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Europäische Volkspartei
"Orbán ist aufgefordert, sich zu bekennen"

Der Ball liege nun in Ungarn, sagte Florian Hahn, europapolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion im Dlf. Viktor Orbán müsse sich bis zum 20. März zu den Werten der Europäischen Volkspartei bekennen. Der EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber habe mit seiner Kritik an Orbán den "Ton gut getroffen".

Florian Hahn im Gespräch mit Sarah Zerback | 06.03.2019
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban spricht zur Nation.
Unter Druck aus Reihen der Europäischen Volkspartei (EVP): Der ungarische Regierungschef Victor Orbán (MTI /dpa-Bildfunk )
Sarah Zerback: Witze Machen auf Kosten anderer gehört zur DNA im Karneval. Machen das aber Politiker und keine Berufskomiker, müssen sie danach auch mit dem politischen Echo leben, und das hallt bei Annegret Kramp-Karrenbauer nun schon die ganze Karnevalszeit über nach. Nach ihrem Witz über Toiletten fürs dritte Geschlecht zum Auftakt diskutiert die Politik und die halbe Twitter-Gemeinde, was politischer Witz im Karneval eigentlich darf, gegen wen sich der Spruch der CDU-Chefin wirklich gerichtet hat und ob sie es heute, wenn sie den politischen Aschermittwoch als letzte Rednerin in Demmin beschließt, anders macht. Der Auftakt und die mit Abstand größte Veranstaltung findet aber heute Morgen im niederbayerischen Passau statt. Da werden nicht nur CSU-Chef Markus Söder erwartet und Manfred Weber, Spitzenkandidat für die Europawahlen; dort erreichen wir jetzt auch Florian Hahn, den europapolitischen Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Im Bundestag sitzt er für die CSU und seinen Landkreis hat er in München. Deutlich weniger Testosteron, wir haben es gehört, als noch zu Strauß-Zeiten im Bierzelt 2019. Haben Sie sich daran schon gewöhnt?
Florian Hahn: Ja. Das ist ein bisschen die neue Zeit und da haben wir uns ganz gut angepasst, glaube ich.
Zerback: Wird es heute auch in Passau so sein, dass es da Lacher auf Kosten einzig starker Männer in der Union gibt?
Hahn: Na ja. Ein bisschen braucht es das natürlich schon. Das ist der Mythos des Aschermittwochs. Da wird natürlich schon sehr gerade und geradeaus rausgegeben. Das gehört dazu.
"CSU hat so viele Ministerinnen wie noch nie im Verhältnis"
Zerback: Vielleicht wären aber auch ein paar Frauen am Rednerpult ein ganz gutes Zeichen gewesen, mehr als eine. Finden Sie nicht?
Hahn: Es sind regelmäßig auch Frauen am Rednerpult. Ich glaube, das ist in der heutigen Zeit völlig normal. Die Aufrechnerei, die braucht es gar nicht mehr, denn wir haben sehr viele sehr gute Frauen, die genauso in der Lage sind zu sprechen wie die Männer auch.
Zerback: Dürfen sie vielleicht nur nicht. Wie gesagt, eine Frau spricht ungefähr fünf bis zehn Minuten; Männer reden zweieinhalb Stunden. Das ist das Verhältnis. Hatte Parteichef Markus Söder da nicht versprochen, die CSU moderner, jünger und vor allem auch weiblicher zu machen?
Hahn: Das hat Markus Söder auch gemacht. Schauen Sie sich das bayerische Kabinett an. Die CSU hat so viele Ministerinnen wie noch nie im Verhältnis und da sind wir auf einem sehr guten Weg.
"Historische Chance auf einen deutschen Kommissionspräsidenten"
Zerback: Es ist Ihnen schon auch wichtig, von Frauen gewählt zu werden, zum Beispiel bei den Europawahlen?
