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Exoplaneten
Wie viele zweite Erden gibt es in der Milchstraße?

Knapp 5000 Exoplaneten sind mittlerweile entdeckt, ferne Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Doch gibt es darunter eine zweite Erde, die gute Bedingungen für höheres Leben bietet? Fachleute kommen dieser Frage nun allmählich näher. Und die Abschätzungen werden immer genauer.

Von Frank Grotelüschen | 02.09.2021
Der neu entdeckte zweite Exoplanet um Proxima Centauri besitzt rund siebenfache Erdmasse und wird damit zu den sogenannten Supererden gezählt
Der neu entdeckte zweite Exoplanet um Proxima Centauri besitzt rund siebenfache Erdmasse und wird damit zu den sogenannten Supererden gezählt (NASA)
Wie weit ist ein Planet von seinem Heimatstern entfernt – so dicht, dass es auf seiner Oberfläche höllenheiß ist? Oder so weit, dass extreme Kälte herrscht? Beides ist lebensfeindlich, und deshalb gelten nur jene Planeten als bewohnbar, deren Umlaufbahn zwischen den Extremen liegt – dort also, wo die Temperaturen die Existenz von flüssigem Wasser ermöglichen. Bewohnbare Zone, so nennt sich dieser Bereich um einen Stern. Lange galt er als Hauptkriterium für die Suche nach einer zweiten Erde. Doch wichtig sind auch andere Aspekte.
"Damit ein Planet bewohnbar ist, muss er die richtige Atmosphäre haben", sagt Raymond Pierrehumbert, Physikprofessor in Oxford. "Gibt es zu viel Kohlendioxid oder Wasserstoff, wäre es zu heiß. Gibt es zu wenig, wäre es zu kalt für flüssiges Wasser."

Schon die Entstehungsgeschichte ist wichtig

Wichtig dafür ist bereits die Entstehungsgeschichte: Ein Planet bildet sich, indem jene Staub- und Gasscheiben zusammenklumpen, die seinen noch jungen Heimatstern umgeben. Das kann eine Million Jahre dauern aber auch zehn. Bildet sich der Planet relativ schnell, wird auch seine Gravitation rasch größer. Dann bleibt wenig Zeit, um jene Stoffe loszuwerden, die zu Beginn seine Atmosphäre dominieren – Wasserstoff und Helium.
"Es sind Planeten, die sich zu schnell entwickelt haben, sodass sich Gas anreichern und danach nicht mehr entfliehen konnte", erklärt Helmut Lammer vom Institut für Weltraumforschung in Graz. "Sie haben dann 100 bar Druck für Wasserstoff, Helium und darüber."
Eine Atmosphäre ziemlich ungeeignet als Hort für Leben. Optimal dürfte eine Entwicklungszeit zwischen drei und viereinhalb Millionen Jahren sein. Langsam genug, um Helium und Wasserstoff loszuwerden, aber schnell genug, damit der Planet nicht zu viel an radioaktiven Elementen verliert. Die nämlich sind wichtig für die schwungvollen geologischen Prozesse auf einem jungen Planeten.

Radioaktive Elemente als heißes Herz des Planeten

"Für solche Prozesse braucht es eine Wärmequelle", erläutert Pierrehumbert. "Diese Wärme wird durch den Zerfall radioaktiver Elemente im Planeteninneren geliefert, insbesondere durch radioaktives Uran, Thorium und Kalium."
Die radioaktiven Elemente fungieren als heißes Herz des Planeten, und das befeuert Vulkanausbrüche und tektonische Verschiebungen. Dadurch wird die Oberfläche eines jungen Planeten laufend umgewälzt – mit entscheidenden Konsequenzen für seine Atmosphäre, insbesondere deren CO2-Gehalt.
"Gäbe es keine Wärmequelle, würde nichts die Vulkane in Gang halten", so Raymond Pierrehumbert. "Vulkane aber sind nötig, damit CO2 aus dem Planeteninneren ausgast. Würde das nicht geschehen, würde der ganze Planet schlicht zufrieren." Zu radioaktiv darf der Planet aber auch nicht sein. Pierrehumbert: "Auf einem Planeten mit zu viel Uran und Thorium würde am Ende viel zu viel Kohlendioxid freigesetzt."

"Nur eine Handvoll wirklich lebensfreundlicher Planeten"

Damit wird der Planet zum brüllend heißen Treibhaus. Nur eine gemäßigte geologische Aktivität führt zu einem passenden CO2-Gehalt in der Gashülle, was dann die Bühne schafft für den Aufbau einer Sauerstoff-Atmosphäre. Also: Die richtige Entstehungszeit, eine geeignete geologische Aktivität, dazu die passende Entfernung vom Heimatstern – es gehört schon einiges dazu, damit ein Planet gute Bedingungen für komplexes Leben bietet. Und so kann es sein, dass sich von den Zigtausenden erdähnlichen Kandidaten, die manche in der Milchstraße vermuten, die meisten als unbewohnbar erweisen, allein schon wegen ihrer lebensfeindlichen Atmosphäre.
"Oder Sie haben Wüstenplaneten, wo kein Wasser ist – auch nicht ideal", sagt Helmut Lammer. "Wenn Sie das alles einbringen – es kann schon sein, dass da nicht so viele rauskommen können."
Womöglich gibt es in der Milchstraße also nur eine Handvoll von wirklich lebensfreundlichen Planeten – deutlich weniger, als von manchen erhofft. Konkretere Zahlen könnten neue Teleskope liefern, etwa das James-Webb-Weltraumteleskop. Unter anderem soll es die Atmosphären ferner Planeten analysieren und dadurch genauer abschätzen, wie viele Planeten lebensfeindliche Gashüllen aus Helium, Wasserstoff und CO2 besitzen und auf welchen es ein Gemisch aus Stickstoff und Sauerstoff gibt wie auf der Erde.