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Europas Schritt ins All

Raumfahrt. - Heute Abend, 20:45 Uhr mitteleuropäischer Zeit, soll die US-Raumfähre "Atlantis" mit dem europäischen Weltraumlabor "Columbus" an Bord ins All starten. Bislang hatten technische Probleme den Start, der für Anfang Dezember geplant war, verzögert. Jetzt könnte das Wetter den Zeitplan über den Haufen werfen. Aus Florida berichtet der Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen im Gespräch mit Gerd Pasch.

07.02.2008
    Pasch: Dirk Lorenzen, wie stehen denn die Wetten? Startet "Atlantis" noch?

    Lorenzen: Herr Pasch, das ist im Moment ein bisschen Vabanque-Spiel hier. Das ist ein Wettlauf zwischen den Startvorbereitungen und einer Kaltfront, die mit starker Bewölkung hier heranzieht. Im Moment ist es noch sehr sonnig, noch könnte man gerade starten, aber man ist doch etwas enttäuscht hier, oder hat ein bisschen Sorge, was das Wetter angeht. Man gibt im Moment die Wahrscheinlichkeit für einen Start, aus Witterungsgründen, mit 30 Prozent an.

    Pasch: Sind denn dann die technischen Probleme behoben?

    Lorenzen: Die technischen Probleme meint man im Griff zu haben. Das war heute Morgen in der Tat ein ganz kritischer Moment, als hier alle noch einmal den Atem angehalten haben und den Leuten die Anspannung wirklich anzusehen war, als man noch einmal diese ganzen Sensoren, die der Tanksensoren, überprüft hat. Also man ausgiebige Tests gemacht hat, die hatten ja im Dezember die Stadtverschiebung verursacht. Das scheint alles zu funktionieren. Das heißt, für die technische Seite sieht es im Moment sehr gut aus. Alle diese vier Sensoren haben funktioniert. Aber im Moment ist die einzige große Sorge das Wetter, wobei es dann morgen oder übermorgen etwas besser aus.

    Pasch: Sprechen wir noch einmal über das Wetter. Warum sind denn Wolken so ein Problem, ein Flugzeug kann doch auch bei Wolken starten?

    Lorenzen: Eine normale Rakete kann auch einfach bei Wolken starten, die wird das nicht stören. Aber der Shuttle ist eben keine ganz normale Rakete, der hat verschiedene Besonderheiten. Und eine dieser Besonderheiten ist eben, wenn er startet, und es käme in den ersten zwei oder drei Minuten des Fluges zu irgendeiner größeren Fehlfunktion, die aber den Shuttle noch als solchen in Takt lässt, dann sollte der Pilot diesen Shuttle in einem waghalsigen Gleitflug zurück hier zum Kennedy-Spacecenter bringen. Und dafür braucht er dann eben gute Sicht. Der Shuttle hat ja dann keinen Antrieb mehr, deswegen Gleitflug, und mit diesen Stummelflügelchen kann er auch nicht gut fliegen, das heißt, die haben genau einen Versuch. Deswegen sagt man aus Sicherheitsgründen, wegen dieser Rückkehroption muss hier das Wetter halbwegs gut sein, das heißt wenig Wolken.

    Pasch: Schauen wir uns noch einmal das Shuttle selbst an. In der Ladebucht ist ja das Europa-Raumlabor Columbus. Welche Größe hat das?

    Lorenzen: Das füllt schon ganz gut diese Ladebucht, praktisch den Kofferraum des Space Shuttle. Das ist gut sieben Meter lang, hat knapp fünf m Durchmesser, ist außen mit so silbrig glänzenden Platten gepanzert, um einen Schutz zu bieten gegen einschlagende Meteoriten. Und im Inneren steckt es natürlich voll mit Experimentieranlagen. Da haben zehn Experimentierschränke Platz, jeder etwas so groß wie eine Telefonzelle. Und insofern startet ja auch gleich Columbus als voll ausgestattetes Forschungslabor ins All. Es gibt einen Handschuhkasten, dass man mit gefährlichen Stoffen hantieren kann. Man wird mit Flüssigkeiten dort arbeiten können, es gibt Brutkammern, einem Tiefkühlschrank, demnächst noch einen Schmelzofen. Also ein voll ausgestattetes Forschungslabor, bloß eben an einem besonderen Ort.

    Pasch: Voll ausgestattet. Auch voll ausgebucht? Was ist in an der Forschung denn so interessant?

    Lorenzen: Man untersucht im All einfach ganz viele grundlegende Phänomene, die sich auf der Erde nicht untersuchen lassen, weil sie hier eben von der Schwerkraft überlagert werden. Etwas ganz banales aus dem Alltag: Verbrennung. Kann man auf die Erde gar nicht so gut untersuchen, weil eben bei der Verbrennung heiße Stoffe entstehen, heiße Luft ist wärmer als kalte Luft, sie steigt also auf, stört in gewisser Weise die Verbrennung. Wenn man also die Verbrennung allein untersuchen will, muss man ins All gehen. Da gibt es den Auftrieb nicht, dort steigt die leichtere heiße Luft eben nicht auf. Oder ein anderes Beispiel: Woher weiß ein keimender Pflanzensamen, wenn er denn keimt, woher weiß er dann, wo unten ist, wenn die Wurzel ins Erdreich wächst, und woher weiß eigentlich der Spross, dass er nach oben wachsen muss, dass er irgendwann durch die Erde stößt und Photosynthese machen kann. Das sind ganz grundlegende Phänomene, die man auch aus dem Alltag kennt, kann man eigentlich ganz grundlegend nur im Weltall, in der Schwerelosigkeit erforschen.

    Pasch: Ob das dann die Kosten wieder einspielt, diese Forschung, ist dennoch die Frage. Was hat es denn überhaupt gekostet, dieses Raumlabor?

    Lorenzen: Das Labor hat jetzt für Konzeption, Bau und für den Start 880 Millionen Euro gekostet. Also schon durchaus eine ganz große Investitionen, mit der alleine man so eine Viele-Milliarden-Dollar-Unternehmung, wie die Internationale Raumstation, sicherlich nicht rechtfertigen kann. Da ist ja auch Deutschland so das letzte Land, das immer noch meint, man mache diese Raumstation allein der Forschung wegen. Von diesen 880 Millionen Euro hat Deutschland 400 Millionen gezahlt, aber das ist ja auch bei EADS-Astrium in Bremen gebaut worden. Insgesamt waren zehn Länder daran beteiligt, man hat lange warten müssen, heute Abend soll es dann endlich starten.