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Exquisite Cembalomusik aus Frankreich und Italien

Zwei neue Produktionen mit italienischer und französischer Cembalomusik sind beim französischen Label Alpha erschienen. Jörg-Andreas Bötticher spielte "Toccate & Corenti d'intavolatura d'organo e cimbalo" von Michelangelo Rossi ein und Céline Frisch "Pièces de clavecin & airs d'après M.de Lully" von Jean-Henry d'Anglebert, wobei auf einer zweiten CD den Cembalostücken die originalen Lully-Orchesterwerke mit dem Ensemble Café Zimmermann gegenübergestellt wurden.

Von Christiane Lehnigk | 12.06.2005
    Anders als es zum Beispiel bei deutschen Plattenfirmen üblich ist, haben französische Labels wie Alpha offenbar kein Problem damit, mehrere hochrangige Künstler derselben Instrumentensparte zu protegieren. Hier wird eher auf die Vielfalt des Repertoires gesetzt, als auf die vermeintlichen Konkurrenzängste der Interpreten Rücksicht genommen. Und so erschienen jetzt zeitgleich Aufnahmen zweier Cembalisten mit einem exquisiten italienischen und französischen Repertoire.

    Bei den Toccaten und Correnti von Michelangelo Rossi handelt es sich um die erste Cembalo-Solo-CD des Cembalisten Jörg-Andreas Bötticher, der zuvor Aufnahmen nur als Kammermusiker und Organist veröffentlichte. Bötticher ist Schüler von Jean-Claude Zehnder und Andreas Staier und studierte an der Schola Cantorum Basiliensis, an der er seit 1997 selbst eine Cembalo-Klasse leitet. Darüberhinaus hat er einen Lehrauftrag für Aufführungspraxis an der Basler Musikhochschule und ist Organist an der Silbermann-Orgel der Predigerkirche.

    Bötticher gehört einer Generation an, die umfangreiche Forschung und Praxis miteinander zu verbinden vermag. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Musik tut der Frische und Lebendigkeit der stilsicheren Interpretation dabei überhaupt keinen Abbruch.

    * Musikbeispiel: Michelangelo Rossi - Toccata (f-moll, MS)

    Michelangelo Rossi, geboren in Genua, war zu Lebzeiten eher als Geiger, denn als Cembalist oder Organist bekannt¸ gehörte aber zu den führenden italienischen Komponisten des 17. Jahrhunderts für Tasteninstrumente. Von seinen Violinwerken ist allerdings kein einziges erhalten geblieben. Sein Hauptwirkungsfeld lag in Rom, wo er zunächst im Dienste des Kardinals Maurizio von Savoyen stand und Bekanntschaft mit Sigismondo d'India und Girolamo Frescobaldi machte, der sein Lehrer und Freund wurde. Und auch seine erste Oper "Erminia sul Giordano" wurde dort mit Erfolg aufgeführt. Er wurde von einer der mächtigsten römischen adligen Familien zur Zeit Papst Urban des VIII, den Barbarini, gefördert und wirkte auch an den Höfen der Este in Modena und der Bentivoglio und Sforza in Ferrara.

    Rossis Werke für Tasteninstrumente sind in einer Sammlung von Toccate e Correnti für Orgel und Cembalo zusammengefaßt und wurden, wie jüngst herausgefunden, wohl doch schon zu Lebzeiten, in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts gedruckt. Dies bedeutet, dass sie noch zu Frescobaldis Zeit erschienen, aber weniger eine Imitation dessen Stils bedeuten, als eine Art des musikalischen Dialoges.

    Die Toccaten von Michelangelo Rossi sind geprägt von Virtuosität, improvisatorischen und dramatischen Effekten und einer gewissen Nobilität und sie erfreuten sich seit ihrem Erscheinen durch die Jahrhunderte hindurch großer Popularität.

    Hören Sie hier noch die Toccata settima in d-moll mit einer auffallend harschen Chromatik. Jörg-Andreas Bötticher spielt in dieser Aufnahme auf einem doppelmanualigen italienischen Cembalo, einem Nachbau nach Giovanni Battista Giusti aus dem Jahre 1681.

