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"Euro-Bonds wären genau der falsche Weg"

Laut Klaus-Peter Willsch würden die Einführung von Euro-Bonds eine Mehrbelastung Deutschlands von 40 Milliarden im Jahr bedeuten. Darüber hinaus würde die Ausgabe von gemeinsamen Anleihen den Druck auf die Schuldenländer mindern, besser zu wirtschaften.

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 17.08.2011
    Dirk-Oliver Heckmann: Wie kommt Europa endlich aus der Krise – mit immer neuen Rettungspaketen für immer mehr Euroländer? Oder führt doch kein Weg vorbei an den sogenannten Euro-Bonds, also europaweiten Anleihen, auf die alle Mitglieder der Eurozone zugreifen können und für die ein gemeinsamer Zinssatz gelten würde? Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy einigten sich gestern auf andere Maßnahmen. Sie setzen sich ein für eine echte Wirtschaftsregierung unter EU-Präsident Herman Van Rompuy, für eine Schuldenbremse in allen Euroländern und für eine sogenannte Finanztransaktionssteuer, also eine Steuer auf sämtliche Bewegungen am Kapitalmarkt. Dazu begrüße ich live aus Moskau zugeschaltet telefonisch Klaus-Peter Willsch, CDU-Mitglied im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags. Guten Morgen!

    Klaus-Peter Willsch: Morgen, Herr Heckmann!

    Heckmann: Herr Willsch, "Spiegel online" titelt mit den Worten: "Große Worte, kleine Taten", denn in der Tat: Die Wirtschaftsregierung – diese Forderung lag ja schon länger auf dem Tisch. Die Schuldenbremse in sämtlichen Ländern steht in den Sternen, und die Finanztransaktionssteuer, die ist reine Theorie nach wie vor, solange Großbritannien beispielsweise nicht mitzieht.

    Willsch: Ja, das kann man schon so sagen. Nun muss man auch sagen: Man kann ja nicht jeden Tag was Neues erfinden, und es ist ein großes Paket, dennoch in ... ja, vor der parlamentarischen Befassung. Wir werden also im September uns mit Griechenland 2 und ESFS plus und dem Sixpack, also einem ganzen Bündel an Gesetzgebung befassen müssen, und es muss schon noch so hier vorgegangen werden, dass das Parlament auch die erforderlichen Beschlüsse zunächst mal fassen kann, bevor neue Maßnahmen überlegt werden.

    Heckmann: Aber sind die Maßnahmen, auf die man sich jetzt verständigt hat offenbar zwischen Deutschland und Frankreich, sind die aus Ihrer Sicht adäquat?

    Willsch: Sehr gut ist, dass Euro-Bonds vom Tisch sind. Euro-Bonds wären genau der falsche Weg. Das funktioniert ja so, dass gute und schlechte Schuldner zusammengeworfen werden und sich dadurch dann ein Durchschnittszins ergibt. Das würde für Deutschland nach Berechnungen des Ifo-Instituts in München bedeuten, dass wir etwa zwei Prozentpunkte mehr für unsere Schulden bezahlen müssten, das sind bei zwei Billionen Schulden im Gesamtstaat 40 Milliarden im Jahr. Das können wir uns schlicht nicht leisten. Und es ist auch falsch, weil es den Druck in den Ländern, die schlecht wirtschaften, mindert, endlich zu gesunden Strukturen zu kommen.

    Heckmann: Man muss sagen, die Forderung nach Euro-Bonds ist zumindest vorerst vom Tisch, denn Sarkozy hat ja gesagt, am Ende einer Reformphase kann man sich das durchaus vorstellen, und Angela Merkel hat gestern auch gesagt, in der jetzigen Krise wären Euro-Bonds nicht hilfreich. Wie stark trauen Sie dieser Versicherung, dass es nicht zu Euro-Bonds kommen wird?

    Willsch: Na, ich nehme die Bundeskanzlerin da beim Wort. Das muss verhindert werden, Euro-Bonds müssen verhindert werden im deutschen Interesse, und auch im europäischen Interesse, denn wir können ja nicht ewig weitermachen mit einer Politik, dass einige, die relativ ordentlich wirtschaften, dann geradestehen für die Schuld all derer, die nicht ordentlich in ihren nationalen Haushalten wirtschaften.

    Heckmann: Sie nehmen die Bundeskanzlerin beim Wort, sagen Sie. Da schimmert so ein bisschen Misstrauen durch.

    Willsch: Ja, ich bin einigermaßen beruhigt gewesen, als ich die Nachrichten gehört habe aus Paris, weil das nicht immer ganz billig war, wenn man dort zusammengetroffen ist. Das scheint dieses Mal verhindert worden zu sein. Ich habe natürlich außer Agenturmeldungen und den offiziellen Verlautbarungen noch keine weiteren Details, aber wir werden ja in der nächsten Woche am Dienstag im Rahmen einer Fraktionssitzung darüber diskutieren können.

    Heckmann: Es gab ja schon im Vorfeld mehrere Stimmen auch aus der Union, die sich da offenbar, was Euro-Bonds angeht, offener zeigten. Der Parlamentarische Geschäftsführer Altmaier, der hat zwar gesagt, zum jetzigen Zeitpunkt falsch, aber man solle auch nicht auf Prinzipien herumreiten. Johann Wadephul von der CDU hat gesagt, er sehe nicht, dass das ein Teufelszeug sei, und Elmar Brok auch, Ihr Parteifreund sprach von einer denkbaren Möglichkeit. Wie sicher sind Sie denn, dass am Ende der Euro-Bond nicht kommt?

