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Ex-Europaabgeordneter zu Coronabonds
"Es gibt alle Möglichkeiten, diese Krise zu managen"

Der ehemalige niederländische Europaparlamentarier Hans van Baalen lehnt sogenannte Coronabonds als Finanzspritze für in Not geratene EU-Mitglieder in der aktuellen Lage ab. Es gebe genügend andere Möglichkeiten, um die Krise zu meistern, sagte er im Dlf. Geld sei nicht das Problem.

Hans van Baalen im Gespräch mit Peter Sawicki | 11.04.2020
Der ehemalige niederländische EU-Abgeordnete Hans van Baalen.
Der ehemalige Europaparlamentarier van Baalen hält eine Diskussion über Eurobonds zur Bekämpfung der Coronakrise zum aktuellen Zeitpunkt für unangebracht (AFP / Bart Maat)
Das Corona-Hilfspaket steht. Der niederländische Politiker und ehemalige EU-Parlamentarier der liberalkonservativen VVD, Hans van Baalen, bewertet dieses und die Zusammenarbeit der Europäischen Union während der Coronakrise positiv.
Peter Sawicki: Herr van Baalen, Guiseppe Conte, der italienische Ministerpräsident, der hat ja vor wenigen Tagen gesagt, die EU könnte an diesem Finanzstreit zerbrechen. Wenn es wirklich dazu kommen sollte, was glauben Sie, wie sehr könnte das die Regierung in den Niederlanden mit ihrem Gewissen vereinbaren?
van Baalen: Wir wollen alle europäische Solidarität, das ist nicht das Problem. Wir wollen einander helfen in dieser Coronakrise. Und das heißt, Geld ist nicht das Problem. Es gibt eine Vereinbarung der Eurogruppe. Aber strukturelle Reformen, zum Beispiel Eurobonds, europäische Staatsanleihen, das sollen wir jetzt nicht beschließen. Das ist eine andere Sache. Und ich glaube, die Krise kann gemeistert werden ohne große Worte. Also ich glaube auch nicht, dass Europa gefährdet ist.
Sawicki: Ohne große Worte, warum hat es also so lange gedauert, bis es überhaupt diese Einigung erst gab?
van Baalen: Es hat nicht so lange gedauert.
Sawicki: Na ja, es hätte ja eigentlich schon am Dienstag fertig sein sollen, das Ganze, jetzt ist es erst am Donnerstag beschlossen worden.
van Baalen: Ja, aber das hat ein paar Wochen gedauert, und wenn man spricht zum Beispiel über einen europäischen Marshall-Plan: Der Marshall-Plan war auch nicht in zwei Wochen fertig. Und es gibt Solidarität, es gibt ausländische Patienten, die auch in deutschen Krankenhäusern verpflegt werden, also die gibt es, die Solidarität ist nicht das Problem, wir sind alle drin.
Sawicki: Das ist richtig, genau, das ist auch ein anderer Aspekt, die medizinische Hilfe, aber jetzt bei den finanziellen Aspekten, bei diesem 500-Milliarden-Hilfspaket, noch mal kurz der Blick auf die Position der Niederlande: Warum war sie so streng da in den vergangenen Tagen?
van Baalen: Ich glaube nicht so sehr streng. Man hat gesagt, wir wollen helfen. Das ist nicht das Problem, das ist auch nicht das Problem von Deutschland und Österreich und Finnland. Gemeinsame Hilfe ist angesagt, das wird geschehen. Aber man hat gesagt: Wir wollen nicht jetzt beschließen, Eurobonds, europäische Staatsanleihen zu kreieren. Na ja, darum gibt es kein Problem, was nicht gemeistert wird. Und wir können über europäische Staatsanleihen in ein oder zwei Jahren sprechen, ob wir das machen, das ist eine andere Sache, aber wir wollen jetzt helfen und natürlich auch geholfen werden.
"Das ist ein gutes Paket"
Sawicki: Dann schauen wir doch mal auf das, was zunächst beschlossen wurde, über die Corona-Bonds können wir gleich auch noch mal sprechen, aber jetzt dieses Paket, was ja 500 Milliarden Euro umfasst, bestehend aus drei Säulen, unter anderem eben der Kredite aus dem ESM, dem Stabilitätsmechanismus, die Europäische Investitionsbank ist mit dabei, und ein EU-Kurzarbeitergeld soll eingeführt werden: Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?
van Baalen: Ich glaube gut, denn es wird auch gesagt, ESM-Geld gibt es für die Coronakrise und ohne Schengen-Bedingungen. Nach der Krise, wirtschaftlicher Wiederaufbau, müssen wir natürlich über Bedingungen sprechen.
Aber jetzt gibt es Geld für die Coronakrise. Und die Europäische Investitionsbank hat auch ihre Möglichkeiten. Also ich glaube, wir haben Maßnahmen, die wirken, und das ist ein gutes Paket.
