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Euroskeptiker am Ruder

Vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2009 hat Tschechien die sechsmonatige Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernommen. Der EU-Ratsvorsitz steht unter dem Motto "Ein Europa ohne Grenzen". Tschechien wird sowohl in Europa als auch im eigenen Land komplexe Probleme zu lösen haben, wie beispielsweise die Fragen um die Ratifizierung des Lissabon-Vertrags durch das tschechische Parlament.

Von Peter Hornung | 02.01.2009
    "Wo ist meine Heimat?"- Diese Frage stellt sich jeder Tscheche, wenn er seine Nationalhymne singt- "Kde domov muj". Eine traurig-schöne Hymne, ursprünglich das Lied eines blinden Bettlers in einem musikalischen Lustspiel aus dem Jahr 1834. Doch schon seit Gründung der Tschechoslowakei vor 90 Jahren ist es das Lied der Tschechen.

    Ein Lied, das ihnen Identität stiftet, die sie nicht selten in der Geschichte des 20. Jahrhunderts schon verloren sahen. So nimmt es auch nicht Wunder, dass gerade Ende Oktober eine Neuaufnahme der tschechischen Hymne mit großen Pomp inszeniert wurde. Im prächtigen Nationalmuseum am oberen Ende des Wenzelplatzes trafen sich am Nationalfeiertag die Spitzen des Staates und zelebrierten ihr Lied. Es ging darum, jetzt zur Ratspräsidentschaft repräsentative Aufnahmen der Hymne zu haben, aber auch die Frage nach der Identität spielte eine Rolle. Ministerpräsident Mirek Topolanek:

    "Wenn wir uns nun an diesem Staatsfeiertag an den Tod des Schutzheiligen Böhmens, des heiligen Wenzels erinnern, dann erinnern wir uns gleichzeitig daran, dass wir mehr als 1000 Jahre schon ein Bestandteil der stolzen Familie der europäischen Völker sind. Nicht nur erst seit 2004, als wir in die EU eingetreten sind, sondern mindestens schon seit den Zeiten der ersten Premysliden-Könige. Ich bin davon überzeugt, dass eben die Zuwendung zu dieser langen Tradition uns helfen kann, unsere chronischen Probleme mit der Identität zu lösen. "

    Da ist es wieder: das Problem mit der Identität, die Skepsis, eine Disziplin in der die Tschechen Weltmeister seien, wie EU-Kommissar Günter Verheugen einmal anmerkte. 1993, als die Tschechische Republik gerade aus der Tschechoslowakei hervorgegangen war, habe man sich solche Fragen noch gestellt, so Premier Topolanek, über die zukünftige Orientierung des Landes:

    "Werden wir zur westlichen oder zu östlichen Zivilisation gehören? Welchen Platz wird unser kleines Land in Europa einnehmen- neben stärkeren Nachbarn?"

    Die Fragen seien nun beantwortet: Nach Westen blicke sein Land, so der neue EU-Ratsvorsitzende.

    Rückblende: Der 30. April 2004, am Vorabend des EU-Beitritts. Es war bis dahin schon ein weiter Weg gewesen für das kleine Land: 1989 die Samtene Revolution, 1993 die Teilung der Tschechoslowakei, 1999 die Mitgliedschaft in der NATO. Nun also die Aufnahme in die Europäische Union.

    19 Uhr, der Spanische Saal der Prager Burg, dem Sitz des tschechischen Staatspräsidenten. Alles was Rang und Namen hat ist versammelt. Da öffnet sich eine Tür und das Staatsoberhaupt schreitet unter Fanfaren zum Rednerpult: Václav Klaus.

    "Heute um Mitternacht hört die Tschechische Republik als unabhängiges, staatliches Ganzes auf zu existieren und wird jetzt Teil der Europäischen Union."

    Versteinerte Gesichter bei der Regierung, doch wirklich überrascht war keiner: Václav Klaus, der neoliberale Wirtschaftsfachmann, hat sich erneut als der präsentiert, als der er schon zuvor schon immer wieder aufgetreten war: Tschechiens EU-Kritiker Nummer Eins. Der 67-Jährige sieht sich gerne als klassischer Liberaler, als Verfechter der freien Marktwirtschaft.

