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"Eurobonds sind der grundsätzlich falsche Weg"

Der bayerische Finanzminister Markus Söder hat Vorschläge zur Einführung gemeinsamer europäischer Anleihen als grundfalsch zurückgewiesen. Eurobonds, egal in welcher Form, gingen immer zulasten Deutschlands, sagte der CSU-Politiker. Nötig seien vielmehr Sanktionen gegen Länder, die ihre Verpflichtungen nicht erfüllten.

Markus Söder im Gespräch mit Silvia Engels | 24.11.2011
    Silvia Engels: Am Telefon begrüße ich Markus Söder (CSU), er ist seit einigen Wochen bayrischer Finanzminister. Guten Morgen, Herr Söder.

    Markus Söder: Guten Morgen, grüß Gott!

    Engels: Herr Schäuble lässt es gerade noch einmal anklingen. Wenn die europäischen Verträge so geändert werden, dass die Nationalstaaten gezwungen werden, mehr Haushaltsdisziplin zu üben, dann kann es vielleicht auch Eurobonds geben. Gehen Sie mit?

    Söder: Eurobonds sind der grundsätzlich falsche Weg, egal in welcher Form - aus dem ganz einfachen Prinzip: Am Ende ist Deutschland das einzige Land, das quasi die Schulden der anderen mitfinanzieren muss. Wir haben ja keine Eurokrise, wir haben eine Staatsschuldenkrise. Deswegen sind die Probleme nicht von Deutschland aus zu lösen, sondern in den Staaten selbst. Wir haben jetzt lauter neue Regierungen, die sich etablieren. Die müssen jetzt glaubhaft nicht nur Beschlüsse fassen, sondern die auch umsetzen. Nur so kann das Vertrauen an den Finanzmärkten wieder zurückgewonnen werden, jedenfalls nicht dadurch, dass Deutschland für alle anderen zahlt.

    Engels: Wenn ich Sie richtig verstehe, gibt es keinerlei Bedingungen, unter denen Sie sich Eurobonds vorstellen können?

    Söder: Ob Eurobonds in einer, zwei, drei, vier verschiedenen Varianten, egal wie man das probiert, Eurobonds sind keine seriöse Basis für eine Finanzierung in Europa. Sie gehen immer zulasten Deutschlands am Ende. Man muss sich das vorstellen: gesamtschuldnerische Haftung am Ende. Sie können davon ausgehen, dass in den Ländern die Reformbemühungen sofort nachlassen werden, wenn klar ist, dass quasi andere für die Schulden aufkommen. Deswegen hat das auch eine völlig falsche Signalwirkung für die Reformbemühungen in den Ländern.

    Engels: Sollte also die Bundeskanzlerin in irgendeiner Form bei Eurobonds nachgeben, entzieht die CSU ihr die Gefolgschaft?

    Söder: Die Bundeskanzlerin hat ja immer klar gemacht, dass sie Eurobonds in jeder Form ablehnt. Es kommt jetzt eher darauf an, klar zu machen, dass wir auch ein Sanktionsregime brauchen in Europa gegenüber den Ländern, die nicht die entsprechenden Vorgaben erfüllen, die sie selber eingegangen sind. Das ist jetzt die zentrale Herausforderung und darüber wird ja zum Beispiel auch mit Italien heute geredet.

    Engels: Die Bundeskanzlerin hat aber auch gesagt, scheitert der Euro, scheitert Europa. Das heißt, sie lässt sich in die Pflicht nehmen, wenn es gar keinen Ausweg mehr gibt. Das haben auch die letzten Monate bewiesen. Können Sie da wirklich so kategorisch sagen, dass es Eurobonds nicht geben wird, wenn die Alternative wäre, dass sonst die Währungsunion auseinanderbricht?

    Söder: Es gibt ja nicht die Alternative Eurobonds oder Europa geht kaputt. Das hat ja auch die Kanzlerin nie gesagt. Eurobonds ist jetzt ein Vorschlag der Kommission, wieder einmal eine schnelle kurzfristige Lösung zu haben. Das wird aber nicht funktionieren. Wir brauchen eine langfristige und nachhaltige Stabilisierung des Vertrauens der Finanzmärkte in den Euro. Die wird übrigens mit einem Eurobond nie passieren. Das ist wieder so eine kurzfristige Variante, die wirkt vielleicht etwas beruhigend, aber sie wirkt nicht heilend auf Dauer. Deswegen braucht man eine nachhaltige Lösung. Die kann nur sein, wenn die einzelnen Länder selber ihre Schuldenprobleme in den Griff bekommen.

    Engels: Sie wischen die kurzfristige Lösung vom Tisch. Aber mittel- und langfristig sind sich ja alle einig, dass man mehr konsolidieren muss, dass man sparen muss. Was tut man aber, wenn man kurzfristig eben keine Zeit mehr hat und möglicherweise die Finanzierung über den Eurorettungsfonds, die man ja eigentlich nutzen wollte, nicht so klappt, weil die Investoren da nicht so mitspielen?

    Söder: Das mangelnde Vertrauen der Investoren liegt ja nicht daran, dass sie den Rettungsschirm bezweifeln, sondern sie bezweifeln letztlich die langfristige Wirkung. Sie sind zurückhaltend, weil sie nicht sicher sind, ob die Staaten die Versprechen, ihre Probleme in den Griff zu kriegen, auch tatsächlich in der Lage sind, dies umzusetzen. Wir haben ja in den letzten Wochen nun auch eine Reihe von Regierungen gehabt, die darüber gepurzelt sind, und jetzt müssen diese neuen Regierungen - letztlich auch nur die können das - dieses Vertrauen nachhaltig stabilisieren. Um das geht es. Es geht um nachhaltige Stabilisierung und nicht nur um kurzfristige Wirkungen.

