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Europa-Abgeordneter David McAllister
"Ich wünsche mir mehr Zusammenarbeit"

Vor dem Hintergrund der neuen amerikanischen Politik unter Präsident Donald Trump hat der Europa-Abgeordnete David McAllister zu mehr Zusammenarbeit innerhalb der EU aufgerufen. "Ich werbe dafür, dass es eine neue Initiative gibt, um die europäische Zusammenarbeit zu stärken", sagte McAllister im Deutschlandfunk.

David McAllister im Gespräch mit Sandra Schulz | 30.05.2017
    David McAllister in München mit Anzug und Krawatte
    David McAllister sieht die EU in diesen Zeiten vor enormen Herausforderungen. (dpa/ Tobias Hase)
    Sandra Schulz: Von konsterniert bis verstört, von amüsiert, wenn wir an den französischen Präsidenten Macron in Brüssel denken, bis ungläubig und entsetzt – bei seinen Auftritten in Europa, beim NATO-Treffen in Brüssel und dem G7-Gipfel auf Sizilien, da hat US-Präsident Donald Trump bei seinen Partnern emotional wirklich viele Seiten zum Klingen gebracht. Um ihre Gefühle zu artikulieren, da hat Kanzlerin Angela Merkel dann ungefähr einen Tag gebraucht und ein Bierzelt. Sie hat die Europäer zu mehr Eigenständigkeit aufgefordert und festgestellt: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die seien ein Stück vorbei", was sie sicherheitshalber gestern dann auch noch mal gesagt hat.
    Mitgehört hat der CDU-Politiker David McAllister, im Europäischen Parlament Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Schönen guten Morgen.
    David McAllister: Schönen guten Morgen aus Brüssel.
    Schulz: Eine Kanzlerin Angela Merkel, die berühmt und bekannt ist für ihre sonst fast schon aufreizende Diplomatie, die geht jetzt rhetorisch so in die Vollen. Warum?
    Wichtigster Partner und Verbündeter
    McAllister: Die Bundeskanzlerin hat vollkommen Recht, wenn sie uns als Europäische Union auffordert, jetzt in wesentlichen Fragen enger zusammenzuarbeiten. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind und bleiben unser wichtigster Partner und Verbündeter außerhalb unseres Kontinents. Aber es gibt erkennbar einige Meinungsverschiedenheiten zwischen uns Europäern und den Amerikanern und darauf gilt es, als Europäer jetzt selbstbewusst, geschlossen und entschlossen aufzutreten.
    Schulz: Weil wir jetzt über so viele Stilfragen gesprochen haben – diese Form, die wir jetzt gesehen haben, dieses Hinterherrufen aus dem Bierzelt quasi mit dem Bierglas in der Hand, fanden Sie das denn stilsicher?
    McAllister: Ich fand in jedem Fall den Auftritt von Herrn Trump sowohl in Brüssel wie auch Sizilien, um es diplomatisch auszudrücken, in Teilen irritierend. Natürlich ist er wie er ist. Aber er hat mit seiner unversöhnlichen Haltung zur Klimapolitik, zur Flüchtlings- und Handelspolitik sein Land politisch isoliert, und darauf muss jetzt eine Antwort gefunden werden. Denn der amerikanische Führungsanspruch setzt auch die Bereitschaft zur Verantwortung voraus und leider bleibt Washington einige konstruktive Antworten momentan schuldig und das hat die Bundeskanzlerin bei einem Auftritt in Bayern zurecht thematisiert.
    "Klimaschutzabkommen war eine historische Zeitenwende"
    Schulz: Aber was genau war denn jetzt so überraschend an dem Auftritt von Donald Trump? Er hat damit Wahlkampf gemacht. Er hat seinen Wählern versprochen, dass er, wenn er gewählt wird, einen Wandel in der US-Klimapolitik bringt, und genau das gleiche gilt für sein Versprechen, die US-Interessen (und da sind wir beim Thema Verteidigungsausgaben) an die oberste Stelle zu bringen. Was genau war da jetzt so schockierend oder überraschend dran?
    McAllister: Weil seit dem Wahlkampf in Amerika ja viel auch mit der amerikanischen Seite gesprochen worden ist. Und ich bedauere außerordentlich, dass es keine Einigung gegeben hat zur Bewältigung des Klimawandels in Sizilien. Nun müssen wir natürlich noch die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten diese Woche abwarten, aber ich hoffe sehr, dass er beachtet, dass dieses Pariser Klimaschutzabkommen eine historische Zeitenwende war, dass zum ersten Mal die Staatengemeinschaft sich international verpflichtet, gegen den Klimawandel anzugehen, und ohne amerikanische Beteiligung macht das natürlich sehr viel weniger Sinn. Das ist schon eine große Enttäuschung gewesen.
    Und in Fragen der Verteidigungspolitik gilt in der Tat das Zwei-Prozent-Ziel, was auf dem NATO-Gipfel 2014 vereinbart wurde. Aber es geht dabei nicht nur um die Frage, wieviel ausgegeben wird, sondern auch, wie es ausgegeben wird, und da hat die Bundeskanzlerin zurecht darauf hingewiesen, dass es nicht nur darum geht zu schauen, wieviel Deutschland finanziell zusätzlich für Verteidigung ausgibt, was sinnvoll und richtig ist, sondern dass man auch schaut, welche anderen Beiträge Mitgliedsstaaten wie Deutschland leisten, welche Fähigkeiten sie einbringen, welche konkreten Beiträge sie liefern.
