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Euphorie aber auch Depression der Kulturschaffenden in den arabischen Ländern

Der arabische Frühling hat viele Veränderungen mit sich gebracht, Hoffnungen auf einen schnellen Wandel vielerorts enttäuscht. Im Goethe-Institut in Kairo diskutierten zwei Tage lang Aktivisten, Künstler und Politiker aus den nordafrikanischen und arabischen Umbruchsländern, was sie bewirken wollen und können.

Cornelia Wegerhoff im Gespräch mit Christoph Schmitz | 07.12.2011
    O-Ton Günter Hasenkamp: "Das Jahr 2011 ist ein ganz besonderes Jahr in der arabischen Welt, mit den Aufständen, mit den Revolutionen, und diese Entwicklungen haben enorme Auswirkungen auf den kulturellen Sektor. Die Kulturakteure selber sind treibende Kräfte in der Revolution gewesen. Jetzt aber gegen Ende des Jahres zeigt sich, dass wir im Grunde so was wie eine neue Zeit beginnen."

    Christoph Schmitz: Soweit der Programmleiter des Goethe-Instituts in Kairo, Günter Hasenkamp. - Sein Haus hat heute eine zweitägige Konferenz begonnen. Um die Veränderungsprozesse im südlichen, aber auch im nördlichen Mittelmeerraum soll es gehen, wo sich ja überall soziale Bewegungen gebildet haben. Heute ging es in erster Linie um die nordafrikanische Variante. Prominente Gäste aus einigen arabischen Ländern sind dabei.

    Cornelia Wegerhoff, Sie haben die Diskussionen verfolgt. Ein kleiner Kreis hat sich in Kairo versammelt, Schlüsselfiguren aus der Kulturpolitik. Wer hat sich wie zu Wort gemeldet?

    Cornelia Wegerhoff: Ja, die unterschiedlichsten Figuren. Manchmal waren es Kulturschaffende in direkter Form, sage ich mal so, also Theaterregisseure, Dramaturgen, Schriftsteller, aber auch solche Leute, die in Funktionen sind, zum Beispiel der Mann, der in Libyen im Nationalen Übergangsrat den Ministerposten für Kultur bekleidet hat, Atia Lawgali. Man muss nun sehen, ob er auch künftig der Kulturminister des Landes sein wird, im Augenblick ist es sozusagen ausgesetzt. Er ist auch ein Schriftsteller und er hat mir erzählt, dass es nicht einfach war, unter Gaddafi Schriftsteller zu sein. Er sagte, er hat vor allem Phänomene im Ausland beschrieben, die aber, hätte man genau gelesen zwischen den Zeilen, auch gut anzuwenden waren auf die libysche Situation. Also man musste geschickt sein vor diesen Revolutionen, bevor der Arabische Frühling begann. Und jetzt beschrieb er mir voller Euphorie und auch eben in diesem Forum die Begeisterung, diesen Enthusiasmus, mit dem die Kulturschaffenden vor allem in seiner Heimatstadt Bengasi - da hat er das ganz ausführlich beschrieben – wirklich sprühen vor Ideen und nun endlich alles rauslassen möchten, was so lange da sozusagen gedeckelt war. Er sagt, da werden im Zweifelsfall die Wände an den Straßenmauern angemalt, weil junge Leute einfach, ich sage mal flapsig, Bock darauf haben, richtig Spaß jetzt daran haben, sich in irgendeiner Form künstlerisch zu betätigen und damit auch politische Aussagen zu treffen.

    Schmitz: Also Begeisterung und Hoffnung ist Hauptmerkmal der Äußerungen der Vertreter aus diesen verschiedenen arabischen Frühlingsländern?