    Engels: Vertrauen der Anleger ist ein gutes Stichwort. Wir haben gerade noch mal Wolfgang Schäuble gehört. Er sprach in anderem Zusammenhang von einem Käuferstreik der Anleger. So etwas Ähnliches scheint aber gestern auch bei der Platzierung von Bundesanleihen passiert zu sein, denn der Zinssatz war niedrig, es ist trotzdem oder es ist vielleicht auch deshalb nicht gelungen, diese Anleihen alle los zu werden, um sich damit neu zu finanzieren. Ist das ein Alarmsignal?

    Söder: Man muss das noch mal genau beobachten und bewerten, ob das jetzt nur gestern war oder ob sich das auf die Dauer auswirkt. Fakt ist, dass die deutschen Staatsanleihen mit die besten der Welt sind, die solidesten, die stabilsten. Aber es gibt insgesamt keinen Boom auf Staatsanleihen weltweit. Das muss man einfach sehen. Deswegen ist es umgekehrt auch genauso wichtig, nicht als Alternative für solide Staatsanleihen jetzt Eurobonds zu setzen, denn die würden nämlich das Problem nicht lösen, sondern eher verschärfen.

    Engels: Aber wäre es dann nicht doch eine Möglichkeit, zumindest wo vielleicht die Staatsanleihen ohnehin nicht mehr so attraktiv sind, zumindest den Spekulationsrahmen zwischen den verschiedenen Zinshöhen noch einmal einzudämmen?

    Söder: Also wenn wir besorgt sind und sagen, wir wollen Staatsanleihen generell stärken, und wir sogar sagen, dass die hoch validen Staatsanleihen um die Akzeptanz der Märkte ringen müssen, dann kann nicht die Alternative sein, jetzt dann plötzlich in irgendwelcher Form auf Eurobonds zu setzen. Die wären eine weitere Verwässerung und ein weiteres Signal, dass es Europa nicht sehr ernst ist mit einer soliden Finanzpolitik.

    Engels: Herr Söder, dann halten wir fest: Sie wollen keine Eurobonds, Sie setzen auf mittelfristige Lösungen. EFSF scheint nicht zu klappen. Wenn kurzfristig die Schuldenlage zu eskalieren droht, muss dann die Europäische Zentralbank noch weiter als bisher einspringen und unbegrenzt europäische Staatstitel kaufen?

    Söder: Auch das ist ein klares Signal der Märkte, dass sie das nicht respektieren würden. Wenn die EZB auf Dauer sich nur dadurch auszeichnet, dass sie wacklige Staatsanleihen hortet, dann wird der Grundsatz, dass sie europäische, ja geradezu deutsche Stabilitätskultur in Europa repräsentieren soll, natürlich nicht erfüllt werden. Es gibt da nicht immer nur eine Schwarz-Weiß-Lösung, aber man muss die Entwicklung da schon mit Sorge beobachten.

    Engels: Mit Sorge beobachten, aber was tun Sie kurzfristig? Die Frage ist ja noch nicht vom Tisch, denn derzeit ist in der Tat mittelfristig durchaus Bereitschaft da, sich zu reformieren, aber kurzfristig bleibt doch kaum noch etwas im Köcher, was die europäischen Staaten tun können.

    Söder: Wolfgang Schäuble hat es ja angesprochen: Es müssen die Verträge weiterentwickelt werden. Das ist das Entscheidende. Man kann ja schlecht von Woche zu Woche sagen, wir müssen kurzfristig entscheiden, und mittel- und langfristig müssen wir noch mal überlegen. Dieser Prozess geht übrigens schon seit Monaten. Und jede kurzfristige Entscheidung hat keine langfristige Wirkung gehabt. Deswegen ist es jetzt wichtig, eine nachhaltige Entscheidung zu treffen, die etwas länger wirkt. Denn wenn von Woche zu Woche quasi ein Krisengipfel den anderen jagt, dann wird es keine Stabilisierung des Vertrauens an den Märkten geben, denn das ist ja die entscheidende Herausforderung. Es geht nicht um eine einzelne Zahlenfrage, es geht um das grundsätzliche Misstrauen der Märkte gegenüber diesen Fragen, die wir in Europa haben.

    Engels: Aber Vertragsänderungen sind derzeit gar nicht mehrheitsfähig. Zudem brauchen sie auch Zeit. Wenn dagegen aber kurzfristig Italien und gegebenenfalls Frankreich ihrer Schuldenlast nicht Herr werden, dann ist der Euro in seiner Substanz bedroht. Und dann?

    Söder: Ja das ist genau die Herausforderung, vor der alle stehen, hier nicht nur Deutschland, sondern alle. Deswegen gehe ich auch davon aus, dass sich was bewegt. Im Übrigen kann man ja gerade an Italien erkennen: Ein Staatschef wie Berlusconi, der 14 Jahre lang so ziemlich jede Herausforderung überstanden hat, im eigenen Land wie im Ausland, musste letztlich aufgrund dieser großen Schwäche beim Euro kapitulieren. Das zeigt übrigens, wie groß der Druck ist in allen Staaten.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.