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Exodus der Kölner Kultur

Ob Schauspieldirektorin, Opernintendant oder Museumsdirektoren, immer mehr führende Kulturköpfe scheinen Köln zu verlassen. Kulturredakteur Stefan Koldehoff appelliert an den Kölner Kulturdezernenten, er solle "für diese hoch verschuldete Stadt Vorschläge machen, wo denn zu sparen wäre."

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 19.05.2012
    Burkhard Müller-Ullrich: Köln, du Brain-Drain-Stadt. Wer in diesen Tagen am Kölner Flughafen, am Hauptbahnhof oder auf den auswärts führenden Autobahnen nachschaut, sieht lauter Kulturmenschen auf der Flucht. Generalmusikdirektor James Conlon schon vor einigen Jahren, Schauspielchefin Karin Beier, Opernintendant Uwe Eric Laufenberg jetzt kürzlich – Köln hält keinen. Und jetzt reden wir mal über die Kunstszene, Stefan Koldehoff. Auch da scheint es Abgänge zu geben. Andreas Blühm hat es ja schon vor einer Weile angekündigt, jetzt ist ein Sammler dran, der immerhin dem Wallraf-Richartz-Museum seinen Beinamen, die Foundation Corboud, gegeben hat.

    Stefan Koldehoff: Vielleicht sollten wir, bevor wir zum Sammler kommen, doch noch mal ganz kurz auf den Museumsdirektor, auf Andreas Blühm eingehen, der wirklich jahrelang sehr, sehr erfolgreich das Museum geleitet hat und es noch tut. Ich glaube, dem müssen wir tatsächlich die Gründe abnehmen, die er vorgibt, nämlich private Gründe. Seine Frau ist Niederländerin, er hat die Möglichkeit, in Groningen, in der Heimatstadt seiner Frau, nahe zu seiner eigenen Heimatstadt Bremen, das Museum zu übernehmen. Er hätte, wenn er denn dringend aus Köln weg gewollt hätte, mit Sicherheit in den letzten Jahren – da sind an einigen großen Museen Stellen frei geworden -, auch da die Möglichkeit gehabt, sich zumindest zu bewerben, hat das nicht getan.

    Müller-Ullrich: Okay, geschenkt. Aber wenn er gewollt hätte, können wir mutmaßen, dass sich niemand vor ihn geworfen hätte und gesagt hätte, oh bleib doch.

    Koldehoff: Na ja, und er hat mir schon auch gesagt, er freut sich schon auf die finanziellen Strukturen. Das Museum in Groningen ist eine Stiftung, also nicht von einer Stadtverwaltung so abhängig, wie das in Köln der Fall ist. Da freut er sich schon drauf. Nur hätte es die Möglichkeit Groningen nicht gegeben, wäre er wahrscheinlich auch noch geblieben.

    Sie sprechen Gérard Corboud an. Das ist einfach eine zeitliche Koinzidenz. Andreas Blühm sagt, ich verlasse das Haus, und drei, vier Tage später meldet sich der Sammler und sagt, ich habe eigentlich auch die Geduld verloren, man verspricht mir hier seit Jahren einen Anbau ans Museum, damit ich meine Sammlung vernünftig zeigen kann, das geschieht immer noch nicht, notfalls muss ich sie halt abziehen. – Jetzt lassen wir mal dahingestellt, wie die Verträge sind, die die Stadt damals gemacht hat.

    Wir dürfen ja nicht vergessen: Das Museum ist umbenannt worden in Foundation Corboud damals, weil man glaubte, eine ganz, ganz bedeutende Sammlung an die Stadt binden zu können. Ich habe damals schon immer gesagt, das ist sie nicht, so bedeutend, wie es immer heißt. Da war zwar von großen Namen die Rede, von Henri de Toulouse-Lautrec, von Paul Signac, von Edvard Munch, von vielen großen Impressionisten. Wenn man sich deren Werke in der Foundation Corboud aber mal anguckt, dann ist es bei Toulouse-Lautrec ein eher unbedeutendes Frühwerk, bei Signac und bei Munch sind es kleine, eher Farbskizzen als ausformulierte Gemälde. Ob die nun unbedingt mehr Platz braucht, das ist die andere Frage.

    Abgesehen davon: Wenn jetzt auf einem benachbarten Grundstück das Wallraf-Richartz-Museum tatsächlich endlich den Anbau bekommt – da war mal ein Kaufhaus, das ist abgerissen worden, jetzt soll ein neues Gebäude hochgezogen und mit einer Brücke ans Wallraf-Richartz-Museum angedockt werden -, dann ist das nicht wirklich als Erweiterung für die Foundation Corboud vorgesehen, sondern dann möchte man da endlich vernünftige Wechselausstellungsräume etablieren, die nämlich dem Wallraf-Richartz-Museum fehlen. Die sind im Moment im Tiefgeschoss des aktuellen Gebäudes, sehr, sehr problematische Räume, viele Kompromisse müssen Kuratoren da machen. Das soll dann dort drüben stattfinden und möglicherweise wird dann im alten Gebäude auch ein bisschen mehr Platz für Corboud und seine Werke.

    Müller-Ullrich: Eine Zwischenfrage: Ist das Ganze ein Wahrnehmungsding? Ich meine, wir schauen makroskopisch darauf und stellen einfach fest, ganz viele gehen weg, jetzt egal aus unterschiedlichen Gründe, aber sie gehen weg, und die Kulturpolitik tut nicht so wahnsinnig viel, um sie zu halten. Ist das ein Wahrnehmungsding, das vielleicht an uns liegt? Gibt es das auch in anderen Städten?

    Koldehoff: Ich glaube nicht, dass es damit zusammenhängt, dass wir hier in Köln sitzen und der Deutschlandfunk aus Köln sendet und wir deswegen hier natürlich möglicherweise mehr mitbekommen als aus anderen Städten.

    Müller-Ullrich: Und woran liegt es dann, Mentalität, Atmosphäre?

    Koldehoff: Ich glaube zunächst mal A am Geld. Die Dezernenten, also auch der Kulturdezernent der Stadt Köln, sollten jetzt für diese hoch verschuldete Stadt Vorschläge machen, wo denn zu sparen wäre.

    Müller-Ullrich: Aber das Geld fehlt doch überall!

    Koldehoff: Da heißt es aber zum Beispiel in Köln an erster Stelle wieder, die Museen müssen Vorhaben verschieben. Das heißt, der Kulturdezernent war nie und ist nie sehr durchsetzungsfähig. Natürlich fehlt das Geld in anderen Städten auch, aber fiele Ihnen auf Anhieb ein, dass Sie mal aus Hamburg oder aus Berlin oder aus Frankfurt gehört hätten, erst geht die Schauspieldirektorin, der Opernintendant, die Direktorin des Schnütgen-Museums hat ihren Abgang angekündigt, jetzt auch noch der Leiter des bedeutenden Wallraf-Richartz-Museums – ich wüsste nicht, dass da Köln mit anderen Städten in dieser negativen Hinsicht tatsächlich vergleichbar wäre.

    Müller-Ullrich: Also als Phänomenologen stellen wir fest: Da ist doch was, und irgendwie wahrscheinlich der Wurm, der Kulturwurm ist drin in Köln. Danke, Stefan Koldehoff.