    Wegerhoff: Da muss man unterscheiden. Die Begeisterung klang aus Libyen zum Beispiel durch, aber in Ägypten ist die Begeisterung unglaublich gedämpft. Da herrscht jetzt eher Depression statt Revolution, wenn man mal so formulieren mag. Ich habe mit einer Filmregisseurin gesprochen, Viola Shafik, die gesagt hat, wir waren auch so begeistert, genauso euphorisch wie die Libyer, und dann kamen die Ereignisse, die im Frühling schon damit begannen, dass das Militär, die Militärregierung Protestierende auf dem Tahrir, die dann nachträglich noch protestiert haben und gesagt haben, wir wollen den Übergang, denkt daran, verhaftet hat. Es gab eine große Verhaftungswelle. Sie erinnern sich natürlich an die Ereignisse der letzten 14 Tage, wo es unmittelbar vor den ägyptischen Wahlen blutige Unruhen gab auf dem Tahrir-Platz mit über 40 Toten, und man ist nahezu geschockt und ist in einer Art Starre, wie diese Regisseurin erzählt hat. Aber trotzdem will man sich nicht demotivieren lassen.

    Eine andere Frau, eine Schauspielerin, die eine große Kunstaktion gestartet hat - einmal im Monat ist irgendwo in Ägypten (und wenn es nur in einem kleinen Dorf ist) ein großes Festival, ein Kunstfestival mit vielen politischen Aussagen auch, wie sie sagte -, die sagte, wir dürfen uns nicht stoppen lassen von diesen vielen schlimmen Rückschlägen, wir wollen uns auch nicht beeindrucken lassen davon, dass die ersten Wahlergebnisse der ja mehrstufigen Wahlen, Parlamentswahlen in Ägypten, schon gezeigt haben, die Islamisten werden hier wohl demnächst ein Großteil der Macht übernehmen, das soll uns alles nicht beeinflussen, wir haben die Revolution gemacht, wir waren ein wichtiger Teil der Revolution als Kulturschaffende und wir werden weiter an dieser Revolution arbeiten, die ist noch nicht beendet. Also Sie merken schon: ganz unterschiedliche Stimmung.

    Und am faszinierendsten war es zu sehen, wie eine junge Frau aus Syrien sich geäußert hat, Ranah Yersagi, eine Theaterdramaturgin, die ganz vorsichtig und leise sich zu Wort meldete und beschrieb, dass sie versuchten, eine unabhängige, also vom Staat unabhängige Kulturinstitution zu gründen. Das würde nicht davon ablenken sollen, dass auf der Straße der Protest stattfindet, aber sie sagt, man kann auch im Haus, sozusagen in geschlossenen Räumen, da wo Kultur stattfindet, Protest artikulieren. Und die Art und Weise, wie sie sich hier in Kairo artikuliert hat, ganz leise, ganz vorsichtig und behutsam, lässt darauf deuten, dass man in Syrien noch lange nicht so weit ist, dass man ganz offen darüber sprechen kann.

    Schmitz: Wurden denn auch Erwartungen der arabischen Welt an Europa formuliert?

    Wegerhoff: So unmittelbar formuliert gehört habe ich das nicht, dass die Leute sagen, jetzt helft uns mal dabei, weil man sitzt da natürlich auch im Goethe-Institut, das jetzt über die vergangenen Monate wirklich bewiesen hat, dass man gerne unterstützen möchte. Es haben wirklich auch während der Unruhen Filmfestivals stattgefunden, man hat gesagt, wir lassen uns auch nicht unterkriegen oder schocken, wir setzen einfach ein Zeichen gegen die Unruhen, die es hier gibt, und die vielen Schwankungen innerhalb der letzten Monate. Aber es wurde deutlich gezeigt: Wir geben ihnen Raum zum Diskutieren, eben anhand dieses Forums. Im Goethe-Institut gibt es eine sogenannte Tahrir-Launch, da können sich Vereinigungen, Kulturgruppen aller Art treffen, und man will auf diese Art und Weise den Bewegungen der arabischen Frühlinge und die Kultur unterstützen.

    Schmitz: Cornelia Wegerhoff, vielen Dank für diesen Bericht aus Kairo über ein Kultur- und Politikforum im Goethe-Institut vor Ort.

    Kairo: Forum zu Kultur und Politik