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EuGH zu Vorratsdatenspeicherung
Privatleben der Bürger bleibt geschützt

Der Europäische Gerichtshof hat die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in den Mitgliedsstaaten gekippt. Die Begründung: Sie lasse zu sehr auf das Privatleben der Bürger schließen. Deutschland muss nun sein Gesetz zur Datenvorratsspeicherung ändern.

Von Jörg Münchenberg | 21.12.2016
    Eine Frau schließt am 06.11.2015 in Norden (Niedersachsen) ein SATA-Kabel für die Datenübertragung an eine geöffnete Festplatte an.
    Datenschutzexperten freuen sich über das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung. (picture alliance / dpa / Matthias Balk)
    Der Europäische Gerichtshof ist seiner bisherigen Linie treu geblieben und hat heute eine allgemeine und anlasslose Vorratsdatenspeicherung in den Mitgliedsstaaten gekippt. Schon 2014 hatte der Gerichtshof die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt. Ausnahmen vom Schutz personenbezogenen Daten seien auf das absolut Notwendige zu beschränken, hieß es heute.
    Datenschutzexperten: Erfolg für Bürgerrechte
    Eine Regelung, die die anlasslose Speicherung von Nutzerdaten vorsieht, bei der es keinen Bezug zu einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit gibt, überschreite jedoch die Grenzen des Notwendigen. Von einem wichtigen Urteil sprach deshalb der Datenschutzexperte der Grünen im Europäischen Parlament, Jan Philipp Albrecht:
    "Der Europäische Gerichtshof sagt es klipp und klar: die ansatzlose Vorratsdatenspeicherung ist rechtswidrig. Das ist ein Erfolg für die Bürgerrechte. Die nationalen Gesetze zur anlasslosen Datenspeicherung in Schweden und Großbritannien verstoßen gegen EU-Recht".
    Denn nach schwedischem Recht sind Telekommunikationsanbieter dazu verpflichtet, systematisch und kontinuierlich und ohne jede Ausnahme Nutzerdaten zu speichern. Und zwar sämtliche Verkehrs- und Standortdaten. Nach dem Urteil des EuGH 2014 hatte das schwedische Telekommunikationsunternehmen Tele2 angekündigt, die Vorratsdatenspeicherung einzustellen. Deshalb hatte der zuständige Gerichtshof in Stockholm den EuGH zur Klärung dieser Frage angerufen.
    Grundrecht auf Achtung des Privatlebens werde verletzt
    In Großbritannien hatten wiederum Bürger gegen die britische Regelung über die Vorratsdatenspeicherung geklagt, die die Betreibergesellschaften dazu verpflichtet, sämtliche Kommunikationsdaten bis zu 12 Monate auf Vorrat zu speichern. Doch der EuGH hat heute betont, dass die anlasslose Vorratsdatenspeicherung sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Menschen zulasse und somit das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens verletzte.
    Allein bei der Bekämpfung schwerer Straftaten sind nach Meinung des EUGH weiterhin Ausnahmen zulässig. .Hier könne ein Eingriff in das Grundrecht mittels der gezielten Vorratsspeicherung von Daten gerechtfertigt werden. Allerdings, so die Luxemburger Richter, müsse die vorgesehene Vorratsdatenspeicherung auf das absolut Notwendige beschränkt werden. Jede nationale Gesetzgebung müsse deshalb klare und präzise Regelungen enthalten, um einen Missbrauch von Daten auszuschließen.
    Gericht muss Zugang zu Daten erlauben
    Außerdem dürften Behörden nur dann Zugang zu den auf Vorrat gespeicherten Daten erhalten, wenn dies zuvor von einem Gericht erlaubt worden ist. Das heutige Urteil habe auch Folgen für die deutsche Gesetzgebung zur Datenvorratsspeicherung, betonte Albrecht:
    "Die Bundesregierung muss die Datenvorratsspeicherung, so wie sie derzeit geregelt ist, jetzt ändern".
    Seit 2015 gilt in Deutschland eine überarbeitete Regelung zur Vorratsdatenspeicherung, nachdem ein früheres Gesetz vom Bundesverfassungsgericht gekippt worden war. Nach der neuen Regelung müssen Telekommunikationsunternehmen alle Telefon- und Internetverbindungsdaten ihrer Kunden 10 Wochen lang speichern.
    Für Standortdaten von Mobiltelefonen gelten verkürzte Aufbewahrungsfristen. Auch gegen dieses überarbeitete Gesetz haben Kritiker bereits in Karlsruhe Klage eingereicht.