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Exotische Blutsauger
Riesige Tropen-Zecken sind in Deutschland auf dem Vormarsch

2018 ist ein gutes Jahr für Zecken. Und leider gesellen sich zum gemeinen Holzbock zunehmend Invasoren aus dem Ausland. Mitte August meldeten Forscher, dass in mehreren Bundesländern tropische Zeckenarten gesichtet wurden. Sie sind auffällig groß und könnten neue Krankheitserreger übertragen.

Von Volker Mrasek | 27.08.2018
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    Die Bio-Invasoren sind Profiteure der Hitzewelle (Universität Hohenheim / IMB / Lidia Chitimia-Dobler)
    "Ich halte jetzt im Moment gerade so ein kleines Gefäß zum Einfrieren von Proben in der Hand. Und in diesem Gefäß befindet sich Alkohol. Und in diesem Alkohol befindet sich jetzt eine Zecke. Und daneben haben wir dann auch noch Ixodes rizinus, um einfach 'mal einen Größenvergleich darzustellen."
    Ute Mackenstedt ist Professorin für Parasitologie an der Universität Hohenheim. Und Ixodes rizinus der lateinische Name für die häufigste Zecken-Art bei uns, den Gemeinen Holzbock. Er wird so zwei, drei Millimeter lang. Die Zecke in dem Alkohol-Röhrchen ist ein Riese dagegen:
    "Sie ist relativ groß, etwa fünfmal so groß wie der Holzbock. Und was auffällig ist, sind diese sehr stark gemusterten Beine. Orange-rot gebänderte Beine. Daran kann man sie auch sehr leicht erkennen."
    Tropische Riesenzecken breiten sich aus
    In diesem Sommer wurden schon 20 dieser Riesenzecken in Deutschland gefunden. Exotische Blutsauger, die hier gar nicht hingehören! Denn die Neuankömmlinge zählen zur Gattung Hyalomma, und die stammt eigentlich aus tropischen und subtropischen Gefilden. Auch auf dem Balkan und in Südeuropa kommen die ungewöhnlich großen Zecken vor. Doch jetzt könnten sie im Begriff sein, sich sogar in Deutschland festzusetzen:
    "Zunächst schien es so zu sein, dass es in Niedersachsen hauptsächlich ist oder auch in der Wetterau. Aber mittlerweile zeigt es sich, dass Hyalomma-Zecken viel verbreiteter sind. Baden-Württemberg, Bayern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen oder auch Nordrhein-Westfalen."
    Blutsaugend wurden die buntbeinigen Riesenzecken bisher zwar nur an Tieren entdeckt - an Pferden und an einem Schaf. Und für die seien die Stiche ungefährlich, wie Ute Mackenstadt sagt. Anders sehe es aber beim Menschen aus:
    "Der Mensch kann durchaus auch befallen werden. 2018 gab es einige Fälle von Krim-Kongo-Hämorrhagischem Fieber in Spanien. Und die stehen im Zusammenhang mit Zeckenstichen. Hyalomma marginatum ist ein klassischer Überträger von den Viren, die dieses Krim-Kongo-Fieber hervorrufen. Die Leute sind wirklich richtig, richtig, richtig krank und können auch daran sterben."
    Die Tropen-Zecken könnten neue Krankheiten übertragen
    Sie wolle aber auf keinen Fall Panikmache betreiben, betont die Hohenheimer Biologin. In Deutschland sei das lebensbedrohliche Fieber noch nicht aufgetreten: "Nicht in Deutschland! Also, das ist ganz, ganz wichtig, die Information! Vollkommene Entwarnung im Moment!"
    Experten am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München haben allerdings andere Erreger nachgewiesen. In einer der Riesenzecken stießen sie auf bestimmte Rickettsien. Diese Bakterien können beim Menschen sogenanntes Zecken-Fleckfieber auslösen, mit grippeähnlichen Symptomen und Hautausschlag. Auch hier gab es aber noch keinen einzigen Fall hierzulande.
    Warum treten die Fremdlinge in dieser Saison plötzlich gehäuft bei uns auf? Wahrscheinlich, weil sie bestens an trockenes und heißes Klima angepasst sind: "Das ist unsere Interpretation im Moment. Das Wetter ist etwas Besonderes 2018. Wir gehen also davon aus, dass insbesondere diese lange Hitzeperiode auch dazu geführt hat, dass die Zecken sich sehr wohl fühlen und auch sehr aktiv sind."
    Die Bio-Invasoren sind Profiteure der Hitzewelle
    Vorher hatte es nur zwei Einzelfunde in Deutschland gegeben: 2015 und im vergangenen Jahr. In der Nähe von Mainz auf einem Pferd. Und in Tübingen, wo eine Hyalomma-Zecke tatsächlich auf einem Menschen herumkrabbelte. Eingeschleppt werden die Exoten womöglich regelmäßig. Und zwar als blinde Passagiere, wie die Professorin vermutet.
    "Man würde zunächst einmal glauben, dass Hyalomma eventuell mit Vögeln aus dem Balkan-Bereich hier nach Deutschland kommt. Die Larve sucht sich zum Beispiel einen Vogel, häutet sich auf dem Vogel zur Nymphe, die auch Blut saugt, und erst die Nymphe lässt sich wieder abfallen. Dadurch kann diese Zecke etwa 20 bis 25, manchmal sogar 30 Tage auf einem Vogel verbleiben. Und kann damit natürlich so große Distanzen einfach mit dem Vogel zusammen überwinden."
    Werden sich die Eindringlinge hier dauerhaft festsetzen?
    Die spannende Frage ist nun, ob sich die tropischen Riesenzecken tatsächlich dauerhaft hier einnisten. Setzt sich der Klimawandel fort und sind die Sommer weiter so heiß, dürfte das Risiko steigen: "Dann ist es durchaus möglich, dass sich diese Zecke hier auch halten kann."
    Hyalomma-Arten sind übrigens Jagdzecken. Anders als der Gemeine Holzbock besitzen sie Augen und bewegen sich aktiv auf ihre Opfer zu, denen sie Blut abzapfen wollen. Und das durchaus schnell, was viele Pferdehalter verblüffte: "Die sagen: Wir haben sie gar nicht als Zecke wahrgenommen, sondern eher als Spinne, die auf dem Pferd hochgelaufen ist."