Freitag, 29. März 2024

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Extremistische Propaganda
"Ich lade euch ein zum Dschihad!"

In der KZ-Gedenkstätte Buchenwald haben sich Experten mit medialen Bilderwelten und deren Faszination für junge Menschen in Radikalisierungsprozess befasst. Mediale Bilder von "falschen Helden" können sich in den Köpfen von jungen Menschen festsetzen und bringen einige von ihnen dazu, ihre sichere Heimat gegen die mörderische Fremde einzutauschen.

Von Henry Bernhard | 21.11.2015
    Der als "Dschihadi John" bekannt gewordene Kämpfer des IS in einem Propagandavideo der Terrorgruppe.
    Der als "Dschihadi John" bekannt gewordene Kämpfer des IS in einem Propagandavideo der Terrorgruppe. (picture alliance / dpa)
    "fisabilillah" – "Im Namen Allahs" – heißt das Video, das Heike Würstl dem schockierten Publikum vorführt. Videoaufnahmen von Männern, denen mit einfachen Messern die Köpfe abgeschnitten werden.
    Musik, Gesang:
    "Wir wollen euer Blut, das schmeckt so wunderbar."
    Heike Würstl ist Polizistin und arbeitet für die Stabsstelle Extremismusprävention. Sie klärt darüber auf, was es gibt an extremistischer Propaganda im Internet und lässt keinen Zweifel daran, dass junge Menschen solche Filme auch schauen – mit Begeisterung.
    "Ja, es ist cool, so was zu haben, mit so Brutalität auch zu prahlen. Auf den Schulhöfen, über die Smartphones, werden viele solcher Videos gezeigt, werden sich ausgetauscht. Es gibt ja auch so eine gewisse Überbietungslogik; also es muss noch grausamer sein, damit man cool wirkt, und noch brutaler."
    Gegen die Verfügbarkeit sei die Polizei meist machtlos, es helfe nur, aufzuklären über die Bedeutung solcher Filme, über die Propagandaabsicht der islamischen Extremisten. Subtiler kämen da andere Filme daher.
    Und da, in diesem Video, wird der Krieg in Syrien dargestellt wie eine Ferienlagerromantik. Und es wird auf so Werte rekurriert, die man aus Hollywoodfilmen kennt, also es geht um Freiheit, Freundschaft und Abenteuer. Vom Krieg, werden sie gleich sehen, ist in diesem Video überhaupt nichts zu merken. Das entspricht natürlich nicht den Tatsachen.

    "Hier kann man Leben, echt Spaß hier. Ich lade euch ein zum Dschihad! Ich lade euch ein zum Dschihad! Dschihad! Dschihad! Dschihad! Allahu akbar!"
    Drei Männer tollen ausgelassen zwischen verschneiten Bäumen herum und bewerfen sich mit Schneebällen. So schön kann der Heilige Krieg sein, sagen die Bilder. Wer fällt auf so etwas herein? Es sind junge Männer, die nach einer männlichen Rolle suchen, sagt Irmgard Schrand, eine Islamwissenschaftlerin, die die Polizei in Hamburg berät.
    "Er sucht ja etwas, und ihm wird ja viel angeboten. Es ist ja nicht so, dass dieses männliche Pathos eine Erfindung der virtuellen Realität ist, das ist ja Unsinn. Also, Hollywood lebt von diesen Bildern. Die amerikanische Kriegs-, äh, die amerikanische Filmindustrie produziert ja Leinwandhelden, die sehr militaristisch sind. Da geht es immer um starke Männer, um potente Männer, um Männer, die eben dieses Kriegerethos leben."
    Suche nach Anerkennung steht im Fokus
    Aber die jungen Männer suchen nicht nur Macht, sondern auch einen Sinn, suchen Anerkennung, wollen Teil einer großen Sache werden, etwas, das sie möglicherwiese hier nicht finden, etwa, weil sie in der Leistungsgesellschaft eher am Rande stehen.
    "Der Wunsch danach, sich einzusetzen zu können für eine Sache, der Wunsch danach, sich selbst zu überhöhen, sich auch zu opfern. Und jetzt wird der Wunsch nach Aufstand, nach Rebellion gegen ein Schulsystem, gegen Ungerechtigkeiten, gegen das Gefühl, dass der eigenen Gruppe nicht genug Respekt entgegengebracht wird, wird befeuert dadurch, dass Menschen im Aufstand zu sein scheinen, gegen Diktaturen, und schaffen es, dass Soldaten vor ihnen davonlaufen. Das befeuert natürlich die Fantasie junger Menschen."
    Aber nicht nur die Bilder sind wichtig, meint Irmgard Schrand. Aus ihrer Erfahrung als Beraterin von gefährdeten Jugendlichen weiß sie, dass es auch um Zuwendung geht, die Jugendlichen zu Hause und in der Schule oft fehlt.
    "Was sie brauchen, ist persönliche Ansprache. Das ist das, womit sogenannte Salafisten punkten können. Sie haben Zeit, sie haben einen Raum, sie gehen auf die Bedürfnisse der Jungen ein. Er hat eine Offenheit gefunden, er hat eine Akzeptanz gefunden, die es andererseits in anderen Teilen unserer Gesellschaft so nicht gibt."