nicht das Unternehmen Thomson Airways, das das Flugzeug samt Besatzung zur Verfügung gestellt hat . Das Landgericht Hamburg hatte den EuGH gebeten, den Begriff ausführendes Luftfahrtunternehmen für diesen Fall zu klären. Denn er war für diesen Fall juristisch strittig.
    In einem anderen Fall ist das Ganze jedoch völlig klar. Wenn nämlich Gesellschaften nach dem "Code Sharing" verfahren operieren. Wenn Lufthansa etwa auf der eigene Seite Flüge ausdrücklich mit dem Zusatz anbietet: "durchgeführt von KLM" oder Eurowings mit dem Zusatz "durchgeführt von Brussels Airlines". Auf dem Ticket erscheint dann der Code des durchführenden Unternehmens. Dieser Fall ist in der EU-Fluggastverordnung bereits geregelt. Der Schadensersatzanspruch geht an das durchführende Unternehmen.
    Leasing von Maschinen - nur noch in Ausnahmefällen
    Das Geschäftsmodell Leasing von Maschinen mitsamt Besatzung wird von TUIfly nach eigenen Angaben nur noch in Ausnahmesituationen verwendet, wenn eine eigene Maschine kurzfristig technisch nicht einsetzbar ist. Andererseits verleiht TUIfly seinerseits Maschinen etwa an Eurowings.
    Nach Angaben aus der Branche stehen insbesondere nach der Air Berlin Pleite bei anderen Gesellschaften noch immer nicht ausreichend eigene Flugzeuge zur Verfügung, um Routen zu übernehmen. Wenn sich Kunden nicht sicher sind sollten sie, Verbaucherschützern zufolge, im Zweifel bei beiden Fluggesellschaften Schadensersatz bei drastischen Verspätungen einfordern. Bis zu fünf Stunden müssen demnach allerdings in der Ferienzeit in Kauf genommen werden.