    Gespräch mit fünf amerikanischen Senatoren
    Schulz: Herr McAllister, das kann man so entspannt aber nur sehen, solange man die Militärmacht USA noch als Partner an der Seite hat, oder vielleicht sogar im Rücken. Jetzt hat Angela Merkel diesen Satz wiederholt, den sie schon mal gesagt hat, der aber ja absolut erklärungsbedürftig ist, nämlich dass die Europäer ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen müssen. Was wird das kosten?
    McAllister: Erstens: Die Vereinigten Staaten von Amerika bleiben für unsere europäische Sicherheit ein absolut notwendiger und zugleich hoffentlich auch zuverlässiger Partner. Ich habe gestern mit fünf amerikanischen Senatoren, alle Republikaner, in Brüssel gesprochen und da gab es auch noch mal im persönlichen Gespräch ein klares Bekenntnis zur NATO, auch ein klares Bekenntnis zur Bündnisverpflichtung in Artikel fünf.
    Und wichtig ist, dass wir jetzt alle Gesprächskanäle zu unseren Partnern in den USA auf allen Ebenen offenhalten und auf allen Ebenen auch für eine enge Zusammenarbeit werben, denn es gibt ja auch viele amerikanische Politiker, die bezweifeln, dass Trumps Alleingänge Amerika wirklich groß oder besser macht. Und wenn es darum geht, dass wir einen höheren eigenen Beitrag als Europäer für unsere Sicherheit leisten müssen, dann bedeutet das natürlich auch, dass wir zusätzliches Geld in die Hand nehmen müssen.
    Ich bin dafür, dass wir den europäischen Pfeiler innerhalb der NATO stärken, dass wir aber gleichzeitig uns auch darüber im Klaren sind, dass es auf Dauer keinen Sinn macht, dass wir in der EU beispielsweise 28 Mitgliedsstaaten mit 28 Armeen haben, die alle militärischen Fähigkeiten versuchen, aufrecht zu erhalten, sondern es gilt, jetzt auch konkret in der Europäischen Union und innerhalb des europäischen Pfeilers in der NATO enger zusammenzuarbeiten, um auch verantwortungsbewusst mit dem Geld der Steuerzahler umzugehen.
    "Wir stehen vor enormen Herausforderungen"
    Schulz: Jetzt hören wir aber gerade bei diesem Punkt von mehr Eigenständigkeit. Wie will Europa das dann in dem Zustand, den wir jetzt sehen im Jahr 2017, tief zerstritten bei unzähligen Sachfragen und mit dem Brexit möglicherweise sogar vom Zerfall bedroht oder zumindest von einem Schrumpfungsprozess, wie soll Europa diesen Schritt zu mehr Eigenständigkeit gehen?
    McAllister: Unbestritten geht die Europäische Union seit längerer Zeit durch schwierige Zeiten und wir stehen vor enormen Herausforderungen. Aber vielleicht ist diese neue amerikanische Politik auch ein Weckruf für uns in Europa, dass wir jetzt merken, wie es die Bundeskanzlerin zurecht betont hat, dass wir unser Schicksal mehr in die eigene Hand nehmen müssen. Ich werbe dafür, dass es eine neue Initiative gibt, um die europäische Zusammenarbeit zu stärken.
    Schulz: Aber, Herr McAllister, jetzt sagen Sie uns doch mal, was dafür spricht, dass es so auch kommt. Genau diese Rufe nach mehr Eigenständigkeit, die haben wir nahezu wortgleich gehört unter einem US-Präsidenten George W. Bush. Es war dann doch zu bequem, sich da wirklich aufzumachen?
    "Nicht mehr so weitermachen wie bislang"
    McAllister: Umso wichtiger ist es, weil wir momentan Meinungsverschiedenheiten in so wichtigen Fragen wie Klimapolitik, Handelspolitik und Migrationspolitik haben, dass wir enger zusammenarbeiten, dass wir den Binnenmarkt weiter stärken, dass wir die Energieunion weiter vorantreiben, dass wir auch deutlich machen, dass wir als Europäer in der Handelspolitik eine echte Weltmacht sind, wenn wir zusammenstehen, dass wir in diesem Jahr auch Freihandelsabkommen mit Ländern wie Japan oder Mexiko abschließen und den Amerikanern auch deutlich machen, wenn sie sich vom internationalen System abwenden, was wir bedauern, dass wir uns dann selbst darum kümmern, auch mit anderen Partnern in einer globalisierten Welt unsere Handelsstandards zu setzen.
    Ich wünsche mir mehr Zusammenarbeit wie bereits betont in der europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, oder auch im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Das muss die klare Botschaft an alle Staats- und Regierungschefs in Europa sein, dass wir nicht mehr so weitermachen können wie bislang. Wir müssen jetzt unsere Meinungsverschiedenheiten überbrücken, denn gemeinsam sind wir in Europa stärker.
    Schulz: David McAllister, jetzt haben wir nicht mehr viel Zeit. Aber Sie waren jetzt überhaupt nicht konkret. Das sind alles Visionen, die Sie uns schildern. Sagen Sie uns ein konkretes Ziel: Was muss in den nächsten drei Monaten passieren?
    Beschlüsse Stück für Stück umsetzen
    McAllister: Es geht nicht darum, was in den nächsten drei Monaten passiert.
    Schulz: Das war aber meine Frage.
    McAllister: Seit der Erklärung von Rom sind die Zielvorgaben formuliert. Ich wünsche mir konkret, dass die Beschlüsse des europäischen Rates beispielsweise zur Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, zur engeren Zusammenarbeit in der Rüstungsforschung, in der Rüstungsbeschaffung, im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, dass das jetzt Stück für Stück umgesetzt wird, und dabei geht es nicht nur um drei Monate, sondern da geht es um mehrere Jahre.
    Schulz: David McAllister von der CDU, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament und heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Haben Sie ganz herzlichen Dank für das Interview.
    McAllister: Ja, ich danke Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.