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Europäische Union
Auch EZB fordert höhere Löhne in Deutschland

Ausgerechnet die konservativ-sparsame Bundesbank hat höhere Löhne in Deutschland gefordert. Nun erhält sie auch noch Schützenhilfe von der Europäischen Zentralbank.

Von Felix Lincke | 28.07.2014
    Euro-Skulptur vor der Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main.
    Wenn die deutschen Konsumenten die Deflation verhindern, bleibt es der EZB erspart, selbst gegenzusteuern. (picture alliance / dpa - Arne Dedert)
    Die Europäische Zentralbank schließt sich der Bundesbank an, auch sie wünscht sich deutlich höhere Löhne in Deutschland, um damit die bedrohlich niedrige Inflation im Euroraum zu bekämpfen. Bei den Einkommen der deutschen Arbeitnehmer sehen die Chefvolkswirte der Notenbanken nach vielen Jahren der Lohnzurückhaltung immer noch einen Nachholbedarf. Für die Euro-Krisenländer soll dass nicht gelten: Dort muss nach Ansicht der EZB weiter gespart werden, auch an den Lohnkosten, um die Standorte zu stärken. Holger Bahr, der leitende Volkswirt der Dekabank sieht darin keinen Widerspruch:
    "Es gehört zur Krisenbewältigung der Euro-Staatsschuldenkrise, dass eben Länder, die sehr sehr stark wachsen, dass die eine überdurchschnittliche Inflationsrate auch in den nächsten Jahren haben werden. Und dass die Länder, die noch Wettbewerbsfähigkeit aufbauen müssen, innerhalb der Eurozone weiter gesunden können."
    Schneider: Hohe Inflation in Deutschland nicht hinnehmbar
    Eine andere Ansicht vertritt Rolf Schneider von Allianz Global Investor. Er hält eine hohe Inflation in Deutschland nicht für hinnehmbar und fordert die EZB auf, eher über ein Ende ihrer Nullzinspolitik nachzudenken:
    "Ich glaube, die Deflationssorgen, die wir derzeit haben, sind übertrieben. Wir hatten eine Situation, in der es Anpassungsbedarf bei den Kosten in Südeuropa gab. Der Anpassungsprozess läuft, insofern sind dort die Inflationsraten sehr niedrig. In Deutschland ist die Situation so, dass rückläufige Rohstoffpreise die Kosten der Unternehmen reduziert haben."
    Da diese Rohstoffpreise, zum Beispiel für Energie, kaum noch weiter fallen dürften, sieht Schneider auf Deutschland keine sinkenden Preise mehr zukommen. Im Gegenteil, bei der Inflation sei der Tiefpunkt hierzulande erreicht und für Deflation gebe es keine Anzeichen:
    "Wir haben keine steigenden Sparquoten, wir haben keinen Einbruch bei der Konsumentenstimmung - übrigens auch nicht in Südeuropa, auch dort bessert sich die Konsumentenstimmung, von daher glaube ich nicht, dass wir derzeit eine Deflationsgefahr in Europa haben."
    Experten rechnen mit Inflation
    Schon im nächsten Jahr rechnen die Experten von Allianz Global Investor in Deutschland mit bis zu zwei Prozent Inflation. Der Hauptgrund dafür sollen ausgerechnet Lohnsteigerungen sein, die man heute schon absehen könne:
    "Zum einen glaube ich, dass die Arbeitnehmer derzeit durchaus Vorteile aus dem Aufschwung haben. Der Tariflohnanstieg liegt bei drei Prozent die Inflationsrate bei einem Prozent. Da sind wirklich reale Gewinne da. Und im nächsten Jahr wird durch die Einführung des Mindestlohns sich der Lohnauftrieb insgesamt verstärken."
    Die Kalkulation könnte so aussehen: Die Tariflöhne steigen wie gehabt; der Mindestlohn, der viele erreicht, die bei Tarifverhandlungen nicht dabei sind, leistet einen Extrabeitrag zur Lohnsumme. Außerdem könnten bei anhaltend guter Beschäftigung weitere Menschen einen Arbeitsplatz finden oder einfach mehr verdienen. Unterm Strich ergibt das etwa vier Prozent höhere Einkommen. Das könnte die Verbraucherpreise und damit die Inflationsrate um etwa zwei Prozent steigen lassen. Andererseits muss man sagen, dass solche Rechnungen in den vergangenen Jahren nicht immer aufgegangen sind. Sonst müsste die Inflation in Deutschland heute schon höher sein.