    "Ich sehe als Schlüsselthema unserer Zeit das Thema Freiheit und ihre Einschränkung durch Angriffe von verschiedenen Seiten."

    Überall sieht Václav Klaus Gefahren für diese Freiheit: Das hat auch mit seinen Erfahrungen in kommunistischen Zeiten zu tun, als er noch als Wissenschaftler tätig war. Die EU, die mit "überbordendem Bürokratismus" die Freiheit seines Landes einschränke, das ist seither eines der Lieblingsthemen von Klaus, der sich "EU-Dissident" nennt. Gerne vergleicht er Brüssel mit dem früheren sowjetischen Machtzentrum Moskau und verabschiedet sich mit seiner Polemik damit aus dem Kreis derjenigen, die man ernst nehmen müsse, sagt der Prager Politikwissenschaftler Jiri Pehe:

    "Ich würde tatsachlich sagen, Vaclav Klaus gehört nicht mehr zur Kategorie der Politiker, die sich konstruktiv kritisch äußern. Er ist also heute ausschließlich ein Politiker und Mensch, der sich damit profiliert, dass er destruktiv ist. Warum macht er es? Es gibt zwei Erklärungen, eine psychologische und eine politische. Es ist eine Tatsache, dass Vaclav Klaus heute nicht mehr nur EU-Skeptiker ist, sondern
    EU-Phobiker. Und deshalb hat er sich einfach dafür entschieden, das europäische Projekt auf seine Art zu sabotieren."

    Dennoch ist Klaus kein Anti-Europäer: Nur sieht das Europa von Klaus nicht aus wie die Europäische Union, sondern vielmehr wie die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft der 60er Jahre, eine riesige Freihandelszone, die gerne bis nach Zentralasien gehen darf. Die zunehmende Integration in der EU lehnt Klaus vehement ab- und den Lissabonvertrag sieht er zu allererst als Gefahr für die Freiheit, für die Souveränität seines Landes. Dass die Iren diesen Vertrag per Referendum zunächst zurückgewiesen haben, passte Klaus da gut ins Kalkül.

    "Das irische Nein bedeutet ganz klar, dass der Vertrag am Ende ist. Ihn wiederzubeleben? Wiederbeleben kann man nur Patienten, aber nicht Verträge der Europäischen Union."

    Im Konflikt über den EU-Vertrag hat Klaus inzwischen sogar mit seiner Partei, der ODS gebrochen. Nach monatelangem Streit mit dem eher pragmatisch orientierten Parteichef, Premier Mirek Topolanek, zog sich Klaus, der Dogmatiker, als Ehrenvorsitzender der Partei zurück. Klaus ist ganz offenbar gewillt, dem neuen EU-Ratsvorsitzenden so viele Knüppel zwischen die Beine zu werfen, wie nur möglich. Doch je mehr Klaus ihn ärgert, umso lockerer gibt sich Mirek Topolanek. Politik ist für den Liberalkonservativen, wie er sich nennt, eine Art Sport- und so spricht er auch gerne.

    "Ich fordere die Wähler auf, an die Wahlurne zu gehen, damit wir zurückschlagen und den Vormarsch der Sozialdemokraten aufhalten können. Um es sportlich zu sagen: Damit wir auf den linken Haken mit einem rechten Haken antworten."

    In der Politik ist der studierte Maschinenbauer schon seit der Wende, zunächst auf lokaler Ebene in seiner Heimat Mähren. 2002 wählte ihn seine Partei, die konservative ODS, zum Vorsitzenden- als Nachfolger von Václav Klaus, der damals Staatspräsident wurde. 2006 wurde Topolanek schließlich Ministerpräsident, Chef einer Koalitionsregierung von Konservativen, Christdemokraten und Grünen. Allerdings: seine Mehrheit im Parlament war schon damals denkbar knapp- und mittlerweile kann er nur noch mit Hilfe von Überläufern regieren. Kein Wunder, dass Topolanek sich weniger mit der Durchsetzung von Reformen beschäftigen konnte, als mit seinem persönlichen Machterhalt. Beim Thema Europa vertritt Mirek Topolanek eine gemäßigte Position in seiner Partei, in der es auch eine wichtige Gruppe gibt, die Präsident Klaus treu ergeben ist und seine kritischen Positionen teilt. Topolanek nennt sich "Euro-Realist". Den Lissabon-Vertrag sieht der Premier als notwendiges Übel, wie er immer wieder betonte.

