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Europas Zukunft
Polens Regierungschef im EU-Parlament unter Feuer

Harsche Worte muss sich Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki von den Abgeordneten in Straßburg anhören. Richter würden politisch gegängelt, demokratische Rechte gefährdet. Der Ministerpräsident verteidigt seine Justizreform vehement. Er stellt polnische Traditionen über die gemeinsamen Prinzipien. Einlenken will er nicht.

Von Peter Kapern | 04.07.2018
    Eine polnische Flagge und eine Europafahne wehen im Wind
    Kritik und Verteidigung - EU-Parlamentarier und Polens Premier liefern sich einen Schlagabtausch (dpa/Beate Schleep)
    Drinnen hatten viele Abgeordnete Protestschilder gegen die Justizreform der polnischen Regierung auf ihren Tischen platziert. Und draußen demonstrierte eine Handvoll polnischer Demonstranten gegen die Politik des Besuchers. Einer von ihnen: Patrick Iwanacki:
    "Tatsächlich ist die übergroße Mehrheit der Polen gegen die Justizreform. Und Herr Morawiecki ist hergekommen, um seine Magie wirken zu lassen und einmal mehr seine Lügen zu verkaufen. Und wir sind hier um ihm zu sagen: Ihre Lügen wirken bei uns nicht, und sie wirken auch im Europaparlament nicht."
    Der Regierungschef kommt gleich zur Sache
    Als Morawiecki dann ans Rednerpult ging, um seine Vorstellungen über die Zukunft der Europäischen Union zu erläutern, redete er nicht lange um den heißen Brei herum. Polen habe das Recht, so der Ministerpräsident, seine Justiz genau so umzubauen wie seine Regierung dies derzeit tue:
    "Unsere Nationen wurden über Jahrhunderte durch ihre Kulturen und Institutionen geprägt, und die Achtung dieser Identitäten ist eine der Stützen der Europäischen Union. Und jedes Land der Europäischen Union hat ein Recht darauf, sein Rechtssystem gemäß seiner eigenen Traditionen zu gestalten."
    Und dann lieferte er die bekannten Argumente: Etwa, dass in den obersten Gerichten Polens immer noch Richter säßen, die während des Kriegsrechts Oppositionelle verurteilt hätten. Dieses und andere Argumente haben die EU-Kommission im laufenden Artikel-7-Verfahren gegen Polen nicht überzeugen können. Und die Venedig-Kommission des Europarats kam sogar zu dem Ergebnis, dass die polnische Justizreform an die Institutionen der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten erinnere.
    Abgeordnete sehen europäische Werte in Gefahr
    Auch heute traf Morawiecki ganz überwiegend auf Ablehnung. Guy Verhofstadt, Fraktionschef der Liberalen, erinnerte daran, dass es nicht zu den gemeinsamen Werten der EU passe, wenn die polnischen Richter der Kontrolle durch die Politik unterstellt werden. Und das sei keine Frage der Traditionen, so Verhofstadt weiter, sondern eine der Prinzipien. Obwohl Umfragen in den Mitgliedstaaten, auch in Polen, eine wachsende Zustimmung der Bürger zur EU ausweisen, sprach Morawiecki von wachsendem Protest und Widerstand gegen die EU. Sein Gegenrezept: Ein Europa der souveränen Nationen:
    "Damit das gelingt, müssen wir das Gleichgewicht zwischen dem Nationalstaat und der europäischen Zusammenarbeit neu herstellen. Eine Union der Nationen 2.0, die jetzt an die modernen Gegebenheiten angepasst werden muss."
    Polnische Regierung will hart bleiben
    Auf keinen Fall aber dürften die Kohäsionsfonds der EU, von denen Pole in besonderem Maße profitiert, gekürzt werden, so der polnische Regierungschef weiter. Morawiecki fühlte sich angesichts der massiven Kritik aus fast allen Fraktionen sichtbar unwohl, deutete aber nicht das geringste Einlenken an. Stattdessen warf er den Abgeordneten vor, die Debatte über die Zukunft der EU für ungerechtfertigte Kritik an Polen zu missbrauchen. Anti-polnisch eingestellt zu sein, auch das gehört zu den Standardvorwürfen, die Warschau gegen die europäischen Institutionen erhebt. Tatsächlich aber unterstrichen viele Redner die Bedeutung Polens für die EU. Udo Bullmann, Fraktionschef der Sozialdemokraten:
    "Wir wollen Polen haben in der Mitte Europas. Aber zerstören Sie nicht die demokratische Kultur in Ihrem Land, und kommen Sie zurück an den Tisch, um unsere gemeinsam weiter zu entwickeln. Dann werden wir Sie willkommen heißen als jemand, der uns hilft, die Zukunft zu bauen."