    Willsch: Also ich kämpfe intensiv dafür, dass er nicht kommt, denn man muss auch ein bisschen aufpassen: Es hat ja nichts mit Prinzipienreiterei zu tun, es hat was mit Grundsatzfestigkeit zu tun und ökonomischer Vernunft. Und insofern darf man sich nicht an diesem Stakkato beteiligen der täglich neuen Maßnahmen und Ideen. Es muss erst mal deutlich werden, dass wir das Prinzip, dass ein jeder für seine Schulden selbst aufkommen muss, aufrecht erhalten, und dass wir Europa nicht umbauen wollen zu einer Transferunion. Wir haben in dem normalen Geschäft der Europäischen Union eine Vielzahl von Maßnahmen, die dazu dienen, wirtschaftlich schwächere Regionen heranzuführen, Strukturfonds, Agrarfonds, Regionalfonds und was es dort alles für Instrumente gibt. Hieraus sind auch umfangreiche, milliardenschwere Zahlungen an Länder der Peripherie geflossen, dazu gab es sozusagen gratis obendrauf zehn Jahre lang Zinsverbilligung dadurch, dass Griechenland, Italien, Spanien sich zu Zinssätzen refinanzieren konnten, von denen sie früher nur geträumt haben.

    Heckmann: Und die EZB kauft jetzt staatliche Anleihen auf aus Spanien beispielsweise, Italien, ohne dass irgendwelche Bedingungen gestellt werden. Wir sind also eigentlich schon mittendrin in der Transferunion, die Sie verhindern wollen, und Finanzexperten wie Thomas Straubhaar vom hamburgischen Weltwirtschaftsarchiv sagt, die Euro-Bonds, die wären letztlich billiger.

    Willsch: Also bei allem Respekt vor der Unabhängigkeit der Zentralbank: Das kritisiere ich ausdrücklich, was hier geschieht, und da muss die EZB schnell mit aufhören. Da halte ich mit unseren Vertretern, mit der Bundesbank, die ja wohl auch nach allem, was man hört, sich gegen diesen Aufkauf von Staatsanleihen gewendet hat in entscheidenden Sitzungen des Kuratoriums: Was dort stattfindet, ist Finanzierung von Staatskrediten durch die Notenpresse, und das ist falsch. Das führt zu einer Destabilisierung der Währung, das führt langfristig eindeutig zu Inflation, und das ist das, was wir nicht brauchen in Europa. Wir brauchen ein gesundes Wachstum auf gesunden Strukturen mit einer Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten im Euroraum.

    Heckmann: Finanzminister Wolfgang Schäuble hat ja gesagt im "Spiegel", Euro-Bonds seien so lange kein Thema, wie es keine gemeinsame Finanzpolitik gebe. Würden Sie denn da mitgehen, wenn man sich auf den Weg machen würde auf eine gemeinsame Finanzpolitik? Denn das wäre ja eine Gelegenheit, einen Geburtsfehler der Währungsunion auszumerzen, dass man nämlich gemeinsames Geld hat, aber keine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik.

    Willsch: Das ist ja nicht der einzige Fehler. Der Hauptfehler ist, dass die Annahme, die man hatte, dass sich durch die Einführung einer gemeinsamen Währung die Volkswirtschaften in ihrer Leistungsfähigkeit einander annähern würden, die schlechteren also aufholen, die hat sich nicht bewahrheitet. Und deshalb müssen wir da glaube ich viel grundlegender drüber nachdenken: Ist der Euroraum richtig geschnitten, der Währungsraum? Strangulieren wir mit dem starken Euro nicht Länder, die eben eine schwache Wettbewerbsfähigkeit haben, und sollten wir da nicht über einen Neuzuschnitt des Euroraums nachdenken? Das wäre für mich ökonomisch naheliegender, und deshalb führe ich die Diskussion auch in diese Richtung.

    Heckmann: Die Bundesregierung möchte gerne, dass der Bundestag bis zum 23. September beschließt. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat schon gesagt, das wäre sehr schwer, diesen Zeitplan einzuhalten. Sehen Sie das auch so, und würden Sie die Forderung Ihres Kollegen Philipp Mißfelder unterstützen, einen Sonderparteitag einzuberufen?

    Willsch: Ja, mein eigener Kreisverband Rheingau-Taunus hat die Einberufung eines Sonderparteitages gefordert. Es hat keinen Sinn, im November über das Thema zu reden, wenn der Zeitplan der Regierung eingehalten werden sollte, denn dann ist die Messe gelesen, dann sind wir in der Transferunion, wenn all das umgesetzt wird, was auf dem Tisch liegt. Wobei, auf dem Tisch liegt ja eigentlich noch gar nichts, wir haben noch kein Stück Papier, was zu beschließen ist. Insoweit bin ich auch Bundestagspräsident Lammert hier dankbar, dass er das laut angesprochen hat, denn es kann nicht so sein, dass das Parlament hier zum reinen Abnickverein wird. Wir müssen qualifiziert beraten können, dazu gehört Anhörung von Experten – wir leisten uns einen Haufen wirtschaftspolitische Institute, die wir fördern als Bundesrepublik Deutschland, und dann sollten wir die Expertise von dort auch einholen und uns Zeit dafür nehmen, diese grundlegenden Änderungen im Euroraum ausreichend zu diskutieren.

    Heckmann: Der CDU-Haushaltspolitiker Klaus-Peter Willsch war das, live aus Moskau, auch da hatten wir ein wenig Pech mit der Leitung, das bitten wir zu entschuldigen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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