Sawicki: Wenn wir uns aber mal anschauen, dass zum Beispiel allein in Deutschland ein Hilfspaket - da sind jetzt nicht nur direkte Hilfen mit drin, auch Garantien, aber dieses Paket umfasst mehr als eine Billion Euro, und jetzt wird für das gesamte Gebiet der EU, in Anführungszeichen, nur die Hälfte beschlossen. Also kann man nicht damit rechnen, dass da noch viel mehr Geld nachgeschossen werden muss?
van Baalen: Das ist möglich, aber lassen wir sehen, was Deutschland für Deutschland macht und Holland für Holland, und so weiter, und so weiter, und dazu kommt noch europäische Solidarität, also es gibt sehr große Beträge, die spandiert [Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist vermutlich ausgegeben] werden, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bekommen. Also ich sehe nicht das richtige große Problem, und wenn das Problem größer werden wird, werden wir es gemeinsam meistern.
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Van Baalen: Diskussionen über Eurobonds sollte man nicht in dieser Krise führen
Sawicki: Und da sagen ja einige, die eben die Corona-Bonds befürworten, dass so was ja beispielsweise auch zeitlich begrenzt geschehen könnte, dass man für eine begrenzte Zeit zweckgebunden gemeinsame Anleihen aufnimmt. Warum sträuben Sie sich dagegen, warum sträubt sich die Niederlande dagegen, gegen diese zeitlich begrenzten Anleihen?
van Baalen: Was ist zeitlich begrenzt? Und was man schöpft zeitlich, kann auch dauerhaft werden. Also eine Diskussion über Eurobonds, europäische Staatsanleihen sollte man nicht in dieser Krise führen. Es gibt andere Instrumente, und dafür hat auch die Eurogruppe gewählt.
Sawicki: Welche?
van Baalen: Die haben Sie genannt, ESM und so weiter.
Sawicki: Genau, wir reden jetzt aber über die weiteren Maßnahmen, weil am 23. April sollen ja die Staats- und Regierungschefs jetzt noch mal konferieren, da sollen ja weitergehende Maßnahmen zusätzlich zu diesem Paket jetzt noch beschlossen werden. Wenn es also nicht Eurobonds sein sollen oder Corona-Bonds, was soll es dann sein aus Ihrer Sicht?
van Baalen: Es gibt Möglichkeiten im Eurobudget, da gibt es Möglichkeiten, da wird auch von der Kommission nachgedacht und vom Rat. Es gibt viele Möglichkeiten, aber Corona-Bonds oder Eurobonds, europäische Staatsanleihen, da ist man sich nicht einig, da können wir einen Kampf führen. Wir sollten das nicht tun, sollten helfen. Das ist wichtiger.
Van Baalen: Es gibt alle Möglichkeiten, um diese Krise zu managen
Sawicki: Das heißt, was stellen Sie sich da konkret vor, was könnte dann am Ende da stehen, auch in Zahlen vielleicht?
van Baalen: Na ja, es könnte mehr Geld geben auch aus dem ESM, es könnte mehr Geld geben auch aus der EIB, Investment Bank, und so weiter, und im langfristigen Budget der EU. Es gibt alle Möglichkeiten, um diese Krise, diese wirtschaftliche Krise und auch diese medizinische Gesundheitskrise zu managen und zusammen da rauszukommen. Die Möglichkeiten gibt es. Und wir wissen auch nicht, dieser Lockdown, ist das noch für einen Monat, zwei Monate, drei? Denn wird es länger sein, brauchen wir auch mehr Maßnahmen.
Sawicki: Mit Blick auf Maßnahmen und auch die Auflagen, für die sich die Niederlande ja immer eingesetzt hat, mit Blick auf Kredite: Würden Sie sagen, dass Italien und Spanien beispielsweise in den Jahren davor, bis zur Corona-Krise, falsch gewirtschaftet haben, eine falsche Finanzpolitik gehabt haben?
van Baalen: Das sollte man jetzt so nicht sagen, denn wir sind in einer Krise. Tausende von Leuten sind schon gestorben und werden vielleicht noch sterben. Da sollten wir nicht über Verhalten sprechen und wirtschaftliches Management in der Vergangenheit. Wir sollten jetzt sehen: Was können wir jetzt tun und in den kommenden Monaten und Jahren?
"Der Marshall-Plan wurde auch nicht in zwei oder drei Wochen zusammengestellt"
Sawicki: Wie groß ist der Schaden, den die EU davongetragen hat bislang durch diese Uneinigkeit bisher?
van Baalen: Ich glaube, der ist nicht so groß, denn es gibt jetzt eine Einigung. Und in Europa wird es immer diskutiert, und was ich sagte, der Marshall-Plan wurde auch nicht in zwei oder drei Wochen zusammengestellt, auch ein europäischer Marshall-Plan. Das kostet Zeit und die Zeit haben wir, denn auch Mitgliedsstaaten können immer noch Geld leihen auf den internationalen Kreditmärkten. Also Kredit ist nicht das größte Problem jetzt. Das Meistern der Krise ist das Problem, und das müssen wir zusammen machen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.