    * Musikbeispiel: Michelangelo Rossi - Toccata settima (d-moll)

    Nach Toccaten von Luigi Rossi, einem der bedeutendsten italienischen Cembalisten des 17. Jahrhunderts, möchten wir Ihnen noch eine Einspielung mit Cembalowerken vorstellen, deren Sammlung zu den schönsten Beispielen der französischen Cembaloschule zwischen Chambonnières und den Veröffentlichungen zu Beginn des 18. Jahrhunderts zählen.

    Jean-Henri d'Anglebert wirkte am Hofe Ludwig des XIV. in der Nachfolge von Chambonnières als ordinaire de la chambre du Roy pour le clavecin. Zu seiner bedeutendsten Veröffentlichung für Cembalo gehören die "Pièces de clavecin ... diverses chaconnes, ouvertures, et autres airs de Monsieur de Lully" von 1689. Darin enthalten sind auch vier Suiten in vier Tonarten, die von einer weiteren, zweiten Ausgabe ergänzt werden sollten, was aber nie geschehen ist. Hören Sie hier Céline Frisch mit einer Gigue aus der G-dur Suite. Sie spielt auf einem französischen Cembalo nach Vincent Tibaut.

    * Musikbeispiel: Jean-Henry d'Anglebert - Suite in G-dur/ Seconde Gigue

    Neben den 4 Suiten der Sammlung, von denen 2 auf dieser CD eingespielt wurden, hat Jean-Henri D'Anglebert auch Adaptionen von Sätzen aus Bühnenwerken von Lully geschrieben. Zum einen versprach er sich wahrscheinlich davon einen größeren Publikumserfolg, zum anderen zeigt es aber auch, wie vertraut er mit den Opern- und Ballettproduktionen Lullys am Hofe Ludwig des XIV. war. Mit dieser Sammlung von Cembalowerken, die so etwas wie ein Lebenswerk d'Angleberts darstellt und ganz verschiedenartige Werke, auch für Orgel, enthält, hat er Musik für unterschiedliche Anlässe und Interpreten zusammengestellt. Angefügt hat er auch eine Anleitung für eine stilgerechte Ornamentierung, die zu einem Richtwert für die französische Musik wie für die Barockmusik generell wurde. In dieser Produktion spielte die junge Cembalistin Céline Frisch, die zusammen mit Café Zimmermann schon eine Reihe preisgekrönter Aufnahmen von Werken Johann Sebastian Bachs veröffentlicht hat, auch die Bearbeitungen der Stücke aus Opern und Balletten von Lully ein, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Und obwohl Lully selbst nie für Cembalo komponiert hat, gehört er mit über 400 Transkriptionen von 220 verschiedenen Stücken zu den Komponisten, die im französischen Cembalo-Repertoire am besten repräsentiert sind.

    Céline Frisch spielt hier zum Abschluß noch die Sarabande "Dieux des Enfers" aus dem 2.Akt des Ballettes "La Naissance de Vénus", und anschließend hören Sie noch das Stück in seiner Originalfassung, hinreißend gespielt vom Ensemble Café Zimmermann mit dem Konzertmeister und Leiter Pablo Valetti.

    * Musikbeispiel: Jean-Henry d'Anglebert - Sarabande Dieux des Enfers – M.de Lully

    * Musikbeispiel: Jean-Henry d'Anglebert - Sarabande Dieux des Enfers du Ballet de la naissance de Vénus

    Michelangelo Rossi: Toccate & Corenti d'intavolatura d'organo e cimbalo
    Jörg-Andreas Bötticher, Cembalo
    Label: Alpha
    Labelcode: LC 0516
    Bestell-Nr.: Alpha 077

    Jean-Henry d'Anglebert: Pièces de clavecin & airs d'après M.de Lully
    Céline Frisch, Cembalo
    Ensemble: Café Zimmermann
    Label: Alpha
    Labelcode: LC 0516
    Bestell-Nr.: Alpha 074
    Vertrieb: www.note-1.de