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Europaspiele 2015 in Aserbaidschan
PR für einen Autokraten

Die Europaspiele sollen für Weißrussland, das erhofft sich Präsident Lukaschenko, eine Bühne sein, um positive Schlagzeilen zu schreiben. Das war auch schon vor vier Jahren so, bei der Premiere. Damals waren es ähnliche Voraussetzungen: in Aserbaidschans Hauptstadt Baku.

Von Robert Kempe | 30.05.2019
Logo für die European Games 2015 in Baku
Logo für die European Games 2015 in Baku (afp / Tobias Schwarz)
Premiere der Europäischen Spiele. Der Sport feiert sich selbst in Baku, Aserbaidschan. Lady Gaga singt. Ein Auftritt bei der Eröffnungsfeier für zwei Millionen Dollar. Der Gastgeber: Ilham Alijew, Präsident seit 15 Jahren. Aserbaidschan, bis heute eines der undemokratischsten Länder weltweit. Meinungs- und Pressefreiheit werden systematisch unterdrückt. Alijew, der das Präsidentenamt von seinem Vater übernahm, präsentiert sein Reich dennoch gern als modernen europäischen Staat. Dafür verwendet er das Geld aus dem Ölboom nach Gutdünken.
Auch der Sport sei dabei nur Mittel zum Zweck, betonte Gerald Knaus von der Europäischen Stabilitätsinitiative, damals kurz vor Beginn der Spiele: "Wir haben es hier mit einem verbrecherischen Regime zu tun. Mit einem Regime, das Wahlen fälscht, das die Ressourcen das Landes ausbeutet, das Kritiker verhaftet, das die Redefreiheit und Versammlungsfreiheit verunmöglicht. Und dieses Regime verwendet den Reichtum des Landes, um sich Freundschaften zu kaufen."
PR für den aserbaidschanischen Präsidenten
Alijews Vorgehen in der Politik funktioniert auch im Sport. 2015 kam der gern, das größte Sportereignis des Jahres. Über 6000 Athleten, zwanzig Sportarten. Die ersten Europaspiele. Größer als Olympische Winterspiele. Die Kosten angeblich 5 Milliarden Dollar.
Ilham Alijew, Präsident der Republik Aserbaidschan.
Ilham Alijew, der Präsident der Republik Aserbaidschan. (imago//Metodi Popow)
Das Spektakel sollte Alijew PR verschaffen. Baku war bei der Vergabe der einzige Bewerber, scheiterte mit zwei Olympiabewerbungen. Zur Seite stand Alijew damals Patrick Hickey. Der Ire war damals einer der einflussreichsten Lenker des Weltsports: Vorstand im Internationalen Olympischen Komitee und Chef des Europäischen Olympischen Komitees, der Vereinigung aller Nationalen Olympischen Komitees in Europa. Inzwischen ist Hickey von allen Funktionärsämtern zurückgetreten.
Kein Wort zu den Menschenrechtsverletzungen
Im Rahmen eines Ticketskandals bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio wurde er im Bademantel von der brasilianischen Polizei im IOC-Hotel verhaftet. Bei der Schlussveranstaltung in Baku hielt Hickey fest: "Diese Spiele waren Vorbild für alle künftigen Europaspiele. Das Fundament eines Wettbewerbs, der inspirieren wird. Aserbaidschan hat eine leuchtende Zukunft."
Kein Wort von ihm zu den Menschenrechtsproblemen im Land und den politischen Gefangenen. Damals gingen Menschenrechtsorganisationen von über hundert aus. Einige von ihnen wurden rechtzeitig vor den Spielen verhaftet. Zum Beispiel Leyla Yunus. Historikerin und eine international renommierte Bürgerrechtlerin. Dem Regime war sie schon damals lange ein Dorn im Auge.
Bekannte Bürgerrechtlerin wird verhaftet
Genau drei Tage, nachdem sie einen Brief an den EOC-Präsidenten Patrick Hickey abgeschickt hatte, wurde sie verhaftet. Zu den Spielen in Baku schrieb Yunus an Hickey: "Freidenkende Bürger unseres Landes und Menschen auf der ganzen Welt, die an das Gesetz glauben, starten eine Protestkampagne gegen die Austragung der Spiele in Aserbaidschan, die bedeckt sind von Blut und Tränen."
Der Chef des irischen olympischen Kommitees, Patrick Hickey, bei den European Games in Baku 2015. 
Patrick Hickey bei den European Games in Baku 2015. (imago sportfotodienst)
Doch der Sport schwieg. Das sei ein Freibrief für Alijew, so resümierte damals Wenzel Michalski von der Organisation Human Rights Watch: "Wir beobachten, dass die Verfolgung von Dissidenten, von Kritikern, von Journalisten in direktem Zusammenhang mit den Spielen steht. Und auch die Verhaftung von politischen Gegnern, die Behinderung von NGOs von Nichtregierungsorganisationen."
Die Allianz der Autokraten und Sportfunktionäre hält
Michalski forderte: "Die Verfolgung muss eingestellt werden, weil die Veranstalter durch ihre Veranstaltung mitverantwortlich sind für die Situation. Das hätten sie sich vorher überlegen müssen, eigentlich hätten sie ihre Veranstaltung, ihr Sportfest niemals in so einem Land stattfinden lassen sollen."
Doch die Allianz der Sportfunktionäre und der Autokraten aus Baku, sie hält. Bis heute. Der Sport mache sich zum Komplizen, warnte Christoph Strässer. 2015 Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung: "Ich glaube, der europäische Sport tut sich keinen Gefallen, wenn er an dieser Strategie festhält und sagt: ‚Das Einzige, was uns interessiert, ist, dass die Spiele gut organisiert werden. Alles, was drum herum passiert, an politischen Situationen in diesem Land, blenden wir aus, verhandeln es vielleicht hinter verschlossenen Türen.‘ Ich glaube, dass das letztendlich bei vielen kritischen Beobachtern dem Image des europäischen Sports schadet. Und das, finde ich, sollten die Damen und Herren in den großen europäischen Sportorganisationen vielleicht mal ernst nehmen."