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Europas lange Reise zum Merkur

Raumfahrt.- Die amerikanische Raumsonde Messenger hat ihr Ziel schon vor über einem Jahr erreicht. Europa hingegen lässt sich bitten bei dem Vorhaben, ebenfalls einen unbemannten Raumflugkörper zum Merkur zu schicken. Kürzlich musste die europäische Weltraumagentur ESA den Starttermin für die Sonde BepiColombo auf das Jahr 2015 verschieben.

Von Guido Meyer | 03.07.2012
    Es sollte eigentlich nie ein Wettrennen zwischen der amerikanischen Merkursonde Messenger und Europas BepiColombo werden. Dass die europäische Weltraumagentur ESA mit ihrer Sonde später an den Start gehen würde, war schon bei Planung der Mission klar. Und so gebührt der US-Raumfahrtbehörde NASA der Ruhm, als erste den sonnennächsten Planeten erreicht zu haben. Dafür jedoch könnte die Alte Welt nunmehr womöglich das bessere, robustere und optimal ausgerüstete Raumschiff liefern.

    "Konkret gibt es Sachen, wo wir für das Design unserer Mission daraus lernen können. Zum Beispiel gibt es bei unserer Mission keine aktive Orbitkontrolle. Und wenn die Modelle, die wir jetzt anwenden, richtig sind, würde das für uns heißen, dass unser Spacecraft pro Jahr etwa 100 Kilometer näher an den Planeten ranrutscht, das heißt, dass wir unseren Orbit ein bisschen anpassen müssen, damit wir nicht in das Risiko gehen, dass wir dann womöglich nach 2, 3 Jahren Mission auf den Merkur stürzen."

    Der Planetenphysiker Johannes Benkhoff ist Projektwissenschaftler für BepiColombo am europäischen Weltraumforschungszentrum ESTEC im holländischen Noordwijk. Dort ist man für die Vorarbeiten der Amerikaner dankbar, kann die neuesten Daten deren Messenger-Mission nun noch beim Bau von BepiColombo berücksichtigen.

    "Eine Sache, die wir gelernt haben: Die Messenger-Leute haben sich die Oberfläche angeguckt und die Materialien, die auf der Oberfläche sind, bestimmt. Und es zeigt sich, dass da die Materialverteilung doch anders ist, als wir uns das gedacht hatten, und deshalb viele Ideen, die wir hatten, wie der Merkur mal entstanden sein könnte und damit auch, wie unser Sonnensystem entstanden sein könnte, müssen jetzt neu überdacht werden."

    Dies betrifft die Elemente Aluminium, Sauerstoff und Schwefel. Während Aluminium auf dem Merkur seltener vorkommt als bislang theoretisch vorhergesagt, gibt es umgekehrt mehr Sauerstoff und Schwefel als prognostiziert – genau genommen zehnmal so viel. Diese neuen Erkenntnisse haben beim ESA-Direktor für Wissenschaft und robotische Exploration, Alvaro Giménez Cañete, zu der Einsicht geführt: Merkur spinnt.

    "Merkur ist schon ein verrückter Planet. Bei den übrigen drei terrestrischen Planeten, beim Mars, bei der Venus und bei der Erde, gibt es einen Zusammenhang zwischen ihrer Größe und ihrer Dichte. Merkur hält sich da nicht dran. Er ist viel dichter, als man bei seiner geringen Größe erwarten würde. Normal ist das nicht. Irgendetwas muss bei seiner Entstehung schiefgelaufen sein. Wir wissen jedoch nicht, was."

    Dem soll BepiColombo auf den Grund gehen und die Zusammenhänge zwischen Größe, Aufbau, Dichte und Anziehungskraft dieses kleinsten Planeten unseres Sonnensystems verstehen helfen. Manuela Marabucci, Ingenieurin an der Sapienza Universität von Rom, deren Team derzeit das
    Mercury Orbiter Radioscience Experiment (MORE) für BepiColombo baut.

    "An Bord der Raumsonde wird sich ein Transponder befinden, der Radiosignale hinunter Richtung Merkur schickt. Sie werden von seiner Oberfläche reflektiert. Dies geschieht je nach Entfernung der Sonde von dem Planeten und je nach seiner Masse und Anziehungskraft unterschiedlich schnell. Aus diesen Laufzeitunterschieden werden wir Rückschlüsse auf das Gravitationsfeld Merkurs anstellen können."

    Die Flugversion von BepiColombo befindet sich bereits im Bau und wird derzeit mit den neuesten Messdaten und Änderungen der amerikanischen Messenger-Sonde versorgt und teilweise umprogrammiert.

    "Wir haben jetzt aus den Tests, die wir durchgeführt haben, gelernt, dass wir an einigen Stellen noch etwas optimieren müssen, und deshalb mussten wir leider ankündigen, dass wir unseren ursprünglichen Starttermin 2014 nicht mehr halten konnten, und sind dann auf unseren Backup-Starttermin ausgewichen."

    Neuer Starttermin für Europas siebenjährige Reise zum Merkur ist nunmehr August 2015.