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Europakolumne: Man spricht Deutsch

Außenminister Guido Westerwelle forderte einst von einem britischen Reporter, seine Fragen auf einer Pressekonferenz in Deutschland auch auf Deutsch zu stellen. Nun möchte Westerwelle, dass Deutsch eine Arbeitssprache im Auswärtigen Dienst der EU wird.

Von Jürgen König | 22.03.2010
    Nun endlich begreifen wir, was Guido Westerwelle umtreibt - nämlich das Schicksal der deutschen Sprache. Bei seinen Aussagen zu Hartz IV, die so viel Aufsehen und Ärger erregten, oder seiner Forderung nach Abzug amerikanischer Atomwaffen von deutschem Boden, die Kritiker für unüberlegt, wenn nicht für peinlich hielten, scheint es sich nicht wirklich um Herzensanliegen des Bundesaußenministers gehandelt zu haben; eher wirken sie wie Pflichtübungen eines Parteivorsitzenden, der weiß, wie man in Deutschland auf Stimmenfang gehen muss. Eine kleine Prise Populismus und zumal Antiamerikanismus hat noch nie geschadet. Nein, das wahre Anliegen von Westerwelle ist der Einsatz für die deutsche Sprache unter dem schönen Slogan "Deutsch - Sprache der Ideen".

    Wir hätten das eigentlich schon länger wissen können: Schließlich hat Westerwelle im vergangenen Jahr einen britischen Reporter ungnädig abblitzen lassen, als der ihn in Berlin auf Englisch fragte und eine englische Antwort erwartete. Die er bekanntlich nicht erhielt. Wobei bei diesem Anlass ein grundsätzliches Problem des FDP-Vorsitzenden sichtbar wurde: Man hat sich fast daran gewöhnt, ablehnend auf ihn zu reagieren, selbst wenn seine Aussagen bei genauerem Hinschauen eigentlich ganz vernünftig sind. Es ist die Art, mit der Westerwelle seine Anliegen verficht.

    Auch jetzt versucht der Bundesaußenminister etwas Löbliches durchzusetzen: Er will erreichen, dass Deutsch im neuen Auswärtigen Dienst der EU als Arbeitssprache verwendet wird. Bislang sind nur Englisch und Französisch dafür vorgesehen. Als in den zuständigen EU-Gremien vor einigen Jahren dieser Sprachenbeschluss zustande kam, muss einer der Vorgänger von Westerwelle beziehungsweise dessen Ministerialbeamter die Tragweite der Entscheidung übersehen und zugestimmt haben. Deshalb war Westerwelle nun gezwungen, einen Brief zu schreiben an Baroness Ashton, die Außenministerin der EU, mit der Bitte, auch Deutsch in den Rang einer GASP - sprache zu erheben, der Sprache, die innerhalb der Bürokratie der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" gesprochen wird.

    Ob Baroness Ashton viel Verständnis hat für die Sorge um den Rang der deutschen Sprache, darf bezweifelt werden. Dem Vernehmen nach macht ihr Französisch schon genug zu schaffen. Ohnehin haben die Briten das Gefühl, dass die Zeit für sie arbeitet und dass sich bald die Einsicht durchsetzen dürfte, dass es besser sei, nur eine offizielle Amtssprache zu haben, nämlich Englisch.

    Im Brüsseler Alltag dominiert Englisch ohnehin schon. Die Lingua Franca der Welt zur einzigen Arbeitssprache zu erklären wäre insofern eine ebenso praktische wie vernünftige, dazu sparsame Lösung. Es ließen sich Tausende von Stellen einsparen. Aber Praktikabilität und Vernunft geben bekanntlich nur selten den Ausschlag. Zumal dann, wenn Frankreichs Prestige auf dem Spiel steht.

    Freiwillig wird Paris niemals auf eine bevorzugte Stellung von Französisch verzichten. Deshalb ist es gut, dass ein Politiker wie Westerwelle sich als beredter Advokat der deutschen Sprache erweist - man darf sicher sein, dass er die Interessen der 100 Millionen deutschsprachigen Bürger der EU, wenn es sein muss, kämpferisch vertreten wird. Wir alle sollten es dem Bundesaußenminister deshalb nachsehen, falls sein Englisch und auch sein Französisch holprig bleiben sollte. Schließlich kräht bei unseren großen EU-Nachbarn kein Hahn danach, ob deren Minister Fremdsprachen beherrschen oder nicht.