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Europa
EU-Parlament stimmt über strengere Regeln für Fraktionen ab

Parteien, die Fraktionen im EU-Parlament bilden wollen, sollen strengere Regeln auferlegt bekommen. Dabei soll es Beschränkungen bei der Mitgliederzahl geben. Sozial- und Christdemokraten sowie Liberale fordern, dass Parteien eine Erklärung über den gemeinsamen Zweck ihrer Gruppe abgeben müssen.

Von Paul Vorreiter | 31.01.2019
    Parlamentsgebäude in Brüssel
    Am letzten Januartag 2019 stimmt das EU-Parlament über strengere Regeln bei der Fraktionsbildung ab (imago/itartass)
    Vertreter der Fünf-Sterne-Bewegung und der EU-feindlichen UKIP-Partei sind oft laut, poltern gerne mal im Parlament. Aber haben sie noch mehr gemeinsam, auch Inhaltliches?
    Wenn man den Zahlen der NGO Votewatch Europe glaubt, nicht so recht: Nur in 48 Prozent der Fälle stimmten die Mitglieder der Fraktion gemeinsam ab, also in den meisten Fällen gegeneinander. Das sei unter allen Fraktionen das inkohärenteste Abstimmverhalten.
    Tricks der EU-feindlichen Parteien
    Jo Leinen, SPD-Abgeordneter, vermutet dahinter einen Trick. In Wahrheit gehe es nur darum, Privilegien von Fraktionen zu haben, obwohl man selbst kaum zusammenarbeitet oder auch kaum gemeinsame Ziele hat. "UKIP will die EU kaputt machen und Großbritannien rausholen, Cinque Stelle will die EU verändern, aber auch weiter betreiben. Hier sind gegensätzliche Pole, die argumentieren, sie wären eine politische Gruppe, der normale Menschenverstand sagt einem, dass das eine Fakegruppe ist, die nicht auch noch gefördert werden sollte."
    "Ich weiß weiter nicht, was eine Fake-Fraktion ist", sagt dagegen Sven Giegold von den Grünen. Er steht der Idee, wie heute die Geschäftsordnung im Europaparlament verändert werden soll, skeptisch gegenüber: "Ich würde sagen, die Fünfsterne müssen aushalten, dass sie mit UKIP verdammt viel gemeinsam haben. Sie waren bis vor kurzem gegen den Euro, haben immer wieder geliebäugelt mit EU-Austritt. Ich würde sagen, die sind gar nicht so unterschiedlich."
    Diese Meinungsverschiedenheit könnte ein kleiner Vorgeschmack darauf sein, welche Debatten im nächsten Europaparlament geführt werden könnten, wenn die Änderungen greifen. Das Parlament in Brüssel stimmt heute über strengere Regeln für Parteien ab, die Fraktionen gründen wollen.
    Im Vorfeld war über viele Optionen nachgedacht worden. Gewisse Quoren waren im Gespräch, wie viele Mitglieder maximal aus einem Mitgliedsland stammen dürfen. Das würde Fraktionen wie die der "Europäischen Konservativen und Reformer" und die des "Europas der Nationen und der Freiheit" in Zukunft vor Probleme stellen. Beide setzen sich mit Wegfall der britischen Abgeordneten zu einem Großteil aus einer Partei, der polnischen Pis und dem französischen Rassemblement National zusammen.
    Politische Zugehörigkeit gewährleisten
    Ein gemeinsamer Antrag von Sozial- und Christdemokraten und Liberalen sieht nun etwas anderes vor, und zwar dass politische Parteien, die eine Fraktion bilden wollen, eine Erklärung über den gemeinsamen Zweck ihrer Gruppe abgeben müssen. Daran angeknüpft sollen alle Mitglieder der Fraktion unterschreiben, dass sie sich politisch einander zugehörig fühlen. Das könnte den öffentlichen Druck auf die einzelnen Abgeordneten erhöhen. Die stünden unter Rechtfertigungszwang, sollten sie sich mit Parteien zusammentun, die nichts mit ihren Zielen gemeinsam haben.
    Zweifel an der Zusammengehörigkeit könnten die Konferenz-Fraktionsvorsitzenden anmelden. Mit absoluter Mehrheit könnte das Plenum über die Auflösung einer Fraktion entscheiden.
    Indizien für eine solche "Fake-Fraktion" könnten das Abstimmungsverhaltung oder fehlende gemeinsame Sitzungen sein. Aber das Ende einer Fraktion muss damit noch nicht besiegelt sein: "Die EU ist eine Rechtsgemeinschaft. Natürlich steht der Rechtsweg zum europäischen Gerichtshof in Luxemburg offen. Deswegen wird auch jedes Parlament äußerste Vorsicht walten lassen, einer Fraktion den Status abzuerkennen."
    Doch nicht jeder im Europaparlament hält die Änderung der Geschäftsordnung für so maßvoll und umsichtig. Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer erklärte: "Die geplante Änderung schafft die Möglichkeit, dass einige Mitglieder aus fadenscheinigen und politischen Gründen ihre Gegner schwächen werden, indem sie sie auf Grundlage der Geschäftsordnung von bestimmten Funktionen ausschließen, die nur Fraktionsmitglieder innehaben." Die da vor allem wären: finanzielle Förderung und Rechte, wie jenes, als Fraktion im Plenum Änderungsanträge einzureichen.
    Mehr Sensibilisierung für die Abgeordneten
    Das Europaparlament wird heute noch über weitere Regeln abstimmen, die die Kultur des Hauses in den kommenden Monaten und nach der Europawahl verändern könnten. Als Folge der Debatte über ausfällige Bemerkungen im Plenum und Sexismus im Parlamentsalltag sollen Abgeordnete in Zukunft besser sensibilisiert werden.
    Wer ein besonderes Amt bekleiden, zum Beispiel Berichterstatter für einen Gesetzesvorschlag werden will, soll sich bei einem Training gegen sexuelle Belästigung eingeschrieben und einen Verhaltenskodex unterschrieben haben. Eine denkbar knappe Entscheidung wird außerdem beim Thema Transparenz erwartet. Die Parlamentarier stimmen darüber ab, ob Abgeordnete mit besonderen Aufgaben verpflichtet werden sollen, ihre regulären Treffen mit registrierten Lobby-Vertretern online zu veröffentlichen.