Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Europäisch-russische Beziehungen
Janning: "Einigkeit der Europäer bemerkenswert"

Nach der Ausweisung von deutschen und russischen Diplomaten sei trotzdem noch keine Leiter der Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen zu erkennen, glaubt Josef Janning, Experte für europäische Außenpolitik. Die Verlängerung der europäischen Sanktionen gegen Russland sei bemerkenswert.

Josef Janning im Gespräch mit Katharina Peetz | 13.12.2019
Angela Merkel, Emmanuel Macron und Vladimi Putin hier auf einer Pressekonferenz am 9.12.19 in Paris.
Was bedeutet die Ausweisung von Diplomaten für die russisch-europäischen Beziehungen? (dpa/abaca/ Stephane)
Katharina Peetz: Vor dem Hintergrund des Streits um die Ermittlungen zu dem Mord an einem Georgier in Berlin hat Russland gestern zwei deutsche Diplomaten ausgewiesen. Zuvor hatte das Auswärtige Amt zwei russische Diplomaten ausgewiesen. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland ist also mindestens angespannt. Was heißt das für die Beziehungen zwischen Russland und Europa? Darüber spreche ich jetzt mit Josef Janning, er ist Experte für europäische Außenpolitik und war bis vor Kurzem Leiter des Berliner Büros der Denkfabrik European Council On Foreign Relations. Herr Janning, fangen wir erst mal bei der bilateralen Ebene an: Ist das jetzt der Beginn einer Eskalationsspirale im Verhältnis zwischen Deutschland und Russland, ähnlich wie wir das schon zwischen Russland und Großbritannien beim Fall Skripal gesehen haben?
Josef Janning: Frau Peetz, das glaube ich eigentlich nicht, denn dies ist eine relativ dosierte Reaktion, die auch im Umgang zwischen Staaten nicht unüblich ist. Die deutsche Seite hat Vermutungen, dass es sich um einen Auftragsmord in Berlin gehandelt haben könnte, Moskau kooperiert nicht hinreichend, also werden zwei Diplomaten ausgewiesen. Die Russen weisen diesen Vorwurf zurück, und um das zu unterstreichen, weisen sie ebenfalls zwei aus, sodass man sagen könnte, damit ist die Waage wieder ausgeglichen. Wenn jetzt keine weiteren Eskalationsschritte folgen, sehe ich nicht, dass hier sich eine Leiter der Verschlechterung der Beziehung ergibt.
"Macron möchte den Ton angeben"
Peetz: Frankreich hatte ja zuletzt eher die Strategie der Annäherung gefahren, also Emmanuel Macron wollte auf den Dialog mit Putin setzen. Welche Auswirkungen hat jetzt dieses eher angespannte Verhältnis zwischen Russland und Deutschland auf die französische Strategie?
Janning: Na ja, die deutsche Seite setzt ja grundsätzlich auch auf Gespräche und auf einen wie auch immer gearteten Interessenausgleich mit Russland, es ist nur eben sehr viel schwieriger geworden in letzter Zeit. Staatspräsident Emmanuel Macron hat gespürt, dass hier sich ein Fenster öffnet für eine französische Initiative. Das hat auch viel mit den inner-EU- oder innereuropäischen Beziehungen zu tun. Macron möchte Initiative, möchte Führung, möchte den Ton angeben in der Europäischen Union und hat gesehen, hier ist eine Lücke, ein Vakuum, das er füllen könnte.
"Versuch der Russen, in Europa Einfluss zu gewinnen"
Peetz: Schauen wir noch mal auf Wladimir Putin: Wie schätzen Sie seine Situation ein, inwiefern ist er gerade vielleicht unter erhöhtem Druck?
Janning: Für die Russen stellt sich längerfristig die Frage, was eigentlich ihr Platz in dieser neuen Ordnung ist, in der sehr viel mehr mit traditioneller Machtpolitik operiert wird, aber in der Russland nicht mehr im Mittelpunkt der zentralen Auseinandersetzung steht, sondern das ist vielmehr diese Achse zwischen China und den Vereinigten Staaten. Und dann fragt man sich, was ist eigentlich unser Hebel in der internationalen Politik. Das ist auf der einen Seite für die Russen eine Annäherung an die Chinesen, die aber eine Annäherung unter Ungleichen ist. Und das ist auf der anderen Seite der traditionelle Versuch der Russen, in Europa Einfluss zu gewinnen, indem man versucht, die einzelnen europäischen Staaten in ein engeres Verhältnis zu Russland zu bringen, um damit den Verbund der Europäer zu schwächen.
"Demonstration der Europäer, dass sie es ernst meinen"
Peetz: Nun haben gestern Abend beim EU-Gipfel die EU-Regierungschefs aber sich für weitere Wirtschaftssanktionen oder die Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland ausgesprochen. Das heißt, hat man eine wirklich gemeinsame europäische Haltung zu Russland?
Janning: Ich halte diese Verlängerung der Sanktionen für eine wirklich bemerkenswerte Angelegenheit, denn dies ist ein Schritt, der alle halbe Jahr neu bestätigt werden muss, und da ist die Einigkeit der Europäer schon bemerkenswert. Es ist ja in erster Linie eine Demonstration der Europäer, dass sie es ernst meinen, wenn sie sagen, dass die Annexion der Krim oder auch das Vorgehen Russlands in der Ostukraine nicht akzeptabel ist. Kaum jemand im Europäischen Rat wird die Hoffnung haben, dass die Sanktionen allein Russlands Verhalten verändern würden, aber sie dienen dazu, sich selbst und den Russen zu signalisieren, wir glauben das, was wir sagen, und weil wir das glauben, können wir nicht in gleichem Maß mit Russland Handel und Wirtschaft treiben wie vorher.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.