    "Für mich ist der Lissabonner Vertrag ein schwerer Kompromiss, ein Tribut, den man zollt, um die Möglichkeit zu haben zu einem bestimmten Kreis zivilisierter Staaten zu gehören. Deswegen unterstütze ich die Ratifikation, trotz aller Probleme, die ich mit diesem Vertrag habe."

    Ob Topolanek das Format hat, als Ratspräsident für Europa zu sprechen? Als politisches Schwergewicht jedenfalls wurde Mirek Topolanek in Prag lange nicht gesehen. Zweifel seien deshalb angebracht, sagt der Politikwissenschaftler Pehe:

    "Ich denke, dass Topolanek vor allem kein Visionär ist. Er ist ein Technokrat. Ein Mensch, der sich von einem Ereignis zum anderem bewegt, in der letzten Zeit, wenn sie mir die Ironie erlauben, von einer Krise zur anderen. Er ist gut als politischer Feuerwehrmann. Er findet sich in Krisensituationen relativ gut zurecht und es gelingt ihm, im letzten Moment noch Verbündete zu gewinnen. Dennoch ist er jemand, der eher das weniger Vorteilhafte der Tschechen repräsentiert. Da ist er typisch: Sein Horizont ist auf Tschechien begrenzt, er hat auch gar keine Lust darüber hinauszublicken. Darin unterscheidet er sich von anderen europäischen Politikern, die grössere Visionäre sind und dank ihrer längeren Erfahrung in der Demokratie weiter sehen, überhaupt erst einmal fähig sind, weiter zu sehen."

    Tatsächlich war in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem der Krisenmanager Topolanek gefragt. Seine schwärzesten Stunden erlebte er im Oktober dieses Jahres, als die von ihm geführte Partei klägliche Niederlagen hinnehmen musste, in den Regional- und Senatswahlen. Topolanek schien schon wie ein Premier auf Abruf. Besonders Präsident Klaus sägte an seinem Stuhl. Doch am Ende hatte Topolanek die Nase vorne, und führt damit Tschechien während des Ratsvorsitzes. Aufgeben sei seine Sache ohne nicht, betonte er.

    "Ich bin nicht ein Mensch, der gerne aufgibt: In Momenten, in denen andere Mut, Hoffnung, Kraft und die Lust weiterzumachen verlieren, fange ich erst an. Meine Fähigkeiten und meine Leistung wachsen mit den Aufgaben. Je komplizierter und hoffnungsloser die Situation ist, desto mehr arbeite ich auf ein gemeinsames Ziel hin."

    Eigentlich gute Voraussetzungen für einen EU-Ratsvorsitzenden, der nun als Nachfolger von Nicolas Sarkozy besonders kritisch beäugt werden dürfte. Das dicke Fell, das man für dieses Amt braucht, das hat er ganz sicher, der Sportsmann Mirek Topolanek. Doch ein dickes Fell alleine wird nicht reichen. Und an Visionen für Europa da fehle es, sagt der Politologe Jiri Pehe:

    "Was Tschechien nicht hat, ist die Fähigkeit zur politischen Führung, aber das ist ein wichtiger Bestandteil eines jeden Landes, das den Vorsitz inne hat. Aber was soll denn Tschechien anbieten, wenn die Politiker hier nur miteinander streiten und der Präsident Krieg mit dem Premier führt."

    Doch irgendwie will man sich doch profilieren. "Europa ohne Grenzen" lautet das Motto der tschechischen Präsidentschaft, was durchaus auch als Kritik an Deutschland zu verstehen ist, das für Osteuropäer den Zugang zu seinem Arbeitsmarkt noch bis 2011 beschränkt. Im Mittelpunkt der Prager Agenda stünden nun drei Punkte, sagte Europaminister Vondra.

    "Wirtschaft, Energie und auswärtige Beziehungen der Union, speziell die Beziehung zu den Ländern im Osten."

