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Europawahl 2019
Schicksalsjahr für Europa

Der EU stehen bewegte Monate bevor: Bei der Europawahl im Mai drohen den etablierten Fraktionen ernst zu nehmende Verluste, rechtspopulistischen Parteien werden dagegen große Gewinne vorausgesagt. Aber auch der Machtkampf zwischen den EU-Institutionen selbst könnte sich verschärfen.

Von Bettina Klein | 02.01.2019
    Ein Wähler gibt seinen Stimmzettel ab.
    Ende Mai wird über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments abgestimmt. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    "We will embrace the future of Europe… Thank you very much for your support!"
    "Stand up lets open a new chapter, lets start right here in Helsinki."
    Die beiden Spitzenkandidaten der beiden bisherigen größten Fraktionen im Europäischen Parlament, Sozialdemokraten und Europäische Volkspartei, Frans Timmermanns und Manfred Weber, Ende des Jahres bei ihren jeweiligen Ernennungs-Kongressen, der eine in Lissabon, der andere in Helsinki.
    Vieles haben diese beiden Parteienfamilien in der Vergangenheit unter sich ausgemacht, in der Ära eines Jean-Claude Juncker oder Martin Schulz. Doch die Zeiten haben sich geändert - beiden Fraktionen werden unterschiedliche Verluste vorausgesagt und ein Zugewinn vor allem rechtspopulistischer Parteien von ihnen befürchtet.
    "Das Worst-Case-Szenario wäre eine große rechtsextreme Fraktion, die in die Nähe der gesetzgebenden Mehrheit kommt. Das kann ich mir aber ehrlich gesagt nicht vorstellen. Und das zweitgrößte Worst-Case-Szenario, also Second-Worst sozusagen, wäre eine rechtsbürgerliche Mehrheit aus Christdemokraten und den heutigen Konservativen bis weiter rechts", sagt der Chef der Europa-SPD, Jens Geier, dem Deutschlandfunk-Studio Brüssel, und gibt sich trotzdem optimistisch: "Mir ist vor dem Wahlkampf überhaupt nicht bange."
    EU selbst soll geschwächt werden
    "Das Worst-Case-Szenario für die Europawahlen wäre aus meiner Sicht, dass es Russland und anderen interessierten Kräften und Mächten gelingt, über Fake News, schlichte Propaganda und Verbreiten von Unwahrheiten und Zerstören von Vertrauen ein Europäisches Parlament am Wahltag komplett durcheinanderzuwirbeln und Europa zu schwächen."
    Die Sorge von Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Denn es geht weniger um die mögliche Stärkung von Parteien, deren Auffassungen man in dieser oder jener Frage nicht teilt. Sondern um Kräfte, die in erster Linie auf die Schwächung der Europäischen Union und ihrer Institutionen insgesamt abzielen.
    Trumps Wahlkampfstratege Steve Bannon ist in Europa unterwegs und versucht, rechtsextreme und rechtspopulistische Gruppierungen zu mobilisieren, wie den flämischen Vlaams Belang und den französischen Front National, der von Russland mitfinanziert wird. Effekte rechtspopulistischer Parteien haben sich bisher in Grenzen gehalten, sagt Kiran Klaus Patel von der Universität Maastricht, daher könnte jetzt eine neue Herausforderung kommen. Dennoch: Das Phänomen europafeindlicher Parteien sei ganz und gar nicht neu.
    "Man sollte nicht deswegen glauben, dass Integration bisher immer krisenfrei und durch breite Bevölkerungsunterstützung gelaufen ist. Denken Sie daran, dass in Italien und Frankreich in den Nachkriegsjahrzehnten 20 bis 30 Prozent für die Kommunistische Partei war, die ganz lange sich ganz stark gegen die Integration Europas gestellt hatte. Jedenfalls so, wie die EG damals war. Und es gab natürlich auch ein rechtsorientiertes Lager, das auch dagegen war."
    Möglicher Machtkampf zwischen den EU-Institutionen
    Transnationale Listen wie von Emanuel Macron gefordert, fanden diesmal noch keine Mehrheit im Europäischen Parlament. Dann ist da die Frage der Zukunft der Spitzenkandidaten: Also ob derjenige mit der größten Mehrheit auch Kommissionspräsident werden wird. Ein Machtkampf zwischen den Institutionen wäre ein denkbares Szenario.
    Und dann ist noch das Thema Brexit.
    "Ich bin grundsätzlich immer Optimist und deswegen habe ich auch immer noch eine Resthoffnung, dass Großbritannien am Ende in der Europäischen Union bleibt."
    Würden die Briten etwas mehr Zeit für den Ausstieg beantragen – dann nur bis zu den Europawahlen Ende Mai, so war und ist immer wieder zu hören. Anderenfalls würden sie kurz vor ihrem Austritt noch Abgeordnete wählen. Und die übrig werdenden Sitze der bisherigen britischen Parlamentarier sind schon längst aufgeteilt. Dennoch, für Daniel Caspary keine große Hürde:
    "Wenn wir die historische Chance hätten, diesen aus meiner Sicht historischen Fehler zu verhindern, dann sollten wir diese Chance nutzen und da wäre die Frage was mit den britischen Abgeordneten passiert das kleinste Problem, und da werden wir dann schon eine Lösung finden."