Dienstag, 19. März 2024

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Europaabgeordneter Caspary (CDU)
Militär in Myanmar baut "Herrschaft des Schreckens" auf

Die Bilder der Gewalt gegen Demonstranten in Myanmar seien unerträglich, sagte der Europaabgeordnete Daniel Caspary (CDU) im Dlf. Er spricht sich für gemeinsame Sanktionen der EU mit den USA gegen die Führungsriege aus. Nur so könne verhindert werden, dass in dem Land die Demokratie vor die Hunde gehe.

Daniel Caspary im Gespräch mit Silvia Engels | 01.03.2021
Demonstranten bei den Protesten in Myanmar.
"Die Bilder, die wir dort sehen, es ist unerträglich", sagt der CDU-Politiker und Europaabgeordnete Daniel Caspary - Polizei und Militär in Myanmar gehen mit extremer Härte gegen die Demonstranten vor. (dpa / picture alliance / Kaung Zaw Hein)
In Myanmar ist das Militärregime brutal gegen friedliche Kundgebungen vorgegangen. Bei den Protesten gegen den Militärputsch in Myanmar waren nach UNO-Angaben zuletzt mindestens 18 Menschen getötet worden. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europa-Parlament, Daniel Caspary (CDU), sagte im Deutschlandfunk, die EU müsse gemeinsam mit den USA empfindliche Sanktionen gegen die Führungsriege in Myanmar verhängen. "Wir werden als Europäische Union nur in enger Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten etwas erreichen", so Caspary zur Außen- und Sicherheitspolitik der EU.

"Illegale Machtübernahme des Militärs"

In der Region gebe es ein Machtvakuum, das vor allem von China gefüllt werde. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hat schon neue Sanktionen gegen Myanmar angekündigt.
"Was wir dort sehen seit dem 1. Februar, ist eine illegale Machtübernahme des Militärs", sagte der CDU-Politiker und Europaabgeordnete Daniel Caspary im Dlf. "In den letzten Jahren haben wir gehofft, dort blüht die Pflanze der Demokratie langsam auf. Aber wir haben gemerkt, wenn es ernst wird und wirtschaftliche Interessen der Beteiligten dazukommen, wird es schwer", so Caspary weiter.

"Ganz gezielt gegen Führungsclique vorgehen"

Man müsse ganz gezielt gegen die "Führungsclique" vorgehen. Das Militär baue eine Herrschaft des Schreckens auf, so Caspary. Die Wahlen im November seien nicht manipuliert worden, dafür gebe es keine Hinweise.
Myanmar: Tote und Verletzte bei Protesten (05:27)
Das Wochenende in Myanmar hat gezeigt: Das Militär ist fest entschlossen, die Proteste mit allen Mitteln zu beenden, sagt ARD-Korrespondent Holger Senzel im Dlf. Mindestens 18 Menschen wurden getötet.

Silvia Engels: Die verschiedenen EU-Institutionen haben ja den Militärputsch in Myanmar und die Brutalität der Sicherheitskräfte gegen den Protest bereits verurteilt. Aber reicht das noch, angesichts dieser erneuten Eskalation?
Daniel Caspary: Frau Engels, was wir dort sehen seit dem 1. Februar ist einfach eine illegale Machtübernahme des Militärs. Die Situation ist dort ja schon seit vielen, vielen Jahren schwierig. In den letzten Jahren haben wir gehofft, dort blüht die Pflanze der Demokratie langsam auf, aber wir merken, wenn es ernst wird und wenn dann wirtschaftliche Interessen der Beteiligten dazukommen, wird es schwer.
Ich wünsche mir, dass im Europäischen Rat darüber nachgedacht wird, wie wir ganz gezielt gegen diejenigen, die hier maßgeblich beteiligt sind und die auch wirtschaftlich von der Situation profitieren, vorgehen und uns da weitere Sanktionen überlegen und verhängen.

"Was wir dort erleben ist eine Herrschaft des Schreckens"