    Die Finanzkrise wird auch für Prag ein unausweichliches Thema sein, allerdings steht man an der Moldau einem weiteren Konjunkturpaket skeptisch gegenüber. Beim Thema Energie will die tschechische Regierung die EU unabhängiger vom russischem Öl und Gas machen- ein möglicher Weg: die Atomkraft. Und schließlich die Außenpolitik der Union: Prag will eine neue "östliche Partnerschaft" der EU mit Staaten wie der Ukraine, Moldawien oder Weißrussland. Zudem sollen Balkanstaaten wie Kroatien und Serbien an die Union herangeführt werden. Auch nach Westen wolle man seinen Blick wenden: Barack Obama soll zu einem EU-Treffen nach Prag kommen.

    Doch was von dem alles umgesetzt werden kann, ist fraglich: Denn die Unruhe im politischen System Tschechiens wird auch in den kommenden Monaten den Ratsvorsitzenden Topolanek belasten, da muss man kein Hellseher sein.

    Die knappen Mehrheiten im Parlament zwingen den Premier zu allerhand Kompromissen, selbst die Ratifizierung des Lissabonvertrages soll zum Gegenstand eines Deals zwischen Regierung und Opposition werden. Topolanek ist zweifellos in einer schwachen Position. Was Europa anbelangt, spricht jedoch auch nicht die Opposition nicht mit einer Stimme: dort sitzen Sozialdemokraten und Kommunisten. Die Kommunisten sind Gegner des Lissabonvertrages, die Sozialdemokraten dagegeen befürworten ihn und setzen die Regierung Topolanek unter Druck, ihn so schnell wie möglich zu ratifizieren. Tatsächlich: Sozialdemokraten, wie der stellvertretende Parlamentspräsident Lubomir Zaorálek, geben sich viel überzeugter von der europäischen Idee, als dies Regierungspoltiker tut.

    "Diesen Vertrag haben 25 von 27 EU-Mitgliedsländern ratifiziert und damit bestätigt! Wenn ein Staat das nun nicht tut, dann versichere ich ihnen: Die Länder, die weitermachen wollen, die werden das auch tun- notfalls ohne uns. Ein Land, das nein sagt, wird abseits stehen. Ich denke, das wäre auch gegen die öffentliche Meinung unseres Landes. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Land in der Mitte Europas, das sich seit November 1989 auf die Europäische Union ausgerichtet hat, diese Richtung verlassen wird. Europa, das war doch unser Ziel, das wir damals hatten."

    Doch wenn es um Macht geht, stößt auch bei den Sozialdemokraten die europäische Idee an ihre Grenzen. Das zeigt der Streit um einen Burgfrieden während der Ratspräsidentschaft. Den knüpfe man an harte Bedingungen, kündigte der sozialdemokratische Parteichef Paroubek unlängst an - unter anderem die Zustimmung zu Neuwahlen im nächsten Herbst. Empörung beim Premier.

    "Ich halte den tschechischen Vorsitz nicht für die Sache einer Partei allein oder der Koalition, sondern für eine Sache des ganzen Staates. Und deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass die Opposition den EU-Vorsitz blockieren wird."

    So kommt Europa im politischen Tagesgeschäft an der Moldau unter die Räder und die unklare Position zum Lissabonvertrag bleibt eine Belastung für die Ratspräsidentschaft. Monatelang stand der Ratifizierungsprozess still, weil konservative Vertragsgegner das Dokument dem tschechischen Verfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt hatten. Doch auch als das Gericht grünes Licht gab, konnte man sich im Parlament noch nicht auf eine Ratifizierung einigen. Anfang Februar will man das jetzt versuchen. Das ganze Gezänk um den Lissabonvertrag verärgert zunehmend auch viele Wähler.

    "Was die Haltung zur EU anbelangt, so der Politikwissenschaftler Pehe, müssen wir unterscheiden zwischen dem, was durchschnittliche Menschen darüber denken und dem, was ein bestimmter Teil der politischen Elite macht. Der durchschnittliche Tscheche hat natürlich einen begrenzten Horizont, aber trotzdem versteht er am Ende, dass Europa, das europäische Projekt gut für ihn ist."

