Freitag, 29. März 2024

Archiv


Explosionssichere Gebäude

Die erste Autobombe soll im Jahr 1920 in New York explodiert sein. Ein Pferdefuhrwerk, das mit Sprengstoff und Schrottteilen beladen war. 40 Todesopfer hat dieser Anschlag gefordert, der seither Tausende von Malen nachgeahmt wurde. Allein im Irak explodieren jährlich mehr als 600 Autobomben. Die Ursachen für solche Anschläge zu beseitigen, wäre eigentlich der beste Schutz. Doch weil das nicht einfach ist, arbeiten Forscher daran, wenigstens die Folgen abzumildern.

Von Hellmuth Nordwig | 26.09.2007
    "Vorsicht auf dem Sprengplatz!"

    Ein ehemaliger Steinbruch in der Nähe von Freiburg. Hier hat das Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik sein Versuchsgelände. Ganz kontrolliert wird Plastiksprengstoff gezündet, eine kleine Menge, die in einen Fingerhut passen würde. Das reicht für einen lauten Knall, weiter passiert nichts. Wenn die Forscher die Sprengkraft einer Autobombe simulieren, sieht es anders aus, sagt Versuchsleiter Dr. Christian Mayrhofer:

    " Wenn eine Scheibe bricht, fliegen die Splitter bis zum nächsten Gebäude, das 30 Meter entfernt ist. Wir haben auch gemauerte Modellwände untersucht, wo die Ziegelsteinteile teilweise bis auf die Straße geflogen sind, da mussten wir die Straße sperren. "

    Und die ist immerhin hundert Meter entfernt. Schutzmauern könnten die Wucht einer Explosion abfangen, doch sie passen meist nicht ins Stadtbild. Zum Beispiel in Straßburg. Dort haben die Fraunhofer-Forscher das Ziegelmauerwerk des deutschen Konsulatsgebäudes nachträglich verstärkt - mit Streifen aus dem gleichen Material, aus dem Skier und Surfbretter hergestellt werden.

    " Kohlenstofffaser-Verbundwerkstoffe. Die sind auch von Autos und aus anderen Bereichen der Technik gut bekannt. Diese Lamellen kann man einbringen, indem man in die Wand einen Schlitz sägt und dort einen üblichen Baukleber einbringt und dann diese Lamelle reindrückt. "

    Bei einer Explosion fangen die fünf Millimeter starken Lamellen einen Teil des Drucks ab und die Mauer bleibt stehen. Ziegel allein werden dagegen einfach weggeblasen. Nicht viel besser sieht es bei Beton aus. Er ist zwar in der Regel durch Stahlstäbe verstärkt. Die bleiben stehen, wenn das Gestein wegfliegt, doch ihre Tragkraft reicht nicht mehr aus, um das Gebäude zu stützen. Die Freiburger Sprengexperten haben deshalb ein Material entwickelt, aus dem in Zukunft die Mauern gefährdeter Bauwerke bestehen könnten: sogenannten Polymerbeton.

    " Der unterscheidet sich gänzlich von normalem Beton, insofern ist der Name irreführend. An Stelle der Zementmatrix wird ein Epoxydharz verwendet. Zum anderen werden keine Kieselsteine als Zuschlagstoffe verwendet, sondern gehäckselte Maiskolben. Man kann vereinfacht gesagt durch den Polymerbeton einen steifen Schaum erzeugen, weil die gehäckselten Maiskolben ein sehr hohes Porenvolumen zur Folge haben, 40 Prozent, und das führt dann letztlich auch dazu, dass er diese hohen Energien aufnehmen kann. "

    Polymerbeton ist dabei genauso tragfähig wie der herkömmliche und kostet rund das Doppelte - für Banken und Botschaften eine lohnende Investition. Normale Wandstärke reicht aus, um ein Gebäude vor einem Einsturz zu schützen. Bei bestehenden Bauten können tragende Wände und Stützen durch eine zusätzliche Lage Polymerbeton nachgerüstet werden. Auch an neuen Konzepten für Fenster und Glasfassaden arbeiten die Forscher. Damit beim Zerbersten keine Splitter herumfliegen, kann man zum Beispiel eine Folie aufkleben, genau wie bei Autoscheiben.

    " Das wird auch zum Teil schon gemacht. Das ist eine sehr wirkungsvolle Maßnahme. Bei Fenstern ist darauf zu achten, die Folie auch in den Rahmen rein verankert wird. Bei Glasfassaden ist das eine sehr gute und einfache Methode. "

    Für Gebäude aus Fertigteilen haben die Experten schließlich einen speziellen Beton entwickelt, der rund zehn Prozent Stahlfasern enthält. Damit können die Verbindungsstellen zwischen den Teilen ausgegossen werden. Christian Mayrhofer:

    " Und damit lässt sich in den Gelenken die gesamte Energie absorbieren, und das Gebäude würde nicht mehr einstürzen, auch unter Erdbebenwirkung. "

    Auch Feuer kann dem Faserbeton nichts anhaben, der Polymerbeton muss dagegen durch einen brandhemmenden Anstrich geschützt werden. Hätten die Architekten des World Trade Center statt der Stahlstützen Faserbeton verwendet, wären die Türme wahrscheinlich stehen geblieben. Doch den Anschlag vom 11. September 2001 konnte niemand vorhersehen.