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Evangelischer Kirchentag 2015
Frömmigkeit und Weltverantwortung

Beim Evangelischen Kirchentag wird es dieses Jahr viel um die Themen Flucht, Vertreibung und Flüchtlinge gehen. "Dieses Zusammenhalten von Frömmigkeit auf der einen Seite und Weltverantwortung auf der anderen Seite, das ist das Kennzeichen des Kirchentages", sagt Generalsekretärin Ellen Ueberschär.

Von Thorsten Jabs | 03.06.2015
    Evangelischer Kirchentag
    Evangelischer Kirchentag (dpa / picture alliance / Daniel Naupold)
    Spirituelle Energien aufladen, politische Diskussionen führen - für Ellen Ueberschär, Generalsekretärin des Kirchentages, gehören diese beiden Elemente über Jahrzehnte zum Markenzeichen des protestantischen Laientreffens: Mehr Menschen gingen auf den Kirchentagen in Gottesdienste, mehr Menschen gingen in Bibelarbeiten, bei denen Prominente aus Politik, Wirtschaft und Kultur jeden Tag einen vorgegeben Bibeltext auslegen - Sie halte das für eine sehr positive Entwicklung, sagte Ellen Ueberschär im Deutschlandradio Kultur. "Damit wir klug werden" lautet das Kirchentagsmotto in Stuttgart. Es stammt aus den Psalmen im Hebräischen Teil der Bibel. "Lehre uns zu bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden", steht dort in voller Länge. Für Kirchentagspräsident Andreas Barner eine Aufforderung, bewusst zu leben und sein Denken und Handeln zu prüfen. Im Südwestrundfunk erklärte der Vorsitzende der Unternehmensleitung des Pharma-Unternehmens Boehringer Ingelheim seine Erwartungen: "Der Kirchentag hat traditionell immer wieder wichtige Botschaften akzentuiert, verstärkt, und ich bin ganz sicher, dass es bei diesem Kirchentag so sein wird, dass das Thema "Flucht, Vertreibung, Flüchtlinge" ganz wesentlich sein wird und dann damit auch eine Botschaft gesandt werden wird."

    Auch wenn die Hauptthemen schon vor anderthalb Jahren gesucht wurden - aktueller könnte das Thema "Frieden und Flüchtlinge" kaum sein. Am Samstag werden zum Beispiel Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan und Außenminister Frank-Walter Steinmeier über Verantwortung in Krisen und Konflikten diskutieren. Auf Veranstaltungen wie diese setzt auch Ellen Ueberschär: "Ich glaube, dass von diesem Kirchentag ein friedenspolitisches Signal ausgehen wird, weil das jetzt einfach etwas ist, das das Kirchentagspublikum und nicht nur das wirklich umtreibt."
    Die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Ellen Ueberschär
    Die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Ellen Ueberschär (dpa / picture alliance / Marijan Murat)
    Genauso wie die Spähaffäre um den US-Geheimdienst NSA und den Bundesnachrichtendienst. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere, der in der Affäre weiter in der Kritik steht, soll auf die Frage "Big Data - Wer kontrolliert wen?" antworten. Drittes großes Thema ist "Wirtschaft und Werte" - in einer Region, in der Firmen wie Daimler, Porsche und Bosch ansässig sind, ein Dauerthema: "Einige Veranstaltungen werden auch in den Unternehmen vor Ort stattfinden, so dass wir also auch ein bisschen 'Kirchentag goes Fabrik' sozusagen uns in einen Dialog begeben mit Wirtschaft und mit Menschen, die Verantwortung in der Wirtschaft haben."
    Immer noch viele Ressentiments
    Dialog ist ein Stichwort, das Ellen Ueberschär gerne aufgreift - ihr geht es auch um das Kennenlernen anderer Konfessionen. "Da gibt es am Samstag interreligiöse Mittagstische. Da kann man also verschiedene kulinarische Dinge ausprobieren und gleichzeitig die Menschen kennenlernen, weil nach unserer Erfahrung es immer noch so ist, dass viel an Ressentiment, an Ängsten, auch gerade an Islamophobie daher rührt, dass man eigentlich keinen kennt, dass man eigentlich gar nicht weiß, was machen Muslime in der Moschee und was glauben sie, wie leben sie, was denken sie, wer sind sie überhaupt, und so im Schutze des Kirchentages ist Begegnung einfach unkompliziert möglich."
    Und so startet der Kirchentag nach drei großen Freiluftgottesdiensten und einem Grußwort von Bundespräsident Joachim Gauck heute Abend auch in der Stuttgarter Innenstadt wieder mit einem Abend der Begegnung. Morgen früh geht es dann richtig los - bei Bibelarbeiten kann man Politiker wie Finanzminister Wolfgang Schäuble, Unternehmer wie Johannes Kärcher oder Theologinnen wie die frühere EKD-Ratspräsidentin Margot Käßmann erleben. "Klug handeln mit dem Mammon", "Klug sein angesichts der Unergründlichkeit des Lebens" und "Kluge junge Frauen" - so lauten am Donnerstag, Freitag und Samstag die Überschriften für das Herzstück des Kirchentages.