    Dass Staatspräsident Klaus der Regierung Topolanek dabei immer wieder in die Parade fährt, hat ihn Sympathien gekostet. Lange Zeit war er Tschechiens beliebtester Politiker, doch nun scheint sich der Wind zu drehen. Auch die Klaus-freundliche Presse kritisiert den Präsidenten scharf, und in Umfragen äußert sich eine deutliche Mehrheit kritisch über das Staatsoberhaupt. Ein Bild, das sich auf Prags Straßen bestätigt:

    "Der Premier macht keinen unglaubwürdigen Eindruck, sagt diese Lehrerin. Man muss Präsident Klaus vielleicht ignorieren, weil er schon ganz daneben ist. So sagen es die Leute bei uns. Zum Glück hat nicht er den Vorsitz inne, deshalb hoffe ich, dass er uns nicht mehr blamiert und dass wir endlich anfangen hart zu arbeiten."

    "Ich kann sagen, so dieser Jurist, dass ich mich darauf freue und erwarte, dass Tschechien beweisen wird, dass es nicht mehr nur irgendein postkommunistisches Land ist, sondern dass sich bei uns seit 1989 viel verändert hat und dass wir ein gleichberechtigtes Mitglied Europas sind. So können wir auf uns aufmerksam machen."

    Vom Prager Hradschin, dort wo auch der EU-Dissident Václav Klaus seinen Amtssitz hat, läutet nun die Glocke Siegmund ein neues Jahr ein. Sie ist ein wahres Schwergewicht, mit über 16 Tonnen eine der größten Kirchenglocken der Welt. Sechs Monate dieses Jahres wird zumindest Europa auf diese Stadt schauen. Doch ob es ihnen gefallen wird, was sie dort sehen. Jiri Pehe hat da seine Zweifel:

    "Ich bin leider nicht optimistisch. Ich denke, dass Tschechien die Aufgabe zwar organisatorisch schaffen wird, weil die Tschechen gut improvisieren können. Aber es wird wohl leider eine unterdurchschnittliche Präsidentschaft im Hinblick auf die politische Führung. Die politische Elite ist nicht in der Lage, der EU diese Führung anzubieten. So denke ich, dass die wichtigen politischen Entscheidungen außerhalb Tschechiens fallen werden, dass sich grundsätzliche Dinge parallel dazu in der Eurozone abspielen wird."

    Vielleicht, so vermutet der Politologe Pehe, liegt es auch am tschechischen Nationalcharakter, an der Geschichte, die das Volk in den vergangenen Jahrhunderten mehr erlitt als selbst gestaltete.

    "Die Tschechen sind ein provinzielles Volk, mehr als sie denken, da sie von den Hauptströmungen des europäischen Geschehens abgeschnitten waren. Es ist hier eine besondere Situation: einerseits sehen sie sich gerne als Mitte Europas, als ein relativ kosmopolitisches, liberales Volk. Aber andererseits sind sie etwas hinter her , weil dieses Land in den letzten 400 Jahren fast iummer Provinz war. Hinterland, etweder von Wien, Berlin oder Moskau. Und diese Mentalität ist hier tief verwurzelt. Die Tschechen haben Angst vor Welt da draußen, sie haben Angst sich zu öffnen, und es gibt hier eine Menge Vorbehalte und Mythen."

    "Zum Kelch" heißt dieses Traditionslokal in Prag und hier findet sich wenigstens ein kleiner Trost- auch im Hinblick auf den tschechischen Ratsvorsitz. Josef Schwejk soll hier verkehrt sein, glaubt man seinem Erfinder, dem Schriftsteller Jaroslav Hašek. Und dieser brave Soldat Schwejk sei noch immer der Prototyp des Tschechen: Er improvisiert und wurstelt sich irgendwie durch, meint dieser Gast.

    "Wir Tschechen haben diese Figur sehr gerne, obwohl er eher die schlechte Seite unserer Mentalität verkörpert. Die Fähigkeit ohne Arbeit und sich groß Mühe zu geben durch das Leben zu kommen. Aber er ist eben eine Figur, die die Tschechen im Ausland berühmt gemacht hat."