Engels: Konkrete Konten sperren oder Beschränkungen speziell für die Führungsklicke in Myanmar vom Militär?
Caspary: Genau. Wir müssen zielgerichtet vorgehen. Sanktionen haben ja die Wirkung, wenn man einfach Sanktionen verhängt und zum Beispiel Wirtschaftsbeziehungen komplett erschwert oder wenn wir bestimmte Handelserleichterungen wegnehmen, das trifft ja genau diejenigen, die jetzt auf der Straße sind. Deswegen wünsche ich mir, wie wir das ja in vielen Fällen tun, Stichwort Russland und andere Länder, dass wir ganz gezielt gegen die Führungsclique vorgehen. Was wir dort erleben ist eine Herrschaft des Schreckens, die das Militär dort wieder aufbaut.
Wir sehen, dass jetzt nach den vorliegenden Berichten wahllos in die Menschen reingeschossen wird wie in einem schlechten Computerspiel, um dort Sorge und Angst zu verbreiten, die Leute von der Straße gehen zu lassen, und das ist einfach nicht in Ordnung. Nach den mir vorliegenden Erkenntnissen waren die Wahlen im November in Ordnung. Es gibt bis heute keine vorgelegten Beweise der Militärregierung, dass dort in größerem Umfang irgendetwas gefälscht sein sollte. Deswegen muss der rechtmäßige Zustand wiederhergestellt werden. Wir dürfen nicht akzeptieren, dass hier das Militär die Macht übernimmt und die Demokratie wieder komplett vor die Hunde geht.
Demonstranten in Myanmar halten Schilter hoch. Sie protestieren gegen den Militärputsch.
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Engels: Punktuelle Sanktionen gegen die Führungsclique ist das eine. Nun hat die Europäische Union ja traditionell keinen starken Einfluss in Myanmar, aber China hat diesen Einfluss. Bislang hat sich Peking ja öffentlich nicht eindeutig positioniert. Könnte aber hier die EU mit ihren eigenen Wirtschaftsbeziehungen zu China, die ja doch sehr groß sind, Druck auf Peking aufbauen, in Myanmar Deeskalation zu erreichen?
Caspary: Es laufen meiner Erkenntnis nach auch Gespräche mit China. Die Frage ist, wenn wir am Ende mit allen Druck aufbauen in Form von Sanktionen, dann reden wir ja bald mit niemandem mehr, und die Herausforderung von erfolgreicher Außenpolitik ist genau, wie schafft man es, im Gespräch zu sein, trotz unterschiedlichster Auffassungen, auch über elementarste Themen wie Demokratie und Menschenrechte und Meinungsfreiheit.
Was wir sehen, Sie sprechen es an, in der gesamten Asean-Region: China versucht, massiv Einfluss auszubauen. Das gelingt in den letzten Jahren auch deshalb, weil China wirtschaftlich immer stärker wird, aber wir dort auch ein Vakuum erleben, seit sich die Vereinigten Staaten seit mehreren Jahren aus vielen Regionen aus der Welt zurückziehen.
Was mich optimistisch gestimmt hat: Dieser Asean-Verbund, ein Verbund von zehn Staaten, die sind normalerweise ganz zurückhaltend und halten sich normalerweise komplett raus über die Situation in den Mitgliedsstaaten. Aber dass vor einigen Tagen mit Singapur das allererste Land auch mal zumindest kritische Töne hat durchblicken lassen, ist zumindest ein kleiner Lichtblick. Aber klar ist auch, es geht jetzt in vielen Ländern dort bei der demokratischen Bewegung, Stichwort Thailand und andere Länder, darum, wird sich dieser chinesische Ansatz in der Region weiter durchsetzen, oder hat dort die zarte Pflanze der Demokratie, der Meinungsfreiheit, der Rechtsstaatlichkeit eine Chance. Da sollten wir schon als Europäische Union schauen, was sind intelligente Möglichkeiten, um die Demokratiebewegung dort zu unterstützen.

"Wir werden da als EU nur in enger Partnerschaft mit den USA was erreichen"

Engels: Sie hatten es angesprochen. In den vergangenen Jahren hatten sich die USA als Akteur in der Region ziemlich zurückgezogen. Das will US-Präsident Biden nun ändern. Wäre das eine Möglichkeit, gemeinsam mit den USA vielleicht auch einen etwas konfrontativeren Weg gegenüber China einzuschlagen, um diesen Druck auf das Militär in Myanmar zu setzen?
Caspary: Gemeinsam mit den USA ist das gute Stichwort, denn in der Region haben die USA Gewicht. In der Region erleben wir auch, dass dort einfach traditionell ja leider eine andere politische Herangehensweise ist als bei uns in der Europäischen Union.
Was meine ich damit? Es gilt dort oft die Macht der Macht und nicht unbedingt die Macht des Wortes, und das ist ja eines der großen Probleme, das wir in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik haben, dass wir zwar wortgewaltig unterwegs sind, aber nicht in der Lage sind, im Zweifel auch mal zu handeln. Deswegen ist dieser Konflikt ganz, ganz wichtig. Wir werden da als Europäische Union nur in enger Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten was erreichen.
Denn noch mal: Die Bilder, die wir dort sehen, es ist unerträglich. Wir hatten Riesenhoffnungen gesetzt in die Situation in Myanmar. Wir haben dort ja die Friedensnobelpreisträgerin als rechtmäßige Ministerpräsidentin gehabt. Wir haben in den letzten Jahren erlebt, auch bei ihrem Vorgehen gegen Minderheiten, dass sie wohl intern unter einem Riesendruck steht, und ich kann mir da manche Vorgehensweise von ihr nur so erklären, dass sie keine andere Chance gesehen hat, überhaupt an der Macht zu bleiben, wenn sie nicht diesem Druck auch des Militärs nachgibt.
Jetzt ist dieses Kartenhaus leider komplett zusammengebrochen und ich wünsche wirklich von Herzen, dass wir alles tun, gemeinsam mit unseren Partnern, dass die Demonstranten auf der Straße Erfolg haben, dass sie Rückenwind bekommen. Wir werden es im Zweifel nur gemeinsam transatlantisch hinbekommen, weil auch uns als Europäische Union alleine die Mittel fehlen.
Ein Soldat steht an der blockierten Strasse die zu Myanmar's Parlament führt, 1.Februar 2021.
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"China ist dort in den Ländern immer stärker präsent"