Hahn: Uns ist natürlich wichtig, dass wir von der Bevölkerung gewählt werden, Frauen, Männer, alt, jung, alle Berufsgruppen, und wenn Sie sich die Statistik anschauen, selbst bei der letzten Landtagswahl, wo wir nicht so gut abgeschnitten haben, sind wir überall ganz vorne, auch bei den Frauen im Übrigen.
Florian Hahn, europapolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Florian Hahn, europapolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (imago / Müller-Stauffenberg)
Zerback: Auf Angela Merkel als Zugpferd bei den Europawahlen setzen Sie aber nicht? Das ist eher die Strippenzieherin im Hintergrund wie in der Vergangenheit?
Hahn: CDU und CSU haben einen gemeinsamen Spitzenkandidaten. Der heißt Manfred Weber. Das ist sozusagen unser Zugpferd. Wir haben die historische Chance, tatsächlich seit 1967 zum ersten Mal wieder einen deutschen Kommissionspräsidenten zu stellen. Unser gemeinsamer Kandidat ist Manfred Weber, zum ersten Mal im Übrigen überhaupt auch ein Bayer. Auf den setzen wir und da haben wir, glaube ich, ein sehr, sehr gutes Zugpferd.
Zerback: Welchen Ton setzt die CSU denn heute? Können wir da eine wegweisende europapolitische Rede erwarten von Manfred Weber?
Hahn: Natürlich wird das sehr geprägt sein von der bevorstehenden Europawahl. Aber es wird auch eine klare Bestimmung sein, eine Ortsbestimmung, wo wir uns insgesamt politisch befinden, und dafür wird Manfred Weber neben Markus Söder sorgen.
"Weniger Humor und mehr Klartext"
Zerback: Ein bisschen Humor gehört ja an so einem Tag wie heute auch dazu. Welche Minderheit muss sich da heute schon mal warm anziehen, weil da Witze auf ihre Kosten gemacht werden?
Hahn: Es ist ja weniger eine Büttenrede a la Fastnacht, sondern es ist vielmehr ein politischer Aschermittwoch. Das heißt, es wird eine klare Sprache sein, eine klare politische Standortbestimmung. Das hat weniger mit Humor zu tun als mit Klartext.
Zerback: Ziel ist es ja, so haben Sie es ausgerufen in der CSU, sich bei den Europawahlen nach rechts, aber auch nach links abzugrenzen. Vorschlag: Wie wäre es denn da, wenn Sie bei Viktor Orbán anfangen, der mit antisemitischen und Anti-Brüssel-Kampagnen ja Wahlkampf macht?
Hahn: Ich glaube, man muss uns gar nicht darauf hinweisen, dass wir irgendwas anfangen sollen, denn das tun wir schon längst. Viktor Orbán ist auch von uns aufgefordert, sich klar zu bekennen, klar zur Europäischen Volkspartei und den Werten, die die Europäische Volkspartei vertritt, sich zu bekennen. Da sind wir tatsächlich in einer Diskussion mit Viktor Orbán. Das ist das, was ich vermisse im Übrigen bei unseren sozialdemokratischen Freunden. Schauen Sie sich die Regierung in Rumänien an, die dort auch wirklich zweifelhafte Entscheidungen getroffen hat, die die Korruptionsbekämpfung unterdrückt, die dafür sorgen möchte, dass jemand zur Präsidentschaftswahl antritt, der klar verurteilt wurde und entsprechende Gesetze durchgedrückt hat. Da muss man sich insgesamt Sorgen machen bei manchen Staaten in Europa, die sich aus unserer Sicht nicht positiv entwickeln.
Zerback: Machen Sie sich da nicht eher Sorgen, dass Viktor Orbán diesen Aufforderungen gar nicht nachkommt?
Hahn: Das werden wir sehen. Wir haben ein Meeting der Europäischen Volkspartei am 20. März. Dort werden dann Entscheidungen getroffen. Bis dahin hat Viktor Orbán Zeit, sich entsprechend auch zu äußern, zu sagen, was er eigentlich in Zukunft möchte. Der Ball liegt bei ihm im Feld.