Engels: Aber mancher Beobachter argwöhnt, am Ende werde die EU aufgrund eigener Wirtschaftsinteressen gerade in China dem friedlichen Protest in Myanmar genauso wenig helfen wie zuvor auch nicht der Hongkonger Protestbewegung. Was entgegnen Sie?
Caspary: Wie gesagt, wir helfen, was geht. Ich stelle nur am Anfang fest, man kann jetzt immer kritisieren, wie gehen wir mit solchen Konflikten um. Deswegen ist ja immer dieser Ausgleich, den wir brauchen, Frau Engels, zwischen berechtigten außenpolitischen Interessen und unseren eigenen Überzeugungen, bei denen wir auch keine Kompromisse eingehen dürfen.
Aber was wir auch erleben ist: Wir brauchen Partner in der Region. Das hat dann viel mit außenpolitischen oder auch handelspolitischen Abkommen zu tun. Wir müssen dort Gesprächsverbindungen aufbauen. Und was wir dort sehen: China mit seiner massiven Strategie ist dort in den Ländern immer stärker präsent. Auch jede Sanktion bedeutet, wir ziehen uns ein Stück zurück, dann sind noch mehr chinesische Ansprechpartner in der Region und die Situation wird nicht besser. Genau das ist das klassische Dilemma der europäischen Außenpolitik.
Der CDU-Politiker Daniel Caspary auf einem Landesparteitag der CDU in Baden-Württemberg.
Der CDU-Politiker Daniel Caspary (dpa/Patrick Seeger)
Engels: Herr Caspary, ist angekommen. Wir müssen noch kurz zu einem anderen Thema kommen. Sie sind auch Vorsitzender der deutschen Delegation in der EVP-Fraktion. Dort eskaliert gerade einmal mehr der Streit zwischen dem Fidesz des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán und Ihrer Fraktionsspitze. Es geht darum, dass Sie die Geschäftsordnung so ändern wollen, dass man künftig Gruppen suspendieren kann. Orbán hat nun geschrieben, dass seine Fraktion die EVP verlässt, wenn diese neue Geschäftsordnung in Kraft tritt. Lenken Sie ein?
Caspary: Nein. Wir haben die Geschäftsordnungsänderung viele Wochen diskutiert. Es macht Sinn, dass wir in der Fraktion das Instrument einführen, was die Partei schon lange hat, nämlich ein Zwischending zwischen einem Rausschmiss und einer Suspendierung. Und was wir jetzt machen: Wir ändern die Geschäftsordnung um und wollen damit den Arm ausstrecken, aber einen durchtrainierten starken Arm ausstrecken, dass sich die Fidesz an die Dinge hält, die wir als christdemokratische und bürgerliche Politik in der Europäischen Union verstehen. Wenn die Fidesz da mitmacht, ist sie herzlich willkommen. Ansonsten wäre es sehr, sehr schade, wenn Viktor Orbán einen falschen Schritt geht.
Engels: Rechnen Sie damit, dass er geht?
Caspary: Ich rechne jetzt erst mal damit, dass das ein klassisches Instrument ist, um Druck auszuüben. Wir brauchen eine Zwei-Drittel-Mehrheit, um die Satzung zu ändern. Wir haben ja auch beim Europäischen Rat vor Weihnachten gesehen, als es um den Haushalt ging, Herr Orbán baut gern Druck auf. Ich denke, wir sind in der Lage, auch mit Druck umzugehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.