"Manfred Weber hat da den Ton richtig getroffen"
Zerback: Da gibt es jetzt auch ein Ultimatum, gestern ausgesprochen von Ihrem Spitzenkandidaten Manfred Weber, der da Bedingungen gestellt hat.
Hahn: Daran sehen Sie, dass wir nicht beginnen müssen, sondern schon begonnen haben, und ich glaube, Manfred Weber hat da den Ton richtig getroffen.
Zerback: Nun muss man sagen, Forderungen hat er in der Vergangenheit auch schon gestellt, und das haben auch andere schon an Viktor Orbán. Aber es hat auch nicht geklappt mit dem Dialog. Was macht Sie denn so optimistisch, dass das in Zukunft was bringt?
Hahn: Wie gesagt, er hat jetzt Zeit bis zum 20. März. Da trifft sich die Europäische Volkspartei und dort wird dann auch über die Anträge, die Viktor Orbán betreffen, entschieden. Die Zeit wollen wir jetzt auch einräumen.
Zerback: Ist es Manfred Weber tatsächlich so wichtig, Juncker im Fall eines Wahlsieges als EU-Kommissionspräsident zu beerben, dass er dabei bis zum Schluss auf die Unterstützung Orbáns zählt?
Hahn: Ich glaube, mit Blick darauf, dass er ihm gerade ein Ultimatum gestellt hat, hat sich die Frage eigentlich erledigt.
Zerback: Das sagen Sie! Ich denke, die Frage stellen sich schon viele Hörerinnen und Hörer, die sich einfach fragen, warum diese Distanzierung, und zwar eine ganz klare, vom Spitzenkandidaten der EVP nicht viel früher erfolgt. Da geht es vielleicht auch um Glaubwürdigkeit.
Hahn: Ich weiß nicht. Noch mal: Wir sollten auch hier nicht mit unterschiedlichem Maß messen. Wenn Sie sich die Situation in Rumänien anschauen, würde ich mir manchmal wünschen, dass mit selber Intensität auch hier nachgefragt wird, wie wir eigentlich zu der Regierung in Rumänien stehen, die hier systematisch tatsächlich auch die Frage der Korruptionsbekämpfung unterdrückt, die dafür sorgt, dass durch neue Gesetzgebung demokratische Prozesse gestört werden. Da müssen wir schon überall genau hinschauen, wenn wir nur nach Ungarn schauen.
"Ein bisschen Sorgen um unsere sozialdemokratischen Freunde"
Zerback: Überall genau hinschauen, aber vielleicht auch nicht unbedingt das Unrecht auf der einen Seite gegen das auf der anderen aufwiegen, oder Fehler, die gemacht wurden. Nun geht es ja um relativ viel bei den Europawahlen im Mai, und zwar nicht nur darum, ob die EVP den Status als stärkstes Lager behält oder verliert, sondern auch um den Erhalt der GroKo eventuell. Macht Ihnen das Sorgen?
Hahn: Das ist gar keine Frage, dass wir, auch was die Koalition in Berlin angeht, das wir da nicht in ordentlichem Fahrwasser sind. Aber die Union ist hier stabil. Die CSU ist stabil und die CDU ist sehr stabil. Manchmal machen wir uns ein bisschen Sorgen um unsere sozialdemokratischen Freunde. Aber ich glaube, insgesamt wissen wir, dass wir eine Verantwortung für Deutschland haben, dass wir für vier Jahre in eine Regierung gewählt werden. Das ist das, was auch die Bevölkerung erwartet, und das ist eigentlich das, was auch Stabilität made in Germany immer ausgemacht hat.
Zerback: Stabilität nur leider nicht in unserer Telefonleitung. Ich bedanke mich, Herr Hahn - Florian Hahn, europapolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion -, für das Gespräch. Bei Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, da bitte ich, die Leitungsqualität zu entschuldigen. Schöne Grüße nach Passau, Herr Hahn!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.